Ich schlug mich schon seit Stunden durch die hügelige Graslandschaft, doch ohne großen Erflog. Jeder der mir folgen wollte, würde den Weg den ich entlang trampelte mühelos erkennen. Mittlerweile war es mir allerdings schon ziemlich egal, denn wenn Colin meine erste Spur gefunden hatte, dann würde es für ihn ein Leichtes sein, mich auf diesen Feldern zu entdecken. Immerhin war er ein Wolf mit einer guten Nase. Doch wenn er mich gefunden hatte, musste ich mich auf einiges einstellen. Denn so lieb und zuvorkommend wie er bis jetzt war, würde er wahrscheinlich nicht mehr sein. Einen wütenden Colin wollte ich nicht erleben und ich hatte wirklich Angst, dass er ziemlich brutal mit mir umgehen könnte. Deswegen war mein momentanes Motto: Geradeaus blicken, nach einem Haus Ausschau halten und sich nicht von Colin finden zu lassen.
Mein Magen knurrte, doch ich versuchte es zu ignorieren. Nun war ich in einem kleinen Wald angelangt und noch immer war kein einziges Haus in Sicht. Ich musste also mitten in der irischen Pampa gelandet sein. Nicht einmal Schafe, Kühe oder Pferde sah ich irgendwo auf den Gräsern weiden.
Ich ließ eine weitere Graslandschaft hinter mir, wobei mir da das Gras bis zu den Knien reichte. Hier schienen tatsächlich nicht viele Leute herzukommen. Mein Magen gab komische Geräusche von sich, die ich versuchte zu ignorieren. Die erste Mozzarellasemmel hatte ich schon vor Stunden gegessen und wenn ich nun auch die zweite essen würde, hätte ich für den morgigen Tag nichts mehr. Falls ich nach Tagen noch immer nicht aus der Pampa gefunden hatte, dann würden irgendwelche Menschen, früher oder später, meine ausgehungerte Leiche entdecken. Ich konnte mir das ganze Szenario bildlich vorstellen und schüttelte mich vor Eckel.
„Wirklich sehr klug, mit einem Kleid durch den Wald zu marschieren.", jammerte ich vor mich hin. „Noch dazu durch so ein Dickicht. Da bekomm ich ja mehr Zecken als in den gesamten letzten Tagen zusammen." Selbstgespräche waren wohl nicht das Klügste, doch sie hielten mich fit. Immer wenn ich nervös war oder mir mit meiner Entscheidung nicht sicher war, führte ich Selbstgespräche.
Ein Donner grollte über den Himmel und ich zuckte zusammen. Ein Donner? Ich war im Wald! Meine Gedanken schlugen Purzelbaum und ich fing an zu Laufen. Vielleicht sah ich nach diesem Wald endlich einmal ein Haus. Wäre ich an einer anderen Seite von einem dieser Wälder hinausgegangen, dann hätte ich womöglich eher auf ein Haus getroffen, doch das Glück war heute einfach nicht auf meiner Seite. Ich fragte mich, ob es denn jemals auf meiner Seite sein würde. Als ich den Waldrand erblickte, mit ihm ein weit entfernt stehendes Bauernhaus, zog es plötzlich an meinem Rücken. Jäh blieb ich stehen. Das ist jetzt nicht dein ernst! Den ganzen Nachmittag war ich auf den Beinen, verspürte nicht einen einzigen Schmerz des Schwans, und nun, so nah an meinem Ziel, hielt mich ein Ziehen auf.
„Verdammte Scheiße!", entfuhr es mir wütend und ich schlug auf den nächstbesten Baum ein. Ehe ich mich versah, war ich auf den Knien gelandet, wobei mir meine letzte Semmel aus den Händen rutschte und direkt im Schlamm landete. Erfreulicherweise fing es auch noch zu regnen an, ein kleines Nieseln aus dem langsam immer mehr wurde.
Ich hustete und würgte, bis eine kleine Feder aus meinem Mund flog. Mein Hals kratzte weiterhin, woraufhin ich noch mehr würgen musste. Es fühlte sich an als müsste ich ersticken, als wäre noch etwas in meinem Rachenraum drinnen. Es vergingen bestimmt einige Minuten, bis ich in meinem Mund etwas Weiches und gleichzeitig auch Hartes mit meiner Zunge abtastete. Angeekelt zog ich es aus meinem Mund heraus und schrak zurück, als ich eine richtige Feder erblickte. Eine richtig große Feder war in meinem Inneren herangewachsen, diese Vorstellung jagte mir Angst ein. Eine Angst, wie ich sie schon lange nicht mehr verspürt hatte. Logisch gesehen war das was mir im Moment passierte sehr unnatürlich und nicht real. Doch es fühlte sich mehr als nur real an, denn es fühlte sich schmerzhaft an.
Ich schrie auf, als das Ziehen an meinem Rücken nicht mehr auszuhalten war. Plötzlich fing es mich auch an den Fingern zu jucken an, doch ich wollte das alles nicht mehr spüren. Vielleicht würden diese Schmerzen nie aufhören. Was, wenn sie mir plötzlich in Kansas widerfuhren? Niemand würde es verstehen und es gab auch nicht so viele Wiesen, kleine Waldstücke und Verstecke in Kansas, wie hier in Irland.
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Schwanenblut
FantasySeitdem Selene in Irland angekommen ist, wird sie nicht nur von mysteriösen Träumen geplagt, sondern auch noch entführt! Als wäre das nicht schon schlimm genug, stellt sich auch noch heraus, dass sie ein großes Geheimnis in sich trägt, von welchem s...