Eines Morgens, ich war gerade dabei meinen Toast zu vertilgen, während Ramon und Joscha sich in der Küche befanden, als ich leise Schritte vernahm. Sich an das Haus heran zu pirschen war so gar nicht die Art der Jungen. Misstrauisch geworden ließ ich meinen Toast sinken und sah zur Tür. Doch schon war das Geräusch wieder verstummt, und Stille kehrte wieder ein. Es war eine merkwürdige Stille, eine, die dadurch entstand, dass jemand sich bemühte, besonders lautlos zu sein. Ich spürte förmlich, dass da jemand war. Ob Ronjas Bande da war, um mich zu befreien? Sie würden wohl kaum gekommen sein, um den Jungs die Kette zurückzugeben. Aber das sie es waren, da war ich mir plötzlich vollkommen sicher. Beflügelt von der Aussicht auf Rettung, wagte ich einen Versuch, mich aufzurichten. Es schmerzte, doch nicht halb so sehr, wie ich erwartet hatte. In den drei Tagen, in denen ich fast nur gelegen hatte, und meine Verletzungen gut behandelt worden waren, waren sie schon gut verheilt. Doch dafür war etwas anderes passiert, womit ich ganz und gar nicht gerechnet hatte: Da ich mich diese drei Tage lang so gut wie gar nicht bewegt hatte – die Jungen hatten nicht zugelassen, dass ich aufstand – war ich nun auch dementsprechend schwach. Fast konnte ich mich nicht alleine auf den Beinen halten, und ich drohte mehrmals umzuknicken, als ich mich der Tür näherte, von dem Schwindelgefühl mal ganz abgesehen.
Das Ohr gegen die Wand gepresst, konnte ich leise Stimmen vernehmen, so leise, dass ich nur erraten konnte, was sie sagten.
„Schaffst du es?", schien jemand zu sagen. Eine Antwort konnte ich jedoch nicht vernehmen. Anstatt dessen sprang kurz darauf die Tür auf, und vor mir stand tatsächlich Ronjas Bande, allen voraus Adine, die gerade den Draht mit einem zufriedenen Lächeln aus dem Schloss zog.
„Du kannst Schlösser knacken?", fragte ich sie erstaunt.
„Pst! Nur solche ganz Einfachen. Das kann man ja nicht als Haustürschloss bezeichnen! Komm mit!" Die anderen Mädchen hatten Wache gehalten. Plötzlich riss Adine entsetzt die Augen auf, wollte mir etwas zurufen, doch da war es schon zu spät – Ramon hatte mich fest am Arm gepackt, und Joscha hatte meinen anderen ergriffen.
„Schön hiergeblieben!", zischte er mir ins Ohr, die freie Hand tief in der Hosentasche vergraben. Wilde Verwünschungen ausstoßend wollte ich sie abschütteln, doch ich war immer noch wackelig auf den Beinen. Taumelnd bemühte ich mich auf den Beinen zu bleiben, doch weder Joscha noch Ramon machten Anstalten, mir zu helfen, im Gegenteil. Ramon machte sich auch noch einen Spaß daraus, mein Bein wegzuziehen, und so drohte ich, endgültig hinzufallen, als Adine auch schon neben mir war, und mich stützte.
„He!", schimpfte Joscha. „Du willst dich doch nicht etwa auch noch mit uns anlegen?" Zur Antwort rollte Adine mit den Augen und versuchte, seine Hand zu lösen.
„Nichts da!" Joscha zog seine andere Hand aus der Hosentasche und erwehrte sich so Adines Versuchen, mich zu befreien. Auch Ramon versuchte, es ihr schwer zu machen, so gut wie es ging eben, denn die anderen Mädchen ließen nicht lange auf sich warten. Bei Weitem in der Überzahl, war es ein leichtes für sie, ihre beiden Gegner zurückzudrängen.
„Komm, Ria!", raunte Ronja mir zu, packte mich am Arm, und zog mich weg. Stolpernd folgte ich ihr, ich fühlte mich seltsam schwach, so erschöpft, obwohl ich mich kaum bewegt hatte.
„Komm schon, schneller!", drängte Ronja. Sie schien besorgt und hielt nach irgendetwas Ausschau. Dann, ohne dass ich damit gerechnet hatte, blieb sie stehen, und zog mich blitzschnell hinter eine Tanne, wo wir beide in Deckung gingen. Mit wild klopfendem Herzen spähte ich die Straße hoch und runter, und zuckte leicht zusammen, als Harold plötzlich um eine Ecke geschnellt kam. In weiten Sätzen jagte er die Straße entlang, keinen Meter von unserem Versteck entfernt, und bog kurz darauf, ohne auch nur annähernd zu bremsen, in die Zufahrt des Hauses, dem ich gerade entflohen war.
DU LIEST GERADE
Schimmernd wie Pyrit
RomanceIch war eigentlich immer sehr zufrieden damit, diesen Bandenschwachsinn, der ein paar meiner Mitschüler wie ein Virus befallen zu haben schien, nur von Weitem zu belächeln, bis ich anfing, meine Nase in ihre Angelegenheiten zu stecken und mich prom...