Mir war übel und am liebsten wollte ich mich übergeben. Diese Nacht hatte ich scheußlich geschlafen und wurde von einem Albtraum zum nächsten geplagt. Außerdem hasste ich es zu lügen und nun musste ich zu Megan gehen und ihr etwas über meine Familie vorlügen. Doch was wenn sie sich persönlich bei ihnen melden wollte und nach ein paar Tagen nachfragen wollte wie es ihnen und mir ging? Ich hoffte sehr darauf, dass diese zwei Jugendlichen eine Antwort auf diese Frage hatten. Denn wenn dies passieren würde, dann könnte ich mich wahrscheinlich nicht mehr bei den O'Kelleys blicken lassen.
Auf meinem Weg hinunter ins Esszimmer begegnete ich James. Jetzt oder nie!
„Guten Morgen James!", begrüßte ich ihn freundlich und schluckte meine Nervosität hinunter.
„Guten Morgen, Miss Donovan." Er lächelte mich an.
„Ich habe eine Frage, wenn es recht ist?"
„Natürlich, frage Sie was auch immer Sie fragen möchten."
„Als ich gefragt habe, ob es in Irland Schwäne gibt, habe ich die Antwort bekommen, dass es verboten ist, diese Tiere in Irland zu töten. Aber gibt es dazu auch eine Geschichte?"
„Die gibt es in der Tat, aber am besten ich erzähle sie Ihnen bei einer Tasse Kaffee."
„Ja, ist gut." Zwar war es alles andere als gut, denn ich wollte diese Geschichte auf der Stelle hören, aber wenn er meinte, dass er einen Kaffee brauchte, dann sollte er auch einen bekommen.
Wir kamen im Esszimmer an, wo Megan schon wieder in der Küche stand und unser Frühstück zubereitete.
„Sind Sie bereit die Geschichte zu hören? Vorab, es ist keine schöne Geschichte."
„Ich bin bereit."
„Na gut. Also, es gab einmal einen König. Sein Name war Lir und er wurde vom Unglück nur so heimgesucht. Ständig geschahen Ereignisse, die für ihn unvorstellbar waren. Seine erste Frau war gestorben, welche ihm vier Kinder schenkte. Nämlich Fionnuala, Aobh, Fiachra und Conn." Ich staunte über diese Vielfalt an Namen, und auch darüber, dass James sie sich ohne Mühe merken konnte. „Jedoch brauchte Lir auch eine Mutter für seine Kinder und so nahm er Aoife zur Frau. Doch Aoife war keine liebenswürdige Stiefmutter für die Kinder, denn sie wurde von Tag zu Tag eifersüchtiger auf sie. Lir liebte seine Kinder abgöttisch, doch dies gefiel seinem Weib ganz und gar nicht. Deswegen plante sie ein Vorhaben gegen die Kinder. Die Tochter, Fionnuala, hatte durch einen Traum Kenntnis von dem bösen Plan ihrer Stiefmutter bekommen, jedoch konnte sie ihrem Schicksal nicht mehr entrinnen."
„Was ist denn passiert?", fragte ich gespannt.
„Ach Miss Donovan, Sie müssen mich doch auch einmal bei meinem Kaffee trinken lassen.", lachte James und nahm einen Schluck. „Was passiert war, wollen Sie wissen? Aoife wollte die Kinder von ihren Dienern töten lassen, diese jedoch weigerten sich diesen Auftrag durchzuführen und so nahm die Stiefmutter das Schwert selbst in die Hand. Allerdings brachte sie es nicht übers Herz die Kinder zu töten und deswegen verwandelte sie sie in vier Schwäne."
„Beim Lough Derravaragh?", war meine Frage. Ich hoffe jedoch inständig, dass seine Antwort nein lauten würde.
„Ja genau. Woher wussten Sie das?"
„Ich ähm ..." Was?! „Ich muss es wohl einmal irgendwo gehört haben." Mit klopfendem Herzen forderte ich James auf die Geschichte weiterzuerzählen. Mittlerweile hatte sich Megan zu uns gesellt und lauschte James' Worten.
„Da Aoife bittere Vorwürfe von Fionnuala bekam, begrenzte sie den Zauber zeitlich und überließ ihnen ihre menschliche Stimme. Am nächsten Morgen dann ritt Lir umher um seine Kinder zu suchen, denn er hatte das Gefühl, dass Aoife ihnen etwas Schreckliches angetan haben könnte. Und so war es ja auch. Als er seine Kinder schließlich gefunden hatte, verlieh er ihnen zum Trost die Gabe, so herrlich zu singen, dass alle Menschen diesem Gesang gerne lauschten. Von nun an verbot Lir, dass kein einziger Schwan mehr in Irland getötet werden dürfte und Aoife verwandelte er in einen Dämon der Lüfte, bis ans Ende aller Tage."
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Schwanenblut
FantasySeitdem Selene in Irland angekommen ist, wird sie nicht nur von mysteriösen Träumen geplagt, sondern auch noch entführt! Als wäre das nicht schon schlimm genug, stellt sich auch noch heraus, dass sie ein großes Geheimnis in sich trägt, von welchem s...