Kapitel 12.3

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Kacper hatte sich schon sehr auf den Moment gefreut, an dem Colin ihn endlich anrufen würde. Doch er hatte mit guten Neuigkeiten gerechnet und nicht damit, dass Selene abgehauen und nun unauffindbar war. Kacper hatte ihm sofort gute Anweisungen gegeben, wie er das Mädchen anfangen sollte zu suchen, und einige Minuten später fand er auch schon heraus, dass sie sich ein Fahrrad geschnappt hatte und in Richtung Stadt gefahren war. Seitdem befragte Colin die Passanten nach einem Mädchen mit einem roten Kleid. Kacper hatte seinen Freund schon lange nicht mehr so aufgebracht erlebt. Colin wollte nicht, dass das Rudel davon Wind bekam dass Selene weg war, deswegen hielt Kacper den Mund. Ohnehin unterhielt er sich so gut wie mit niemand im Rudel seitdem er zum neuen vorübergehenden Alpha geworden war.

 Zum Glück war Theresa bei ihm, welche ihm bei schwierigen Situationen weiterhalf. Sie hatte Colin auch oft gute Tipps geben können, deswegen verließ er sich einfach darauf, dass sie schon wüsste, was sie sagte. Denn wenn Colin auf sie hörte, dann sollte er dies auch tun.

Kacper schaute sich im Rudel um und konnte Theresa bei Sarah stehen sehen. Sie unterhielten sich wie so oft über irgendetwas und Ethan stand nicht weit von ihnen entfernt. Bei Kacper schlich sich ein Grinsen aufs Gesicht, denn er wusste, Ethan hatte sich verändert. Er sorgte sich plötzlich um Sarah, was Kacper gut gefiel. Anscheinend hatte es doch etwas gebracht, ihm die Schulter auszurenken und ihm den Arm zu brechen. Heute schien ihm der Arm nicht einmal mehr so sehr zu schmerzen, was hieß, dass er bald wieder im besten Zustand sein würde. Falls Colin bis dahin Selene noch immer nicht gefunden haben sollte, konnte ihm das ganze Rudel bei der Suche helfen. Doch Colin verlangte noch keine Hilfe, er wollte erstmals alleine auf die Suche gehen.

„Hallo Sarah.", unterbrach Ethan das Gespräch der beiden Mädchen.

„Hallo.", verwundert schaute sie ihn an, bis sie sich ihm zuwandte, da Theresa grinsend davonging. Sarah wollte sie nicht zum Bleiben zwingen, doch ihr wäre es lieber gewesen, sie stände jetzt nicht mit Ethan alleine.

„Ich wollte dich fragen, ob du eventuell Lust hättest, mit mir zu reden?"

„Mit dir zu reden?", sie kicherte. „Aber, das machen wir doch bereits."

„Ja, aber ich meine richtig reden. Was da letztens im Wald vorgefallen ist, kann doch nicht verschwiegen werden. Weiß Theresa, dass du geweint hast?"

„Nein, und das bleibt auch so." Plötzlich schien sie ein klein wenig angriffslustig zu werden, was Ethan in gewisser Weise gefiel. „Hör auf so blöd zu grinsen.", meinte sie nach einigen Sekunden schließlich.

Doch Ethan grinste weiter vor sich hin. „Ich mag es wenn du zornig bist."

„Ja ich weiß. Du bist eben ein kleiner Sadist."

„Ein was?" Sein Lachen drang in Sarahs Ohren. So ehrlich hatte sie ihn schon lange nicht mehr lachen hören. Das erste Mal als sie ihn so lachen hörte, war als sich das gesamte Rudel vor einem Jahr im Schein des Lagerfeuers Geschichten erzählten. Diese Nacht würde Sarah nie vergessen, denn da hatte sie sich zum ersten Mal so richtig wie ein Rudeltier gefühlt. Zwar war Ethan der jüngste im Rudel, dennoch war es Sarah gewesen, die als letzte dazugestoßen war. Die Tortur der Verwandlung hatte bei ihr beinahe zwei Monate gedauert. Zwei Monate voll mit Angstzuständen, Depressionen, Schmerzen und Übelkeit. Sie hatte gedacht sie würde das nicht überstehen, doch als sie ihre Verwandlung endlich angenommen hatte, wurde sie von ihrem Vater nur noch verachtet. Er hatte sich eine stärkere Tochter gewünscht und kein Mädchen, welches zwei Monate brauchte, um zu akzeptieren, wer sie war. Beziehungsweise, was sie war. Sarah war so verletzt von ihm, dass sie Mutters aufmunternde Worte nur wage mitbekommen hatte. Seit dem Zeitpunkt als sie in Colins Rudel eingestiegen war, hatte sie kein einziges Wort mehr mit ihrem Vater gewechselt und auch ihre Mutter bekam sie kaum noch zu Gesicht. Nun war sie sechzehn und mit vierzehn hatte die Verwandlung bei ihr stattgefunden. Ziemlich spät, wenn man bedenkt, dass sich Ethan schon mit zwölf verwandelt hatte.

„Wenn du über, du weißt schon was, reden willst, dann bin ich für dich da." Sarah schien ihm nicht recht zu glauben, denn ihr Blick war fragwürdig.

„Warum soll ich dir das glauben, Ethan? Du warst nie so und ursprünglich dachte ich du wirst es auch nie sein, deswegen irritierst du mich im Moment. Falls du und Freya allerdings irgendetwas ..."

„Nein, ich versichere dir, Freya hat mit dem ganzen nichts zu tun. Ich weiß selbst nicht recht was mit mir los ist. Aber falls du jemanden zum reden brauchst, dann wirklich. Ich bin da."

„Ich bin auch für dich da, Ethan." Dann wandte sie sich von ihm ab und fing erst zu lächeln an, als er es nicht mehr sehen konnte.


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