Es hatte mich einiges an Überwindung gekostet, mit Freya und Kacper in den Wald zu gehen, doch ich hatte es getan. Falls der Wolf kommen sollte, dann waren wir wenigstens zu dritt und mich kannte er ja. Vielleicht ließ er mich verschont, da er es beim ersten Mal auch getan hatte. Zumindest klammerte ich mich an diesen Gedanken, ansonsten würde ich hier noch verrückt werden.
Wir wanderten bestimmt schon mehr als eine Stunde durch den Wald und niemand von den beiden hatte auch nur ein Wort mit mir gewechselt. Nicht einmal Kacper, der mir anfangs sogar sympathisch vorgekommen war. Doch da musste ich mich geirrt haben, denn er beantwortete nicht einmal meine Fragen. Ich stellte ihnen Fragen, wie: „Wohin gehen wir jetzt? Wollen wir nicht mit dem Auto nach Schottland fahren? Überqueren wir das Meer mit einem Schiff oder wie kommen wir sonst weg von Irland?" Irgendwann hatte ich es aufgegeben ihnen Fragen zu stellen und trottete nun stumm hinter ihnen her. Das ganze war einfach nur lächerlich! Wenn ich plötzlich stehen bleiben würde, würde ihnen das bestimmt nicht auffallen und sie würden stur geradeaus weitergehen. Ich hatte gedacht, sie würden mich brauchen, doch dem Anschein nach war es ihnen ziemlich egal, ob ich nun im Wald verrotten würde oder nicht. Deswegen probierte ich es einfach aus. Ich blieb stehen.
Zu meiner Verwunderung gingen sie einfach weiter und schauten sich nicht ein einziges Mal nach mir um. Als sie aus meinem Sichtfeld verschwanden, wollte ich schon anfangen zu lachen, als ich auf einmal ein Geräusch zu meiner Rechten vernahm. Mein ganzer Körper spannte sich an, und ich rechnete schon mit dem Schlimmsten. Und so geschah es auch.
„Oh Gott. Du schon wieder.", gab ich zitternd von mir, als der schwarze Wolf unvermittelt vor mir stand. Er schaute mich mit seinen großen braunen Augen an und leckte sich dabei mit seiner Zunge übers Maul. Mein Herz klopfte dabei wild.
Es schien so, als hätte er gerade etwas gegessen, denn sein Maul wies blutige Spuren auf. Ich schluckte schwer und versuchte meinen Verstand nicht zu verlieren. Jetzig befand ich mich mitten im Wald, da wo mich niemand hören oder vermissen würde. Nicht einmal fliehen konnte ich, denn der Waldrand war viel zu weit von mir entfernt. Zumindest hatte ich keine Ahnung wo sich der nächste Ausgang aus diesem Wald befand.
„Ich weiß, diese Situation ist ganz schön verkorkst, aber ich würde es wirklich toll finden, wenn du mich heute wieder nicht fressen würdest. Zurzeit bin ich mit zwei anderen Jugendlichen unterwegs, die mich aber verloren haben. Wie wäre es, wenn du sie mal aufsuchst? Natürlich sollst du sie auch nicht fressen, aber du könntest sie ein bisschen erschrecken, dafür dass sie solche Idioten sind. Was hältst du davon?" Der Wolf zeigte mir seine Zähne, doch dieses Mal sah es abermals so aus, als würde er lachen.
„Ja, toll. Du findest es natürlich witzig, dass ich mit einem Wolf spreche. Ich meine, klar, es ist komisch, aber deswegen musst du jetzt ja nicht lachen." Das Raubtier hörte tatsächlich damit auf und legte seinen Kopf schief. „Das ist schräg. Mir scheint es fast so, als könntest du mich verstehen. Was zweifellos ziemlicher Bockmist ist, da du ja ein Tier bist und ich ein Mensch." Ich seufzte und nickte langsam mit meinem Kopf. „Aber falls du mich verstehen kannst, dann wäre es sehr lieb von dir, wenn du wieder verschwindest, sodass ich aus dem Wald fliehen kann. Erstens muss ich weg von dir, da du mir irgendwie Angst einjagst. Und zweitens muss ich weg von diesen beiden Jugendlichen, die anscheinend noch immer nicht mitbekommen haben, dass ich fehle."
Doch der Wolf hatte ganz was anderes vor, als weiterzuziehen. Er setzte sich, wie beim letzten Mal, auf den Waldboden und starrte mich weiterhin mit schiefem Kopf an. Ich hingegen zuckte nur mit den Schultern und wagte einen Schritt nach hinten. Was sich, wie sich herausstellte, um eine dumme Aktion meinerseits handelte. Denn der Wolf sprang in sekundenschnelle auf, um mich nur noch intensiver mit seinem Blick zu durchbohren. Allmählich setzte er sich in Bewegung und fing an mich zu umkreisen. Ich wagte kaum zu atmen, so angespannt war ich. Mein ganzer Körper war wie gelähmt, und ich hatte Angst, dass dieses mächtige Geschöpf, meinen Herzschlag hören konnte.
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Schwanenblut
FantasySeitdem Selene in Irland angekommen ist, wird sie nicht nur von mysteriösen Träumen geplagt, sondern auch noch entführt! Als wäre das nicht schon schlimm genug, stellt sich auch noch heraus, dass sie ein großes Geheimnis in sich trägt, von welchem s...