Kapitel 26

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„Sie sind noch nicht mit Essen fertig, hä, hä! Unsere Chance!“, flüsterte Ronja hämisch, langte durch den Fensterspalt, und rückte vorsichtig die Dosen beiseite. „Damit haben sie wohl nicht gerechnet! Adieu, meine Freunde, und einen gesunden Schlaf, hä, hä, hä!“

Ich hatte ein schlechtes Gewissen, als ich anfing die Schlaftabletten zu zerbröseln, und Ronjas Lachen machte es nicht gerade besser, ja, ihre Schadenfreude war geradezu beängstigend. Vor allem, wenn man bedachte, dass sie noch vor einer halben Stunde dagegen gewesen war.

Nach etwas längerem Hantieren schaffte Ronja es, das Fenster ganz zu öffnen, und wäre dabei fast in die Küche hineingefallen. Gerade noch rechtzeitig konnte ich sie am Pullover zurückziehen.

„Jetzt bist du dran, aber leg dich besser nicht auf den Tisch, der wird dich wohl kaum halten!“, warnte sie mich. Zögerlich kletterte ich auf den Fensterrahmen und beugte mich, während ich mich mit einer Hand am Fensterrahmen festhielt, über den Tisch.

Gerade streckte ich die Hand aus, um das Pulver in die offene Flasche rieseln zu lassen, als ich Poltern und Schritte vernahm.

„Schnell, zurück!“, zischte Ronja, und ehe ich ihrem Befehl nachkommen konnte, hatte sie mich bereits von der Fensterbank runtergezogen, sodass ich rücklinks im Gras landete.

Blitzschnell bemühte sie sich, die Dosen wieder in Position zu bringen, und konnte gerade noch rechtzeitig das Fenster zuziehen, bevor die Küchentür aufschwang.

„Verdammt, Jasper!“, fluchte Ronja leise. „Selbst wenn er das Fenster nicht entdeckt, haben wir keine Chance mehr!“

„Jemand muss sie ab...“, weiter kam ich nicht, denn schon war Ronja losgeflitzt, und ehe ich mich versah, war sie schon dabei, über sämtliche Seile und Dosen zu stolpern, die sie auch nur auftreiben konnte. Es schien keine Falle zu geben, in die sie nicht reintrat.

Als meine Augen sich wieder über den Fensterrahmen erhoben, war Jasper bereits verschwunden, und die ersten Jungen kamen ausnahmsweise aus der Tür gejagt.

Jetzt oder nie!, dachte ich wild entschlossen, und stieß das Fenster auf. Sicherheitshalber schob ich die Dosen noch ein Stück weiter beiseite, und bemühte mich, auf der Fensterbank balancierend, das Pulver in die Flasche zu kippen, was wahrlich eine Herausforderung war, bei dem dünnen Flaschenhals. Hoffentlich würden den Jungen die weißen Pulverspuren um die Flasche herum nicht auffallen. Doch Zeit, um diese zu beseitigen, blieb mir nicht, denn der Kampf auf der anderen Seite des Gartens war fast vollends verstummt, und es würde mich nicht wundern, wenn man nun gleich auch nach mir suchen würde. Und wenn sie mich auch erwischten – na dann gute Nacht.

Es war ungefähr acht Uhr, als ich zurückkam, bewaffnet mit einem Taschen- und vier Küchenmessern.

Wie mir ziemlich schnell auffiel, als ich wieder beim Küchenfenster Position bezog, war dieses wieder gekippt, und ich fragte mich, ob den Jungen wohl etwas aufgefallen war, und sie das Wasser nicht getrunken hatten. Die Wahrscheinlichkeit war ziemlich hoch, denn das offene Fenster war ihnen wohl ziemlich verdächtig erschienen.

Wenn sich mein Verdacht bestätigte, konnte ich gleich aufgeben, es sei denn, ich bekam eine Blitzidee. Verflucht, warum hing das alles jetzt von mir ab? Wenn Ronja jetzt noch bei mir wäre – ich hätte nicht die geringsten Zweifel gehabt, aber nun war auch sie erwischt worden, und mit ihr die ... oh nein, das durfte nicht sein! Die Kette, sie hatten die Kette!

He, nein, meldete sich ein weiterer Gedanke. Dann würden sie doch nicht alle weiterhin gefangen halten. Ronja muss die Kette abgeworfen haben, vorher trug sie sie jedenfalls noch bei sich ...

Eifrig machte ich mich daran, das feuchte Gras zu durchsuchen, ja, ich robbte den ganzen Garten mehrmals ab, doch die Kette fand ich trotzdem nicht. Enttäuscht und mit klammfeuchten Kleidern spähte ich erneut durch das Fenster, und beobachtete Joscha und Ramon, die nicht weit entfernt von der Tür saßen, beim Kartenspielen. Nach einer für mich schrecklich langen Zeit – ich hatte schon einen halben Liter Cola verdrückt, um wach zu bleiben – begannen Ramons Augen verdächtig häufig zu klimpern, es sah ganz danach aus, als hätte er einen großen Schluck von meiner Cola gebrauchen können.

Schimmernd wie PyritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt