Kapitel 12: Die fatale Verwechselung von Bremse und Gas

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„Aber ich hab doch gar nicht...", hörte ich Melina noch murmeln, bevor ich aus meiner Ecke platzte. „Woher, verdammt, wusstest du, dass ich hier stehe?", fauchte ich los. Sean warf mir nur einen Blick zu, fast schon gleichgültig. Aber dann antwortete er doch. „Dein Schatten, Tim. Ich hab deinen Schatten gesehen. Deshalb wusste ich, dass du dort stehst." Er lachte jetzt, „Du hast einen großartigen Schatten." „Besten Dank auch.", knurrte ich zurück. Auf wen sollte ich jetzt sauer sein? Auf die Sonne, weil sie gerade in diesem Moment so doof gestanden hatte? Nein, eher war ich sauer auf Sean, diesen Idioten.

„So wie ich das verstanden habe, habt ihr beide vielleicht noch was zu klären." Er wies auf Melina und mich, „Soll ich euch alleine lassen?" Doch er wartete erst keine Antwort ab, sondern verzog sich gleich ganz. Und ließ mich hier alleine, in dieser mehr als dummen Situation, an der ich ja Schuld war. Ich verzog kurz die Lippen nach unten. Verdammt.

„Tja...Tut mir Leid.", flüsterte ich schon fast in Melinas Richtung. Mein Blick richtete sich auf meine Fußspitzen. Ich wollte ihr nicht ins Gesicht sehen. Warum gab es hier gerade keine Kieselsteine, wo man wenigstens so tun konnte, als wäre es die interessanteste Sache der Welt, sie mit der Fußspitze hin und her zu schieben? Dieser Parkplatz brauchte definitiv Kieselsteine.

„Ist...ist schon gut." Sie hob abwehrend die Hände, als ich einen Schritt auf sie zumachte, keine Ahnung warum. Ich sollte bloß wegbleiben. Und irgendwie verletzte mich diese Geste so ziemlich. Wollte ab jetzt keiner mehr was mit mir zutun haben?

„Gib mir einfach ein bisschen Zeit, ja? Bitte. Ich bin...äußerst verwirrt." Sie sah mich an. Ich nickte nur. Und halt dich von mir fern. Das schien mir ihr Blick auch noch sagen zu wollen.

„Ich hol kurz Sean, dann können wir los.", murmelte ich noch und verschwand rasch nach drinnen. Bloß weg hier. Für den Rest des Tages wollte ich mich in mein Homestudio verkriechen. Und niemanden sehen.

„Kommst du?", fragte ich, als ich Sean wiedergefunden hatte, „Ich will los."

„Du klingst schlecht gelaunt, Tim.", antwortete Sean, bevor er mir mit triumphierender Miene einen USB-Stick unter die Nase hielt. „Ich hab's tatsächlich geschafft deine Aufnahme mit Melina vom Computer auf dieses kleine Ding hier zu ziehen. Toll, was?"

„Sicher.", brummte ich, „Das würde jeder hinkriegen, nicht nur du. Trotzdem Danke." Obwohl ich die Aufnahme am liebsten wieder gelöscht hätte. Immerhin erinnerte sie mich an den Moment, wo ich Raquel praktisch betrogen hatte.

„Na los, nimm ihn schon." Er hielt mir noch immer den USB-Stick vor die Nase. Ich nahm ihn also, mit einem leisen Seufzen, aus Seans Hand und ließ ihn in die Hosentasche gleiten. Irgendwo ließ sich das Ding bestimmt gut vergraben.

„Versprich mir...dass du den Mund hältst, okay?", meinte ich zu ihm, als wir wieder in Richtung Parkplatz liefen, „Das soll keiner wissen, dass ich Melina...geküsst habe." Und mich dabei auch noch gut gefühlt hatte. Aber dieses Verliebt sein-Gefühl und der Quatsch mit den verliebten Schmetterlingen hatte sich ja schon vorher abgezeichnet. Auf einmal begann ich, mir mehr Sorgen zu machen. Ich musste Raquel alles sagen. Irgendwie, aber das auf jeden Fall.

Eine Sorge nahm Sean mir dann schon mal ab. „Keine Angst, Tim." Er klopfte mir kurz auf die Schulter, „Ich halt dicht."

Melina wartete bereits am Auto und wir stiegen alle so ziemlich kommentarlos in den Wagen. Auch die Fahrt verlief ziemlich still. Kein Gebrabbel von Melina und Sean über Goldfische.

Zuhause ignorierte ich die Leute, die mir entgegenkamen, um zu fragen, wie es gelaufen war und verzog mich auf direktem Weg in mein Homestudio. Der Track, der seit wenigen Tagen den Namen Pure Grinding trug, schrie danach, weiter bearbeitet zu werden.

Feeling Good (Avicii-Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt