Kapitel 16

1K 45 11
                                    

Ich wachte von Theas leiser Stimme auf.

„Ria, ich trau mich nicht raus“, flüsterte sie unbehaglich.

„Was ist denn?“, fragte ich, richtete mich auf, und starrte genau in ein paar wütende Augen, die mich durchs Fenster hindurch anblitzten. Entsetzt ließ ich mich wieder fallen, und presste die Hände auf meine Augen, um das schreckliche Bild zu verdrängen.

„Ria, sie lauern uns auf. Wir kommen nicht raus.“ Ich stöhnte nur leise zur Antwort.

„Ria, die scheinen wirklich wütend zu sein!“, sagte Thea etwas eindringlicher.

Vorsichtig lugte ich durch einen Spalt meiner Hände zu dem wütend blitzenden Augenpaar hinauf.

„Was machen wir denn jetzt?“, fragte Thea nervös. Ich nahm die Hände von meinem Gesicht, stand auf und sah sie an.

„Zum Frühstück können wir nicht“, stellte ich fest.

„Ich habe Harold noch nie so wütend gesehen“, brummte Thea unsicher. „Sollten wir uns nicht lieber ergeben?“

Ich blickte zu den Augen beim Fenster, doch sie waren verschwunden.

„War das Harold?“, fragte ich entsetzt. „Ja, ich glaube, er schläft normalerweise hier“, meinte Thea unglücklich.

„Ergeben kommt auf keinen Fall infrage. Sie haben bestimmt alle von uns unter die Lupe genommen, mich haben sie gestern durchsucht und jetzt bleibst nur noch du übrig. Und ich bin mir sicher, die Jungs glauben nicht, wir wären so blöd, die Kette jemand ganz anderem zu geben“, sagte ich seufzend.

Jemand trat unsanft gegen die Tür und wir zuckten beide zusammen. „Wir müssen hier auf jeden Fall raus“, sagte Thea bestimmt. Ich nickte. Wenn wir wieder bei den Anderen waren, konnte rein theoretisch wider jeder die Kette haben.

„Wir sollten uns beeilen. Wenn wir heute nochmal ein so dämliches Programm haben, werden die Lehrer merken, dass wir fehlen und Ronja und die anderen werden uns da wohl kaum rausreden können“, bemerkte ich.

„Wenn sie uns überhaupt raus reden können“, überlegte Thea besorgt. „Ich traue denen eiskalt zu, dass sie Ronjas gesamte Gruppe auch in einen dunklen Keller gesperrt haben.“

„Ja, wir stecken Kilometertief in der Tinte“, bestätigte ich. „Aber immerhin kommen die Jungs auch nicht pünktlich zum Frühstück.“

„Ziemlich schwacher Trost, oder?“, meinte Thea, und warf besorgt einen Blick in Richtung Tür. Jemand trat verstärkt dagegen und fluchte dabei entsetzlich.

„Ich wette, die haben Ronjas blöden Draht angebracht! So schlimm klemmt ja keine normale Tür!“, drang Jaspers gedämpfte Stimme durch die Wand.

„Mindestens! Ich glaube, mein Nachtschrank steht auch nicht an seinem Platz!“

„He, hier kommen wir nicht durch. Ihr ramponiert nur die Tür“, meinte jemand anderes, und augenblicklich verstummten die Tritt-Geräusche.

„Puh“, seufzte Thea erleichtert. „So ist's doch viel angenehmer.“ Sie zurrte die Vorhänge zu, um uns vor bösartigen Blicken zu schützen, und ließ sich auf eins der Betten fallen.

„Thea, wir kommen hier nie im Leben wieder raus, und du, du ...“ Ich rang nach Worten, gab es danach aber seufzend auf.

„He, ich hab's“, sagte Thea plötzlich, nach einer Pause, die mir wie eine Ewigkeit vorkam. „Die Jungs werden uns auf jeden Fall nach der Kette durchsuchen, wenn wir hier rausgehen. Also ist folglich die einzige Lösung, sie nicht bei sich zu tragen ...“

Schimmernd wie PyritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt