Kapitel 7

1.1K 56 1
                                    

Kühler Nebel hing in der Luft und verschluckte alles, was sich mehr als zehn Meter von mir entfernt befand. Irgendwie unglaublich, so warm wie es gestern noch gewesen war, es musste einen drastischen Temperatursturz gegeben haben. Was war das eigentlich für ein Sommer?

Fast fremd kamen mir so die Gassen vor, durch die ich lief, und einmal wäre ich fast in die falsche Straße eingebogen, doch ich war den Weg nun schon so oft gelaufen, dass ich wohl auch im Schneesturm zu Theas Haus gefunden hätte.

Mit den Zähnen klappernd vor Kälte stapfte ich durch den Hausflur, und erreichte schließlich Theas Zimmer, wo mich wohlige Wärme empfing.

„Tut mir Leid, aber ich kann heute wirklich nicht in die Schule“, begrüßte mich Thea verschlafen, als ich mich auf ihren Schreibtischstuhl fallen ließ.

„Oh, macht nichts, ich wollte nur mal vorbeisehen.“ Ich warf ihr einen erstaunten und zugleich neidischen Blick zu. Wie zum Teufel war sie bloß so urplötzlich krank geworden? „Ich würde auch lieber unter einer warmen Decke liegen, als einen ganzen Tag Schule zu haben.“ Ich seufzte.

„Das sagst du so einfach!“, beschwerte sich Thea. „Es ist grässlich. Und wenn es so weiter geht, kann ich nicht mal mit auf die Klassenfahrt!“ Ich musste lächeln.

„Nein, bis dahin bist du bestimmt wieder gesund. Du hast ja noch bis nächste Woche Donnerstag Zeit!“ Ich rekelte mich auf dem Stuhl und genoss die Wärme, die mich umflutete. Schließlich gähnte Thea herzhaft. „Ich wünschte ja, du könntest noch ein bisschen bleiben, aber“, sie warf bekümmert einen Blick auf ihre Uhr, „wenn du keinen Ärger von Mr Hilton kriegen willst, solltest du mal schleunigst los.“

„Ach, Englisch verpasse ich gern“, meinte ich, stand aber auf, und lief widerwillig zur Tür.

„Bis irgendwann!“, verabschiedete ich mich, und ergab mich meinem Schicksal.

Die Kälte umfing mich wieder wie ein eisiger Mantel. So war ich verdammt froh, endlich das warme Schulgebäude zu erreichen, und da weder Ronja auf mich zukam, noch Harold mir auflauerte, blieb es auch dabei.

Aber Mr Hilton hatte seine eigenen Methoden, jegliche Wärme aus dem Körper eines jeden Schülers zu quetschen, dafür genügte es sogar, dass er einen Vokabeltest ankündete, und so trieben seine Worte, heute würden wir eine Hausaufgabenkontrolle schreiben, viele Schüler an den Rand des Wahnsinns.

Plötzlich war es in der Klasse totenstill, nur eine unheilverkündende Stimme hallte durch den Raum. „Alles bis auf einen Zettel und einen Stift in den Schulranzen! Mal ein bisschen schneller, oder ich muss die Zeit für den Test verkürzen!“ Er grinste schadenfroh, und trommelte mit seinen dicken Fingern auf das Lehrerpult.

Der Test verlief schweigend. Niemand traute sich abzuspicken, denn gerade darauf wartete Mr Hilton ja die ganze Zeit, und niemand wollte ihm den Gefallen tun, eine Sechs unter einen Test zu setzen.

Totenbleich schwankte die gesamte Klasse in die Pause hinaus, ich ließ mich einfach mittreiben in dem Strom, der zur Tür hinausdrängte. Niemand hatte mehr die Kraft, sich zu widersetzen.

„Ich bin tot!“, hörte ich Harold neben mir ächzen, als ich ins Freie stolperte. Dabei hätte er eigentlich enthusiastischer sein müssen, immerhin war er der Einzige, der einen Ton herausbekam.

„Was ist denn mit euch geschehen?“ Mit hochgezogener Augenbraue musterte Nu Ronjas Gruppe, die wie Leichen an ihnen vorbeiwandelten.

„Sagt bloß, ihr hattet wieder Englisch?“, fragte er, und fing Joscha auf, der hinübergeschwankt kam.

„Erfasst“, seufzte Harold.

Erst am Ende der Pause schienen alle wieder völlig genesen, und trabten in die Klasse hinein.

Schimmernd wie PyritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt