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Ethan küsste mich, als würde er es zum ersten Mal tun. Nicht wie bei unserem wirklichen ersten Mal, als er unkontrolliert und ungezähmt gewesen war. Sich einfach genommen hatte, was ich zu geben hatte.

Nein, dieses mal war es anders. Dieses mal fragte er mich, neckte mich, drängte mich jedoch zu nichts, wozu ich nicht bereit war.

Ich war im Leben noch nicht oft geküsst worden, Ethans Küsse jedoch, waren für mich schon längst zur Sucht geworden.

Ich hätte wahrscheinlich ewig an genau diesem Fleck stehen bleiben können, aber Zeit war nun mal ein Gut, welches niemand besitzen konnte, und sei er noch so mächtig.

"Wir müssen zurück", hauchte Ethan gegen meine Lippen. Uns trennte kaum ein Millimeter.
"Meine... Unsere Untertanen warten bereits auf mich. Eine Lieferung in Kuba ist schief gegangen."

Aus der Traum. Mit nur wenigen Worten holte Ethan mich ins Hier und Jetzt zurück. "Angestellte, Partner, nicht Untergebene."
Ich sah ihm bei diesen Worten direkt in die Augen, damit er auch ja verstand, wie ernst es mir war. Ich war mir Leib und Seele Demokratin und würde es auch immer bleiben.

Aber nicht mal mein selbsternannter Todesblick ließ ihm erweichen. Stattdessen lehnte er sich nur geschmeidig zurück und sah mich an. "Das Diadem sieht wunderschön an dir aus."

Mit einem Schnauben riss ich es mir vom Kopf. Am liebsten hätte ich es auf den Boden geschmettert, aber dafür sah es viel zu... schön aus. Verdammt sei sein guter Geschmack.

Also begnügte ich mich damit, es mit der einen Seite in seine Jackettasche zu hängen. Sollte er doch sehen, was er mit diesem Blöden Ding anstellte.

Als ich ihm jedoch ins Gesicht sah, verpuffte meine Wut und stattdessen blieb nur die Resignation. "Auch ohne Diadem siehst du aus wie eine Herrscherin."

"Wieso hasst du diese Welt so sehr?"
Ethan lächelte angesichts meiner Frage.
"Was bist du nur immer so Pessimistisch."
"Und das von jemanden, der das komplette System revidieren will." Meine Augenbrauen schossen hoch und ich konnte gar nicht anders, als ihn ungläubig anstarren. Ethan seufzte.

"Wer hat denn was von revidieren gesagt, ich möchte die Welt nur zu ihrem alten Glanz zurück verhelfen." Er zog mich an der Hand Richtung Wagen. "Diese Welt wird untergehen, so wie sie jetzt ist."

Wieso hatte ich nur das unangenehme Gefühl, dass das nicht alles war, was ihn Antrieb. Ethan war kein guter Mensch. Alles was er tat, besaß irgendeinen genialen Hintergedanken. Zu gerne hätte ich ihn dazu gefragt, aber wie alles in meinem derzeitigen Leben, endete alles schöne mit einem Knall.

"Ethan-", weiter kam ich nicht, denn in diesem Moment schoss ein glühend heißer Schmerz durch meine Brust und ich wurde von einem harten Aufprall getroffen und zurückgeworfen.

Die Welt kippte wie in Zeitlupe. Alles verschwamm, bis nur noch der Schmerz präsent war.

Sie fiel und er mit ihr. 

Eine Sekunde.

Er hatte das verräterische Glitzern des Zielfernrohrs eine Sekunde zu spät entdeckt. Da hatte der Scharfschütze bereits abgedrückt. Jahrelange Erfahrung war das Einzige, dass wirklich einzige, was dafür sorgte, dass die zweite Kugel ihn nur leicht streifte und nicht wie geplant in sein Herz eindrang. Am Boden robbte er sofort zu Mia. Blut breitete sich unter ihr aus, ihr Gesicht war schrecklich bleich und ihre Augen, ihre wunderschönen dunklen Augen, haben auf einen Schlag ihren Glanz verloren. 

Zum ersten Mal wurde ihm schlecht, beim Anblick der roten, über lebenswichtigen Flüssigkeit, welche gerade aus Strömen aus Mias Brust austrat. Sie... sie würde bei diesen austretenden Massen keine halbe Stunde mehr haben. Ein aufsteigendes Gefühl fing an direkt unter seiner Oberfläche zu brodeln. Ein Gefühl, welches er sofort unterdrückte. Er war ein Killer. Ein verdammter Lockheart. Und das würde sich auch jetzt nicht ändern. Er griff nach Mias Arm und zog sie, so vorsichtig wie möglich, hinter den Wagen. 

Schachmatt #2 ~der letzte Zug des Königs~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt