Schnellen Schrittes lief ich los, auf unser Häuschen zu. Als mich nur noch ein paar andere Häuschen von meinem Ziel trennten, ging ich in Deckung, und huschte hintenrum, den Schutz der vielen Sträucher nutzend, auf die große Kastanie zu. Leise und vorsichtig kletterte ich den Baum hoch, und balancierte dann über den Ast, der über unserem Dach hing. Dann huschte ich zum Dachfenster, die ganze Zeit darauf bedacht, so wenig Lärm wie möglich zu machen, ganz so, wie Ronja es angeordnet hatte (schließlich sollte unser Eingang geheim bleiben). Als ich das Dachfenster öffnete (es war nur angelehnt), rechnete ich wie immer damit, dass es quietschen würde, und wieder war ich erstaunt darüber, dass es kein Geräusch von sich gab. Bevor Ronja es geölt hatte, hatte es schrecklich gequietscht, und so konnten wir von Glück sagen, dass sie Schmieröl dabeigehabt hatte (ich wunderte mich immer wieder, an was Ronja alles gedacht hatte, und erst recht, wie sie das alles in ihren Koffer bekommen hatte). Nun folgte ich mit Augenrollen der Anweisung zu lauschen, ob sich jemand drinnen aufhielt, doch ich vernahm nur Stille. Also sprang ich in unser Häuschen und landete leise auf dem Boden. Leider nicht leise genug, denn eine Gestalt, die gerade eben noch damit beschäftigt gewesen war, meinen Koffer behutsam zu durchforsten, drehte sich nun blitzschnell zu mir um. Lauschen war ja eine tolle Idee, aber was sollte man machen, wenn die Einbrecher lautlos waren? Ich fluchte auf.
„Was zum Teufel machst du hier? Und nimm gefälligst deine Finger aus meinem Koffer raus!“, fuhr ich Harold an, der sofort aufsprang, und sich mir näherte.
„Was machst du hier, und vor allem: Wie bist du reingekommen?“, zischte er mich an, noch sichtlich geschockt von meinem plötzlichen Auftauchen.
„Durch die Tür“, log ich scheinheilig.
„Lüg nicht!“
„Ich lüge nicht! Woher willst du wissen, dass ich nicht durch die Tür gekommen bin?!“ Ich funkelte ihn wütend an, und betete, er würde das offene Dachfenster nicht bemerken.
„Wenn du's wissen willst.“ Harold zuckte mit den Schultern und kam noch einen Schritt auf mich zu. „Weißt du, draußen vor der Tür ist unsere halbe Gruppe positioniert, und wartet nur darauf, dass einer von euch versucht, reinzukommen.“
„Aha“, sagte ich scheinbar teilnahmelos, und schlenderte auf meinen Koffer zu.
„Stopp!“ Harold stellte sich mir in den Weg. „Was hast du vor?“
„Reg' dich ab, ich schaue nur nach Verlusten.“
„Verlusten? Ich habe nichts geklaut!“, empörte sich Harold, und richtete sich zu voller Größe auf.
„Na schön, was willst du dann noch hier?“ In dem Moment fiel mein Blick auf das offene Fenster, und ich bereute es, so laut gesprochen zu haben.
„Das weißt du nur zu gut!“ Harold folgte meinem Blick und lächelte leicht. „Ja, so bin ich reingekommen“, sagte er mir gelassen. „Wir dachten, ihr würdet es auch tun, schließlich war es gekippt. Aber anscheinend ...“ Er wollte mich in den Flur zurückschieben, doch ich stemmte mich mit aller Kraft dagegen.
„Verdammt!“, zischte Harold, als es ihm nicht gelingen wollte, mich nach hinten zu schieben.
„He, was ist?“ Joschas Kopf erschien im Fensterrahmen, und im nächsten Moment hörte ich ihn sagen: „Na wen haben wir denn da? Auf geht’s, diesmal entwischt sie uns nicht!“ Einer nach dem anderen kam übereifrig durch's Fenster gesprungen, nur Mischa blieb draußen, um Wache zu halten, wie er es nannte.
Ich fluchte wütend und wich vom Fenster zurück. Als Letzter tauchte Nu auf, doch anstatt sich mir mit einem vorfreudigen Kichern zu nähern, wie es die anderen taten, huschte er unter das Dachfenster, sah nach oben und nickte langsam, als hätte er es schon geahnt. Dann ging er in die Knie und schnellte ihm nächsten Moment nach oben. Noch bevor ich protestierend aufschreien konnte, baumelte er auch schon am Dachfenster, das sich sofort unter seinem Gewicht schloss. Nu machte allerdings keine Anstalten, den Griff umzudrehen und es somit richtig zu verschließen – wahrscheinlich, weil die Verrenkungen dabei allzu komisch gewirkt hätten. Anstattdessen baumelte er lieber ein bisschen hin und her und sah amüsiert auf uns hinunter.
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Schimmernd wie Pyrit
RomanceIch war eigentlich immer sehr zufrieden damit, diesen Bandenschwachsinn, der ein paar meiner Mitschüler wie ein Virus befallen zu haben schien, nur von Weitem zu belächeln, bis ich anfing, meine Nase in ihre Angelegenheiten zu stecken und mich prom...