Kapitel 11.1

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„Selene, es wird Zeit wieder aufzuwachen." Colins Stimme weckte mich. Ich lag in seinen Armen, während er über einen grasüberzogenen Hügel spazierte. Sein Blick war in die Ferne gerichtet und erst als er zu mir hinabblickte und sah, dass ich munter war, kniete er sich hin. „Wir sind angekommen. Wenn wir Glück haben, dann bekommen wir noch ein Abendessen." Colin grinste, als er mich losließ und ich nun am dreckigen Boden saß. Gerade als ich mir Sorgen um meine schöne blaue Jeans machte, sah ich, dass diese mehr als nur schmutzig war. Sie war von Schlamm übersehen und hätte ich nicht gewusst, dass es sich bei dieser Hose um eine blaue Jeans handelte, wäre ich wohl nie darauf gekommen.

„Scheiße.", war meine einzige Reaktion darauf.

Colins Schultern zuckten, bis ich merkte, dass er über mich lachte. „Glaub mir, ich kann dir eine neue Hose besorgen, wenn es das ist was dir Sorgen bereitet."

„Das ist gerade wirklich meine einzige Sorge.", erwiderte ich schlapp. Denn das war definitiv so was von gar nicht meine einzige Besorgnis. Doch meine anderen Gedanken schob ich erstmals zur Seite, denn ich wollte auf keinen Fall, dass mich Colin abermals tragen musste. Keine Ahnung, ob er mich lange getragen hatte, doch an seiner Stirn konnte ich Schweißperlen ausmachen, weswegen ich mir ausmalen konnte, dass er für längere Zeit mit mir auf den Armen unterwegs war.

„Komm.", forderte er mich auf und bot mir seine Hand an, welche ich folgsam annahm. „Wir haben nicht mehr weit, bis wir unsere Pension erreicht haben. Dort bekommen wir, mit viel Glück, noch ein Abendessen und gönnen uns eine heiße Dusche. Klingt gut, oder?"

„Ja, ja, das klingt gut." Meine Augen begannen zu tränen. Nicht weil ich heulen wollte, das konnte ich mir bis später aufheben, wenn Colin nicht dabei war. Sondern weil die Sonne gerade am untergehen war und diese Helligkeit in meinen Augen brannte. Das es vorhin einmal geregnet hatte, konnte man nur noch erahnen.

Ich folgte Colin über den Hügel und befanden uns plötzlich direkt neben einer Landstraße. Wir waren ungefähr eine halbe Stunde unterwegs, als ich die Ortstafel erkennen konnte. Roscommon. Davon hatte ich ja noch nie gehört. Colin anscheinend schon, denn er steuerte nach wenigen weiteren Minuten eine Pension an. Da es ziemlich warm geworden war, sah ich ein paar Straßen weiter Kinder aufgeregt miteinander spielen. Als ich mich genauer umschaute, bemerkte ich einige Erwachsene, welche in ihren Gärten saßen und die Abendsonne genossen. Was hätte ich dafür gegeben, diese Abendsonne ebenfalls beglücken zu können. Doch den Umständen entsprechend, konnte ich diese Sonne nicht einmal genießen, wenn ich es wollte.

Colin begrüßte die Frau am Schalter mit einer freundschaftlichen Umarmung. Hä? Innerlich war ich deswegen sehr aufgewühlt, doch äußerlich versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen. Hätte er mich nicht vorwarnen können, dass wir jemanden begegnen würden, den er kannte? Nein Selene, du bist nicht eifersüchtig. Ich wiederhole, du bist nicht eifersüchtig. Als er sich zu mir drehte, strahlte er mich mit einem Lächeln an.

„Das ist meine Cousine Louisa. Und Louisa, das ist Selene.", wandte er sich nun wieder zurück zu seiner Verwandten. Na siehst du Selene, kein Grund eifersüchtig zu sein. „Denkst du, könnten wir uns nach einer ausgiebigen Dusche, noch auf ein Abendessen freuen?"

„Natürlich Colin." Ihre Stimme war warmherzig und sanft. Als sie Colin den Schlüssel reichte, lächelte sie mir zu. Sie hatte volle Lippen und in der Tat, sie sah Colin in gewisser Maßen ähnlich. Selbst die Haarfarbe war gleich. Ich fragte mich, ob sie auch ein Wolf war, oder ob sie eine Verwandte von seiner Mutters Seite war. Da ich den Blick nicht von ihrem schönen Gesicht wenden konnte, nahm Colin zum wiederholten Male an diesem Tag meine Hand und navigierte mich auf unser Zimmer im zweiten Stock.

„Haben wir ein gemeinsames Zimmer?", fragte ich blöd.

„Du dachtest doch nicht, dass ich dich alleine schlafen lasse?" Er hob seine Augenbrauen und blickte mich fragend an. Doch als ich in unser Zimmer trat, wollte ich in einem anderen Raum schlafen als er. Es gab nur ein einziges Bett, und zwar ein Doppelbett. Unter keinen Umständen würde ich mich mit ihm in ein Bett legen, aber das konnten wir später klären. Später, nachdem ich eine Dusche genießen konnte.

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