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Der Kuss ließ mich atemlos und durcheinander zurück.
Denn er endete genauso schnell, wie er angefangen hat.

Als hätte uns ein ein Blitz getroffen stoben wir auseinander. 
Die Elektrizität immer noch greifbar zwischen uns. Mein Körper war auf auf hochspannung und alles, wirklich alles in mir, schrie mich an, zu ihm zu gehen, seine Haut auf meiner zu spüren und seine Lippen auf meine zu pressen.

Es waren gerade mal zwei Tage, seit unserem letzten Fick vergangen und trotzdem fühlte ich mich so ausgetrocknet wie nach einer Wanderung durch die Sahara.

Und doch war es falsch. So falsch. Niemand, absolut niemand sollte das Recht haben, über Leben und Tod eines Menschen zu entscheiden.

Auch wenn mich der Tod der Terroristen und des Mannes gerade zu abartig befriedigte. Und da wurde mir auf einmal klar, dass ich nicht Angst vor Ethan hatte, oder vor der Situation. Ich hatte Angst vor mir selbst. Vor meinen Gefühlen, meinen neuerdings düsteren und, ja, ziemlich blutigen Gedanken.

Es gab so viele böse, ungerechte Menschen auf dieser Welt, meinen Vater und seine pädophilen Freunde mit eingeschlossen, dass ein zwei weniger doch nicht schaden könnten. Oder?

"Mia?" Ethans Stimme riss mich wie ein leuchtender Blitz ins Hier und Jetzt zurück. Er war ruhig, beinahe gelassen, und schien nur auf mich fixiert zu sein, was absurd war, da er gerade jemanden umgebracht hat. Ich schüttelte den Kopf. "Mia?" Jetzt machten Ethan einen erneuten Schritt auf mich zu.

Wie zwei Magnete zog mein Körper an mir, wollte zu ihm, aber ich... konnte nicht. Nicht jetzt. "Nein", flüsterte ich erstickt, machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Esssaal.

Es war dumm, aber ich wusste nicht sonst wohin, also rannte ich die Treppen hinauf ins Penthouse. Der Notausgang ließ sich ebenfalls mit der Schlüsselkarte öffnen und der Aufzug war mir in dem Moment wie eine stickige, erdrückende Kammer vorgekommen. 

Ich hatte Ethan noch ein letztes Mal meinen Namen rufen hören, bevor alles um mich herum verstummt war. Ich schaltete ab, flüchtete in dieses riesige, luxuriöse Zimmer und fuhr einfach alles runter. Scham, Trauer, Verzweiflung, bis nur noch die Wut auf mich selbst blieb.

Ich hatte angenommen, ich wäre auf dem Weg des Besserung, hätte mich aus meinem Kokon befreit, aber statt eines Schmetterlings, hatte ich mich in einen Nachtliebenden Falter verwandelt.
Dabei hatte ich seit meiner Kindheit panische Angst vor ihnen.

Ich hatte jemanden umgebracht. Aus Selbstschutz, wie ich geglaubt hatte. In Wirklichkeit jedoch, war Ich so... so wütend gewesen. Ständig wie eine Schachfigur auf dem Spielfeld hin und her geschoben zu werden. Ich hatte jemanden das Leben genommen und mich damit abgefunden. Dann hatte ich noch jemanden das Leben genommen und mich erneut damit abgefunden. Als wäre diese Entscheidung alltäglich.

Ethan hatte Leuten das Leben genommen und ich hatte mich damit abgefunden. Mom war immer gegen Gewalt gewesen. Hatte sie verabscheut, da sie Menschen auseinander riss. Ich war ihr bis dato immer gefolgt, aber konnte ich das heute auch noch?

Mein Blick fiel auf die zerwühlten Laken.
Dort, wo Ethan heute morgen noch geschlafen hat. Er hatte so friedlich ausgesehen, als wäre er mit der Welt im reinen, obwohl besagte Welt gerade um uns herum zu Bruch ging.

Ich stieg aufs Bett und drückte mein Gesicht in Ethans Kissen. Sein Geruch hing noch in dem Stoff und wie ein Junkie zog ich ihn ein.

Ich war nicht dumm, ich weiß, dass Ethan für die vielen plötzlichen Arbeitslosen, für das Leid vieler Familien und dem Zusammenbruch vieler Regierungen verantwortlich war. Ich hatte heimlich die Nachrichten mitverfolgt und hatte darüber gestaunt, wie ein großer Crash auf die größte Börse der Welt, ein ganzes Kartenhaus hatte zusammenfallen lassen.

Ethan sammelte wohl seit Jahren schon Aktien der größeren und wichtigen Firmen, die ihre Regierungen und vor allem die Banken am Laufen hielten. Ich habe mir versucht vorzustellen, was er nun denn genau gemacht hatte, bin aber nur in seinem Spinnennetz aus Intrigen hängen geblieben.

Er war mit akribischer Skrupellosigkeit vorgegangen und eines stand fest, er hatte nicht vor, aufzuhören.

"Was machst du nur mit mir", flüsterte ich in Ethans Kissen und vergrub mich in seinem Geruch.

Mein Mann war der Leibhaftige Teufel und ich hatte nichts besseres zu tun, als mich in ihn zu verlieben.

Vielleicht...vielleicht wenn ich meine Schulden bei Hades beglichen habe, wenn ich aus dieser unmöglichen Situation entkommen könnte. Ich sah auf den weißen Ring. Aber wollte ich all das denn?
Ich wollte Ethan, aber wollte ich das drum herum auch haben? Und noch viel wichtiger, ich würde nie damit leben Können, nur ein Werkzeug in seinen Augen zu sein.

Ein Werkzeug. Ob diese Jayden auch ein Werkzeug war. Oder war sie vielleicht mehr? Dieser Gedanke machte mich so unfassbar krank, dass ich aufsprang. Ich ging aus dem Zimmer, durchquerte den Salon und blieb eine milisekunde der Unischerheit vor Ethans Zimmer stehen, bevor ich die Tür einfach aufstieß. Das Zimmer ähnelte meinem, breites Bett, einen fantastische Aussicht und ein großer Schrank. Wahllosen Kissen auf dem Boden gaben dem ganzen einen 1001 Nacht Flair.

Insgesamt sah das Zimmer unberührt aus, nur das Bett war unordentlich und ungemacht. Die Kissen sahen Aus, als hätte jemand auf sie eingeprügelt. Als hätte jemand in diesem Bett Sex gehabt. Mir wurde schlecht und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen.

Das Spiel ließe sich auch zu zweit spielen, flüsterte eine böse Stimme in mir und insgeheim gab ich ihr Recht. Ich würde ihn dafür kastrieren.

Schnaubend ging ich zum Kissen, welches den größten Abstand zum Bett hatte, und rollte mich darauf zusammen. Es war hellichter Tag und die Sonne schien mir vom Panoramafenster her direkt ins Geischt, was mich jedoch seltsam wenig kümmerte.

Wenn das alles vorbei war, würde ich einfach verschwinden Können? Mein normales Leben wieder aufnehmen Können? Ich bezweifelte es. Dafür hatte sich Ethan Lockheart bereits viel zu sehr in mein Herz gebohrt. Wie die Kugel einer Glock, seiner bevorzugten Waffe. 

Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn ein lautes Geräusch von zersplitternden Glas weckte mich. Es war dunkel geworden und meine Lieder fühlten sich schwer an.

Kaum zu glauben, ich hatte den ganzen Tag verschlafen. Noch dazu auf dem Boden, in Ethans Zimmer.

Am liebsten würde ich einfach hier liegen bleiben, von Dunkelheit und Ruhe umgeben, mit einem Hauch von Angst, was mir sonst nur Ethans Präsenz schenken konnte. 

Aber der Krach außerhalb hörte nicht auf. Wenn möglich, wurde er sogar noch schlimmer. Erneut ging etwas zu Bruch und ich hatte das ungute Gefühl, das es der Antike Tisch sein würde, der unfassbar kostbar ausgesehen hatte.

Ein Einbrecher?
Kurz flackert Furcht in mir auf, aber dann höre ich Ethan brüllen: "RAUS!" Und meine Muskeln entspannen sich wieder. Wahrscheinlich sein Geschäft mit diesem möchtegern Mafiosi, das ich unterwandert hatte.

Sollte ich raus gehen? Andererseits würde er so oder in diesem Raum kommen. Wieder krachte es und ich wollte gar nicht wissen, was für eine Kostbarkeit jetzt zu Bruch gegangen war.

Ich rieb mir den Schlaf aus dem Augen und öffnete die Tür, fest entschlossen, ihn davon abzuhalten noch mehr Schaden anzurichten.

Als sich mein Mann jedoch zu mir umdrehte, war jede Vernunft aus seinem Gesicht gewichen. Vor mir stand ein wildes Tier, welches nichts mehr mit Ethan Lockheart, meinem Ehemann gemein hatte.

Schachmatt #2 ~der letzte Zug des Königs~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt