Kapitel 27

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„Oh nein, ein Auto!", rief Harold plötzlich, doch als ich mich umsah, war nichts zu entdecken. Leise fluchend flitzte ich weiter, ärgerte mich, dass ich auf diesen alten Trick hereingefallen war. Nun hatten die Beiden ein kleines Stück aufgeholt, zwar nicht viel, aber glücklich war ich darüber trotzdem nicht. Und es war ja auch nicht so, als ob ich schneller wäre als Nu oder Harold. Was ich bei scharfen Kurven an Vorsprung gewann, holten sie fast jedes mal auf gerader Strecke wieder auf.

Es war also dringend Zeit für mich, zu verduften, und da blieb mir nur eine Möglichkeit: Verstecken. Also hastete ich auf eine Seitenstraße zu, legte einer meiner haarscharfen Kurven hin, flitzte im Schutz einer prächtigen Fichte auf das hier parkende Auto zu, und warf mich platt dahinter. Doch schon keine Sekunde später kamen Harold und Nu vor der Einfahrt zum Stehen. Leise redeten sie miteinander, und obwohl ich die Ohren spitzte, konnte ich nichts verstehen. Das konnte nichts Gutes bedeuten ... Zumindest nicht für mich.

„Mist, sie scheint weg zu sein!", schimpfte da Harold, und stapfte wütend hin und her.

„Wahrscheinlich ist sie durch den Garten abgehauen!", vermutete Nu. „Ich sehe hier nach, du dort!" Mit einem leichten Anflug von Panik beobachtete ich, wie Nu den Garten rechts, Harold den links von mir abschritt. Wenn sie mich jetzt entdeckten, saß ich hoffnungslos in der Falle. Außer, ich würde über das Auto klettern, und so etwas macht man wirklich nur einmal, wenn man dabei erwischt wird.

Langsam bekam ich richtige Panik: Wenige Meter von mir entfernt schaute Harold hinter jeden Rosenstrauch, hinter dem sich nun wirklich niemand verstecken konnte. Auch Nu war nicht weit entfernt, er inspizierte gerade das Blumenbeet.

Meine Güte!, dachte ich. Das ist jetzt wirklich nicht mehr normal! Oder besser gesagt: Da ist was faul. Ärgerlich, dass es mir nicht schon früher aufgefallen war, machte ich mich zur Flucht bereit, doch Harold und Nu hatten ihr Spiel bereits aufgegeben.

„Achtung!", rief Nu Harold zu, doch der war eh schon losgerannt. OK, dachte ich mir. Es gibt nur noch einen Fluchtweg, und zwar über dieses Auto. Über diesen alten Mercedis, naja, hätte doch schlimmer kommen können, oder? Zum Beispiel ...

Weiter kam ich nicht, denn Harold und Nu hatten mich fast erreicht, und ich musste mich völlig auf meine Flucht konzentrieren, da blieb keine Zeit mehr an irgendetwas zu denken.

Durch diese Kletteraktion gewann ich erstaunlicherweise Vorsprung, was aber wohl eher daran lag, dass meine Verfolger sich etwas ungeschickt angestellt hatten - nur waren sie jetzt leider fest entschlossen, die verlorenen Meter wieder aufzuholen.

„Über das Auto, ich fass' es nicht!", fluchte Nu und stürmte hinter mir her, als würde er selbst von einer Horde Irrer verfolgt. „So kommt sie uns nicht davon!"

Und so ging die Verfolgungsjagd weiter, mal über Straßen, mal durch Gärten, in denen ich nach einer Möglichkeit mich zu verstecken Ausschau hielt. Doch die wenigsten boten gute Verstecke, und man trieb mich jedes Mal auf, es reichte gerade um ein wenig zu Atem zu kommen, dann musste ich auch schon wieder aufspringen und weiterrennen.

Doch weder Jäger noch Gejagte wollten sich geschlagen geben, und so dämmerte es schon leicht, als es passierte.

Ich stolperte in einen neuen Garten, eigentlich nichts Ungewöhnliches mehr, doch in meinem Magen machte sich ein ungutes Gefühl breit.

Das hier war kein Garten! Es gab ziemlich viele Bäume, sie schienen in Reihen zu stehen und waren ungefähr gleich weit voneinander entfernt. Das musste eine Obstplantage sein. Ein idealer Ort, um zwischen den Bäumen zu verschwinden, dachte ich mir glücklich. Ein idealer Ort, um von den Jägern überrascht zu werden, antwortete eine Stimme in meinem Kopf.

Schimmernd wie PyritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt