Er spürte ihre Unruhe, noch lange nachdem sie eingeschlafen war. Er musste zugeben, dass sie ein tapferes Mädchen war, doch sie war auch so eigenwillig. Keine Ahnung wie lange er noch die Ruhe bewahren konnte, denn niemand wagte es, so mit ihm zu sprechen, wie sie es tat. Dieses Mädchen zeigte ihm keinerlei Respekt. Natürlich, sie hatte ja auch keine Ahnung wie es in einem Wolfsrudel ablief, jedoch hatte er geglaubt, dass wenn er sie als Wolf bedrohen würde, sie ihm danach etwas mehr Erfurcht erweisen würde. Doch das tat sie nicht. Sie behandelte ihn wie auch zuvor.
Er seufzte und legte sich ebenfalls auf den Waldboden, jedoch in seiner Wolfgestalt. So konnte er mehr hören, falls sich irgendwelche Menschen nähern sollten. Ihm war es gar nicht recht, dass sie sich so nahe der Kleinstadt befanden, die sie gestern noch gepasst hatten. Doch Selene wollte es unbedingt darauf anlegen. Fast schon hätte er sie bei ihrer Flucht aus den Augen verloren und es wäre ihr sogar beinahe gelungen, wäre sie nicht so oft gestolpert.
Wenigstens war sein Rudel in Sicherheit. Sie wussten welchen Weg sie bis nach Schottland einlegen mussten. Bisweilen sollte Kacper sein Rudel anführen, denn ihm vertraute er von allen am meisten. Auf ihn war Verlass und sollte ihm etwas passieren, dann wusste er, Kacper würde einen guten Job machen. Die einzigen die ihm Sorgen bereiteten waren seine Schwester Freya und Ethan. Die beiden legten es einfach immer darauf an, dass etwas nicht nach Plan lief. Er hatte seine Schwester ausdrücklich gebeten, Selene keine Angst einzujagen und sich von ihr fernzuhalten. Und was machte sie? Freya machte das genaue Gegenteil, doch immerhin hatte sie dafür büßen müssen. Alle waren sie in den Geschmack von Selenes Stimme gekommen. Alle, bis auf ihn selbst. Er konnte es ertragen und ihr Geschrei schmerzte ihn weit nicht so sehr wie die anderen Wölfe.
Er versuchte auch ein wenig zu schlafen, denn morgen würde kein leichter Tag für sie werden. Außerdem musste er sie irgendwie dazu bringen, ihm zu vertrauen, denn es würde ihnen nicht ausbleiben durch Städte und Dörfer zu spazieren und dabei durfte Selene sich nicht aufführen. Sie musste ihm folgen, so wie es sein Rudel tat. Und sie musste Vertrauen zu ihm haben, was wohl nicht so leicht werden würde. Dass sie ihm mühelos folgte, wäre einfach. Er brauchte lediglich ihre Familie bedrohen und schon wäre sie brav wie ein Lamm. Doch das wollte er nicht. Das war nicht seine Art. Vielleicht war es Freyas Art, aber nicht seine.
Kurz bevor er die Augen schloss, schaute er zu Selene. Sie hatte ihm den Rücken zugedreht und er starrte auf ihr langes gewelltes Haar. Im Grunde genommen hatte sie es nicht verdient, dass sie nun hier mit ihm sein musste. Doch es war die einzige Chance die ihm, seinem Rudel und seiner gesamten Familie, noch blieb. Er musste es probieren; und das ging nur wenn sie kooperativ sein würde. Dazu jedoch musste er ihr Geheimnisse anvertrauen, die sie vielleicht nicht einmal wissen dürfte. Doch wenn er ihr Vertrauen haben wollte, dann musste sie auch an ihn glauben können. Er nahm sich vor, sie nicht anzulügen, sondern immer ehrlich mit ihr zu sein. Denn Ehrlichkeit währte bekanntlich am Längsten.
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Wörter: 533
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Schwanenblut
FantasySeitdem Selene in Irland angekommen ist, wird sie nicht nur von mysteriösen Träumen geplagt, sondern auch noch entführt! Als wäre das nicht schon schlimm genug, stellt sich auch noch heraus, dass sie ein großes Geheimnis in sich trägt, von welchem s...