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~Sag "Ich liebe Dich"
Und sie haßt dich ~

Wie sah man einen Menschen an, der dein größter Feind und gleichzeitig dein engster Verbündeter war?

Ich schätzte, ich hatte gerade: "stehe deinem Freund nahe, aber deinem Feind noch näher" auf eine ganz neue Ebene gesetzt.

Von der Seite sah ich mir meinen frisch Angetrauten Ehemann, seit stolzen zwei Wochen, an, bis er meinen Blick auffing. Und ihn festhielt. Wir sahen uns gefühlte Minuten in die Augen. Undefinierbare Gefühle blubberten in mir hoch. Ich wusste nie woran ich an ihm war. Mal wollte ich ihn von der nächsten Brücke schubsen und dass andere Mal wollte ich ihm am liebsten seine Klamotten vom Leib reißen.

Schluckend wandte ich, wie so oft, den Blick als erste ab und wandte mich stattdessen den Männern und Frauen zu, die mit uns an der langen gedeckten Tafel saßen. Kein Tisch. Eine Tafel. In einem Raum voller antiken Bilder und echter Ritterrüstungen. Nach unserer Blitzhochzeit und der anschließenden Verkündung an seine Leute, die Weltherrschaft an sich zu reißen, waren wir mit einer schwarzen Limousine aus seinem Schloss in den wilden Bergen der Rocky Mountains  abgereist. Wer rechnete schon mit einem alten Schloss inmitten der Rocky Mountains, Amerika!? Ich jedenfalls nicht.

Jetzt jedenfalls befanden wir uns auf seinem Anwesen in Nordengland. Nicht das seiner Familie, sondern seines. Und irgendwo jetzt auch meines. Obwohl ich natürlich wusste, dass diese "Ehe" nichts weiter als Schein war, war sie doch staatlich anerkannt und sprach mir gewisse Dinge zu, von denen ich noch nicht mal zu träumen gewagt hatte. Wer brauchte schon ein paar Gläserner Schuhe, wenn er gleich ein ganzes Zimmer voll Schuhe bekam. Und zwar nur für Schuhe. Seltsam war nur, dass mir all diese Dinge auf einmal ... schrecklich unwichtig vorkamen.

Vor allem wenn man sich in einem Raum mit den wichtigsten Männern und Frauen dieser Welt befand, die alle ehrfürchtig und ängstlich meinen... Ethan ansahen, als hätte er jetzt das Sagen. "Bei allem Respekt, Ethan! Ich denke deine Frau hat an diesem Tisch nichts zu suchen." Der Mann der sich gerade aufplusterte wie ein verärgerter Gockel war der verdammte Präsident der Vereinigten Staaten. Nett, wenn man einfach über einen hinweg redete, als wäre man überhaupt nicht anwesend.

Der Mann mit einem dichten schwarzen Bart und in der Kleidung eines Saudi-Arabischen Prinzen (was wahrscheinlich der Tatsache geschuldet war, dass er tatsächlich ein verdammter Saudi-Arabischer Prinz war) nickte zustimmend. "Frauen haben in Männerangelegenheiten nichts zu suchen." Die Koreanische Präsidentin und die Französische  Premierministerin warfen ihm beide tödliche Blicke zu.

"Wir sind hier nicht in Arabien", sagte die Premierministerin in gebrochenem Englisch. Ihr Akzent war unüberhörbar. "Hier gibt es etwas, dass nennt sich Gleichberechtigung."

"Und das aus dem Munde der Frau, die ihre Staatsgelder in einem Casino in Las Vegas verloren hat!", polterte der Amerikanische Präsident. 

"Was hast hat denn mit Gleichberechtigung zu tun", schnappte die Premierministerin  zurück. Wie in einem Tennismatch ging der verbale Schlagabtausch weiter. Bis es Ethan reichte.

Seine Faust donnerte auf den Tisch. So fest, dass die ganze Tafel kurz zitterte und zwei Weingläser umgekippten.  Sofort war es Totenstill im Raum. Man hätte eine Nadel zu Boden fallen hören können. Die anhaltende Stille lag aber weniger an Ethans Ausbruch, als viel mehr an seinem Blick. Seine funkelnden Smaragdaugen kündeten von Gewallt und Zorn und waren ziemlich beängstigend. 

"Ich habe euch nicht hierher geholt um mir dieses Theater mit anzusehen. Ihr steckt alle bis zum Hals in der Scheiße und zurzeit ist die einzige Person mit Geld und Macht an diesem Tisch Ich." Er sah jeden einzelnen von ihnen in die Augen. "Und dass macht es auch automatisch zum Geld meiner Frau." Ich konnte nicht anders und zuckte bei dem Wort leicht zusammen. Die einzige Reaktion von ihm war, dass er nach meiner Hand griff und sie fest drückte. Mit Schmerz kam ich klar. Ich verzog keine Miene und drückte zurück.

Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie er zufrieden lächelte und sich scheinbar entspannt zurück lehnte. Nur das Ethan bei Geschäften niemals entspannt war. So viel war mir in den letzten Tagen klar geworden, als unendlich viele Bittsteller zu ihm gekommen waren und ihn angefleht hatten, ihnen ihre Aktien, Wertschätze und ihr Geld zurückzugeben. Ich hatte immer noch keine genaue Vorstellung davon, was Ethan genau getan hatte. Aber wann immer er sich mit einem kleinen Lächeln zurückgelehnt hatte und er seinen Gegenüber somit in Sicherheit wog, holte er zum Todesstoß aus. Manchmal metaphorisch und manchmal wortwörtlich. Der Chef der British Bank verfolgte mich noch immer in meinem Träumen. Kopfschuss. Ethan hatte nicht abgedrückt, aber zweifelsohne hatte er den Befehl dazu erteilt.

Ich hatte nie heiraten wollen. Meine Eltern waren mir da kein gutes Beispiel gewesen. Aber wenn hätte ich mich gerne in einen einfachen Mann verliebt, der ein bisschen langweilig und Nett war. Meine Freundinnen aus der High School hatten mich dann immer ausgelacht. Sie meinten "nett" würde einfach nicht in eine Ideale Ehe passen. Aber...was war schon eine Ideale Ehe? Zu 100% war sie keine Zwangsheirat mit einem Verrückten, der einen erpresste. Selbst wenn besagter verrückter geradezu teuflisch gutaussehend war und du dich wie die Gravitation zu ihm hingezogen fühltest. Schlechter Vergleich, Aber darauf kommt es ja schließlich auch nicht an. Sondern darauf, dass, wenn ich die Augen schloss, ich ihn neben mir liegen sah. In meinem neuen lächerlich großem Zimmer mit dem lächerlich überdimensionalen Bett.

Jemand räusperte sich laut und ich wachte aus meiner Trance auf. Nur um festzustellen, dass alle Aufmerksamkeit nun auf mir lag.

Ihre Blicke waren finster. Besonders der Arabische Prinz warf mir geradezu Hasserfüllte Blicke zu.

Hilfe suchend beugte ich mich zu Ethan und flüsterte leise: "Was hast du ihnen gesagt?" Es sollte nicht vorwurfsvoll klingen, aber wie immer sprach ich schneller als ich dachte.

Ethan schenkte mir ein kleines Lächeln welches bei mir ganze Schauer auslöste. Wie konnte jemand so beängstigend und gleichzeitig so anziehend sein!? 

Seine Hand schnellte vor, packte meinen Nacken und zog meinen Mund an seinen. Ich keuchte. Das war der erste wirkliche körperliche Kontakt seit zwei Wochen. Wir hatten noch nicht mal eine Hochzeitsnacht gehabt. Nicht, dass mich dass stören würde.

Ethan zog sich zurück und lächelte mich immer noch so unheimlich an. "Also dann Dubai", sagte er auf einmal. Es sah mir immer noch tief in die Augen, in denen ich bald drohte zu ertrinken wohl gemerkt.

"Dubai?" Ha! Obwohl ich innerlich ein komplett zerstörter, nutzloser Haufen an Hormonen und Rache Gefühlen war, klang ich äußerlich kühl und ruhig. Ich versuchte mich sogar an einem kleinen Lächeln, dass sofort in sich zusammen fiel, als Ethan mir breiter Lächelnd erklärte: "Dein Hochzeitsgeschenk."

Schachmatt #2 ~der letzte Zug des Königs~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt