Am nächsten Morgen wurde ich unsanft geweckt. Freya stand mit beiden Händen in die Hüfte gestemmt über mir und rammte mir aufs Neue ihren Schuh in die Rippen.
„Was soll das?", schrie ich sie wütend an, woraufhin sie nur mit den Schultern zuckte und mich böswillig anlächelte.
„Du solltest aufgeweckt werden. Zum Frühstück gibt es einen Vogel, ich hoffe du magst Vögel. Wie wäre es mit einem Schwan?" Jetzt rief sie lauter: „Jungs, wollen wir einen Schwan fangen?" Ethan fing dabei zu lachen an und meinte, er sei gleich dabei.
„Okay, ich hab schon verstanden. Ihr findet es also äußerst lustig, dass ich Vegetarierin bin." Langsam stand ich auf und versuchte mir nicht ankennen zu lassen, dass meine Rippen tatsächlich schmerzten.
„Nein, nein. Wir finden etwas anderes ganz witzig, wobei die Tatsache dass du Vegetarierin bist, mich sehr amüsiert. So wird es leichter, dich aushungern zu lassen."
„Mich aushungern zu lassen?" Nun stand ich ihr tapfer gegenüber und starrte sie ebenso feindlich an, wie sie mich.
„Du bestehst ohnehin nur aus Haut und Knochen. Fleisch ist an dir sowieso keines dran, wird also nicht allzu schwierig werden." Ethan gesellte sich an ihre Seite und forderte mich mit seinem Blick auf, ihn anzusehen. Dabei grinste er schelmisch und in seinen Augen glitzerte es, als hätte er Spaß daran, wie Freya mich fertigmachte. Doch das wollte ich mir echt nicht bieten lassen.
„Wenigstens wohne ich nicht wie eine Obdachlose im Wald und ernähre mich nur von dem was ich selber fangen muss. Du tust mir echt schon leid, Freya."
„Ich tu dir leid? Wohl eher umgekehrt. Am liebsten würde ich dir die Kehle herausreißen und sie ... den Wölfen zum Fraß vorwerfen." Den Wölfen? Es gibt mehrere Wölfe?
„Dazu müsstest du mich erstmal in die Finger bekommen, denn ich denke nicht, dass du es schaffen würdest, mich umzubringen. Zumindest nicht auf eine faire Weise."
Sie fletschte die Zähne und sandte mir Blicke zu, die einem normalen Menschen bis unter die Haut gingen. Doch mich konnte sie nicht mehr so leicht einschüchtern, dazu war ich bereits viel zu wütend.
„Willst du mir etwa sagen, ich könnte dich nur auf eine unfaire Art besiegen? Denn wenn du das glaubst, dann werde ich dir anderes beweisen."
„Wenn du dich traust, dann bitte. Zeig mir, was du drauf hast." Ich hatte keine Angst vor ihr. Mein Vater hatte mir früher immer gezeigt, wie man sich verteidigen konnte. Er hatte großen Wert darauf gelegt, dass ich mich gegen Vergewaltiger, Einbrecher und sonstigen Menschen wehren konnte. Falls ich nun angegriffen wurde, würde ich zu allen Mitteln greifen, die mir mein Vater gezeigt hatte. Für ihn hatte es wohl nur den Zweck gehabt, dass ich mich gegen männliche Wesen verteidigen konnte, doch wenn es sein musste, kämpfte ich eben auch gegen ein Mädchen. Sie war ohnehin jünger als ich. Natürlich musste ich auch hinzufügen, dass Freya stärker aussah als ich, so als würde sie ebenfalls viel trainieren. Doch ich hatte einen Kämpfergeist und würde das was mir mein Vater einst gelehrt hatte, niemals vergessen. Einige Jahre nach seinem Tod entschloss ich mich wieder an alles zu erinnern, was er mir beigebracht hatte und hatte versucht dies Anna näherzubringen. Sie hatte mich immerzu belächelt, doch auf eine gewisse Weise hatte sie mich ernst genommen und bald schon, musste ich mich nicht mehr dafür fürchten, wenn Anna alleine von der Schule nach Hause ging. Denn ich wusste, sie konnte sich verteidigen, zumindest so lange, bis dass sie ihr Handy aus der Schultasche fischen konnte, um mich anzurufen.
Nun stand ich einer wutentbrannten Freya gegenüber, die es anscheinend nicht glauben konnte, dass ich es mit ihr aufnehmen wollte.
„Na gut, wenn du unbedingt darauf bestehst. Ins Krankenhaus wirst du aber nicht gebracht, denn wir Obdachlosen versorgen uns liebend gerne selbst im Wald." Aha, also war sie doch gekränkt, dass ich sie obdachlos genannt hatte. Innerlich stärkte mich dieser kleine Sieg und gerade als sie auf mich losgehen wollte, packte sie jemand am Arm und riss sie von mir fort. Bei diesem Jemand handelte es sich um keinen anderen, als um den mysteriösen Typen, dessen Name ich noch immer nicht kannte. Bei Tageslicht sah er sogar noch ansehnlicher aus als bei Nacht. Er hatte sein T-Shirt weggelassen und stand seiner Schwester nun mit nacktem Oberkörper gegenüber.
DU LIEST GERADE
Schwanenblut
FantasySeitdem Selene in Irland angekommen ist, wird sie nicht nur von mysteriösen Träumen geplagt, sondern auch noch entführt! Als wäre das nicht schon schlimm genug, stellt sich auch noch heraus, dass sie ein großes Geheimnis in sich trägt, von welchem s...