Kapitel 22

997 41 9
                                    

Thea wartete schon ungeduldig auf mich. Als ich hineinkam, hatte sie sich schon fertig angezogen, und wirkte alles andere als krank.

„Na dann, auf geht's!“, sagte sie in einem entschlossenen Ton, stellte ihre Teetasse etwas zu fest auf dem Tisch ab, und folgte mir nach draußen.

„Joscha ist schon vorbei, von dem droht uns also keine Gefahr mehr“, erklärte ich ihr, als wir uns unseren Weg durch kleine Nebenstraßen bahnten. „Aber wer weiß, was die anderen Kinder denken, wenn wir ohne Schulranzen in die völlig falsche Richtung unterwegs sind? Ich jedenfalls halte es für besser, nicht so viel Aufmerksamkeit zu erregen.“ Thea nickte zustimmend.

„Ist es sehr weit?“, wollte sie schließlich wissen, als wir schon fast eine Viertelstunde durch die Straßen irrten.

„Hm, ich fürchte, ja. Moment ... am Besten, wir gehen diese Straße hier hoch, dann müssten wir ungefähr ... ja, ich würde sagen hier hoch ...“, überlegte ich.

„He, haben wir uns verirrt?“, fragte Thea mich misstrauisch.

„Ähm, eigentlich nicht, nein. Aber weißt du, wie man von hier am Schnellsten zu diesem großen, grünen Haus am Stadtrand kommt?“

„Welches ...? Groß, grün, Stadtrand ... Ich fürchte, nein. Meinst du die Straße mit den ganzen Villen?“

„Nein, nein!“, rief ich. „Viel weiter ...“, ich fuchtelte mit den Armen, um die Himmelsrichtungen zu bestimmen, „weiter östlich!“

„Ah“, stellte Thea fest. Einen Moment schien sie nachzudenken, dann sagte sie: „Ach, keine Ahnung, lass uns die Straße hier hochgehen, und unser Glück versuchen.“

Auch wenn unser Weg gewiss nicht der kürzeste war – nach einer für meinen Geschmack viel zu langen Zeitspanne erreichten wir dann doch das Hüttchen im Wald.

Ich hatte schon meine Hand am Türgriff, als Thea mich plötzlich zurückhielt, und mir, so leise wie sie konnte, zuflüsterte: „Sollten wir nicht erst mal nachgucken, ob jemand Wache hält, nur so zur Sicherheit?“ Mit einem Nicken stimmte ich zu, und wir schlichen uns nach hinten zum Fenster.

Thea hatte recht gehabt, Ronja war nicht allein. Harold saß mit einem zufriedenen Lächeln vor ihr und legte gerade eine Karte ab.

„Sie spielen Karten!“, zischte ich erstaunt.

„Moment mal, Harold schummelt!“, flüsterte Thea aufgebracht. „Da, er hat eine Karte aus seinem Ärmel geschüttelt! Dieser miese ...“

„Schscht! Es geht hier nicht darum, ob Harold beim Kartenspielen schummelt oder nicht, wir müssen Ronja hier rausholen!“, wisperte ich Thea zu, und zog sie vom Fenster weg.

„Wir sollten unseren Angriff planen“, flüsterte ich, als wir uns ein wenig von dem Hüttchen entfernt hatten.

„Ronja ist nur an den Füßen gefesselt, ihre Arme sind schon mal frei“, überlegte Thea. „Eigentlich müssen wir nur reinkommen, Harold festhalten, Ronja kann sich selbst losknoten, und dann hauen wir ab, notfalls fesseln wir Harold mit dem Seil, mit dem jetzt auch Ronja gefesselt ist.“

„Geht klar, auch wenn ich nicht glaube, dass Harold so blöd sein und sich wehren wird, zumal wir zu dritt sind.“

Eilig pirschten wir zur Tür, und erneut legte ich meine Hand auf den Türgriff.

„Aber mach die Tür vorsichtig auf, besser sie bemerken uns erst mal nicht, als dass wir die Tür aufreißen, und sofort im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit stehen. Und abhauen bringt Harold auch nichts, also nichts überstürzen, wir haben Zeit“, raunte Thea mir zu, dann machten wir beide uns bereit. Ich drückte die Türklinke herunter, wollte die Tür langsam öffnen ...

Schimmernd wie PyritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt