Kapitel 43: Leben und leben lassen (1) (Melina)

121 3 5
                                    




Wir saßen alle an dem großen Tisch auf der Terrasse und irgendwie war noch nicht viel gesprochen worden, seit wir vom Flughafen wiedergekommen waren. Tim saß neben mir, hatte seine Finger mit meinen verschränkt und schaute ungefähr so, als würde ich gleich umkippen und er müsste irgendetwas tun. Mein Vater, rechts neben mir, schaute in etwa genauso. Der Rest schenkte sich untereinander ratlose Blicke, nur Jared tippte auf seinem Handy herum.

„Was...was ist jetzt?" Laura schaute in die Runde, bevor sie sich Fricko zuwandte, um ihm ihre Frage wohl noch einmal zu stellen, allerdings in Gebärden.

„Wären wir Forscher, die ein tödliches Virus entdeckt hätten, würden wir das ganze Ding wohl als Krisensitzung bezeichnen" Sean stieß Jared neben sich den Ellbogen in die Seite, „Pack' das scheiß Handy weg, deine Mädels oder wer auch immer können warten."

„Du schaust zu viele Filme" Jared schüttelte den Kopf, legte das Handy aber aus der Hand, „Von wegen Krisensitzung, das ist 'was ganz anderes."

„Aber es geht um Melina", antwortete Sean, „Und das Thema ist ja auch durchaus ernst. Also quasi schon eine Krise."

„Meine Güte, lasst den Scheiß" Tim ließ meine Hand los. Er beugte sich vor und wandte sich an meinem Vater. „Dann haben wir das also richtig verstanden? Melinas Mutter kommt nicht, die Gründe sind nicht bekannt, obwohl wir sie uns durchaus denken können, und sie hat auch nicht vor zu kommen?"

„So wie es aussieht: Ja" Mein Vater hob hilflos die Hände, „Ich habe versucht, sie zu überreden, allein Melina zu liebe sollte sie kommen. Aber sie wollte nicht. Natürlich wollte sie nicht."

„Liegt ja auch hauptsächlich an uns", kam es aus Seans Richtung, er klang recht verächtlich, „Unglaublich, wirklich. So eine verdammte-"

Aber den Rest hörte ich schon gar nicht mehr, zum einen, weil irgendjemand Sean unterbrach und zum anderen, weil ich mich erhob und das Weite suchte. Auf Diskussionen hatte ich heute erst recht keine Lust.

Unten setzte ich mich an den Pool und ließ die nackten Füße ins Wasser baumeln. Auch wenn wir erst seit ein paar Stunden hier waren, diesen Platz hatte ich bereits innerlich für einen Lieblingsplatz erklärt. Das schöne: Von hier konnte man auf das Meer sehen, manchmal fanden sich dort sogar ein paar Schiffe.

Es dauerte nicht lange, bis ich Schritte hinter mir hörte und sich jemand neben mich setzte. „Es tut mir Leid, Melinski" Mein Vater stieß einen Seufzer aus, bevor er sich neben mich setzte, „Du kennst doch deine Mutter. Wenn es nach ihr ginge, würdest du mit solchen Leuten erst gar nicht 'rumhängen."

„Es ist nicht deine Schuld und Mum ist nun mal Mum. Für sie ist Tim der Schläger und wahrscheinlich würde sie mich eher lieber bei John sehen, als bei ihm." Fest presste ich die Lippen aufeinander. Fehlte jetzt nur noch, dass ich an meinem Geburtstag, mit inzwischen verdammten 30 Jahren, noch anfing zu weinen.

„Nun gut, sie hat diese Meinung über Tim, aber dass sie dich lieber bei John sehen würde, glaube ich nicht" Kurz schwieg er und sah wohl nach draußen auf das Meer. „Mal davon abgesehen sind sie alle sehr nett. Und auch immer darauf bedacht, dass es dir gutgeht, erst recht jetzt mit dem Baby." Natürlich, da hatte er Recht.

„Trotzdem ist es egoistisch von ihr. Es ist mein scheiß Geburtstag!" Wütend krampften sich meine Finger zu einer Faust zusammen, „Da kann sie doch einmal, EINMAL über ihre Abneigung zu Tim und dem Rest hinwegsehen und herkommen. Für eine verdammte Woche wird das doch wohl möglich sein!" Kurz verbarg ich den Kopf in den Händen. Wahrscheinlich war ich wirklich kurz davor, zu weinen.

Ich spürte, wie mein Vater mir eine Hand auf den Rücken legte. „Natürlich wäre das möglich gewesen" Auch er klang traurig, „Und ich habe oft genug versucht, sie zu überzeugen, aber eigentlich bin ich nur auf taube Ohren gestoßen. Es tut mir Leid." Er nahm eine meiner Haarsträhnen in die Hand und kitzelte mich damit an der Wange. Nur heute brachte mich das ausnahmsweise nicht zum Lachen.

Feeling Good (Avicii-Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt