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Die Autofahrt war ein einziger Drahtseilakt gewesen. Die Spannung zum schneiden Dick und trotz voll aufgedrehter Heizung war es im Inneren Eiskalt gewesen. Als hätte die Eiskönigin höhst persönlich neben mir gesessen.

Ich hatte angestrengt aus dem Fenster gestarrt, Ethans bohrenden Blick strickt ignoriert, selbst als ich fürchtete, mein letztes Stündlein hätte zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde geschlagen, weil dieser Idiot mehr auf die mich, als auf die Straße geachtet hatte.

(Ich konnte nicht leugnen, dass ich ein wenig geschmeichelt war).

Den Anblick seines Wagens, der wundersamerweise heil geblieben war, hatte er nur stumm zur Kenntnis genommen, es sich aber nicht nehmen lassen, selbst zu fahren.

Ich fragte mich was aus dem Mädchen geworden war und hoffte vom ganzen Herzen, dass sie überlebt hatte. "Worüber denkst du nach?" Wir waren schon vor einer ganzen Weile in das unterirdische Parkhaus gefahren, dass zum Hotel gehörte, aber bisher hatte keiner von uns aussteigen, geschweige denn etwas sagen wollen.

"Es wundert mich, dass du weißt wie man ein Auto in einer Garage parkt." Auch in England hatte jedes Mal ein Butler bereit gestanden, um das für ihn zu übernehmen.

Ich erwartete eisiges schweigen, wurde aber mit einem leisen, tiefen Lachen belohnt, welches mir Schauer über den Rücken jagte. "Wie ich sehe, wurden wir heute beide überrascht." Er drehte sich zu mir. Seine grünen Augen leuchteten und erinnerten mich mehr denn je an ein Raubtier.

"Die Welt dreht sich und dreht sich und trotzdem wurde ich seit Jahren nicht einmal mehr überrascht." Den Kopf schief legend musterte er mich. "Wie schade wäre es, wenn ich dich jetzt fressen würde, nicht?"

Seine Worte klangen in meinen Ohren nach. Zogen sich wie dickflüssiger Honig durch mich hindurch. Ethan... Ethan war wahnsinnig. Nicht auf eine verrückte, sabbernde Art, sonder auf eine gefährliche, tödliche und alles um sich herum kosumierende Weise.
(Ein Serienmörder).

Die Welt würde gut daran tun, ihn einzusperren.

"Ein Penny für deinen Gedanken."
Meine Augen tastete über sein Gesicht, suchten bei diesen Worten etwas, was mir sagen würde, wie er zu mir stand. Nichts. Seine Maske war wieder da. Seine Emotionen, so wenig sie auch sein mochten, erneut hinter doppelt verstärkten Türen aus Titan verschlossen.

...........
................
Zur Hölle damit. Ich hatte es satt.
"Ich habe gerade gedacht, dass man dich besser in irgendein tiefes Loch schmeißen und dort für immer vergessen sollte."
Stille.

Ich lächelte. Ethans Türen waren endgültig verriegelt und er zog sich zurück. Scheint, als hätte sein kurzer Ausbruch an was auch immer aufgehört. Er lehnte sich zurück, fuhr sich durchs Haar. Auf seinen Lippen ein kaltes Lächeln. Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, als ich ihm zuvor kam.

Meine Lippen pressten sich auf seine. Meine Zunge drang leicht in seinen Mund und strich einmal, zweimal über seine. Einer kurzen Eingebung folgend kletterte ich über das Amaturenbrett und setze mich mit angewinkelten Beinen auf seinen Schoß.

Ethan fing sich schnell wieder. Wollte den Kuss vertiefen, aber ich zog meine Lippen aus seiner Reichweite. Der Abstand tat meinem Körper geradezu Physisch weh.
Aber ich hatte beschlossen, ehrlich zu sein. Wenigstens für diesen einen Moment. "Die Welt würde dich vergessen Ethan Lockheart", meine Stimme war leise, fast heißer und fast wünschte ich mir, er würde meine nächsten Worte einfach überhören, "Nur würde ich dich nie vergessen können."

Erneut schlug mir nichts als Stille entgegen. Ethan war unter mir ganz Ruhig geworden. Als wäre nur noch sein Körper anwesend.

Ich stieg aus, kletterte von seinem Schoß und schloss die Tür hinter mir. Wieder eine Barriere. Eine, über die ich mehr als erleichtert war.

Barfuß lief ich zu den Fahrstühlen. Die Türen öffneten sich beinahe sofort, lockten mich mit warm schimmernden Licht. Ich drückte den Knopf für das oberste Stockwerk und sah mich während der kurzen Fahrt nach oben im Spieglnden Innenraum an. Ich bereute es augenblicklich.

Oben angekommen riss ich mir als erstes das Kleid von mir. Der feine Stoff gab ein hässliches Geräusch von sich, als ich zu brutal an ihm zog. Egal, ich würde es so oder so nie mehr anziehen. Der Stoff war Blutbefleckt und ich hatte beim besten Willen keine Ahnung, ob Blut sich auswaschen ließ.

Als nächstes kam meine Unterwäsche. Dann löste ich mein Haar, bis es mir wie gewohnt über die Schulter fiel.

Ich nahm eine schnelle, heiße Dusche. Wusch mir den Dreck ab und schrubbte mir den Schweiß weg. Die gleiche Prozedur gab ich meinen Haaren.

Sauber und trocken verließ ich das luxuriöse Bad und ging in mein Zimmer.
Und erstarrte. "Ethan?"
Er stand am Fenster. Die Hände in den Hosentaschen vergraben. Als ich den Raum betrat drehte er sich um, musterte mich kurz und zog sich dann aus.

Mein Unterleib zog sich zusammen. Mein Körper reagierte wie jedes Mal beinahe schmerzhaft auf ihn. Aber statt zu mir zukommen, schlug er die Decke zurück und legte sich ins Bett. Das Gesicht wieder zum Fenster gewandt. Ich sah mich um. War das ein Trick? Sollte ich jetzt in das andere Zimmer gehen?

Nein, wenn jemand gehen würde, dann er. Er war schließlich derjenige gewesen, der hergekommen war. Trotzig ging ich zum Bett, legte mich von ihm abgewandt hin zog die Decke bis über mein Kinn. Immer noch in den verboten weichen Bademantel gekuschelt. Darunter war ich nackt. Und er lag nicht mal einen Meter weg von mir. Nackt, obwohl ich meinen Blick fest auf sein Gesicht geheftet hatte, als er sich ausgezogen hatte.

Ich schloss die Augen, presste die Lieder zusammen. Hielt die verzehrende Erregung auf Abstand.

Ich zählte Schäfchen. Stellte mir vor, wie sie über einen Zaun sprangen. Es half. Zumindest ein bisschen. Einzelne Lichtstrahlen fielen bereits durch das Fenster, als meine Augen sich endlich schlossen.

"Ich möchte die Welt brennen sehen...aber dich.... würde ich verschonen." Ich lächelte leicht. Nicht sicher, ob ich schon träumte. Das letzte was ich wahrnahm, war eine Federleichte Berührung, ein sanfter schubser, wohlige Wärme.
Dann forderte der Tag und die Nahtoderfahrung endlich ihren Tribut.




Schachmatt #2 ~der letzte Zug des Königs~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt