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Höflich lächelnd sah ich in die Runde aus ernsten Gesichtern. Lucio hatte sein dauergrinsen vor gut zwei Runden abgelegt, als er haushoch gegen mich verloren hatte.

Die Uhr seines Nonno und der Schlüssel zu seinen Ferrari befanden sich auf dem stetig wachsenden Berg aus Chips.

Ethan und Jayden waren ausgestiegen. Dafür hatte ich Jayden die letzte Runde rausgekickt. Ihre Zähne mahlten immer noch, angesichts meines einfachen Bluffs.

"Nur noch du und ich", schnurrte ich über dem Tisch Ethan zu und konnte mir einen Triumphschrei nur schwer unterdrücken. Es lief alles genau nach Plan. Niemand von ihnen, vor allem Ethan, hatte wohl erwartet, dass ich wirklich etwas von Poker verstand.

Was sie nicht wussten: Mom war eine Meisterin in diesem Spiel gewesen. Und ich ihre beste Schülerin. Von Bluffen bis zum Schummeln wusste ich alles. Ihre Faszination für dieses Spiel war auf mich übergegangen und so hatte ich selbst nach ihrem Tod weiter gespielt. Für viele hatte das Spiel mit Glück zu tun. Für mich zählte das Können.

Beim Eintreten war mir glatt die Spucke weggeblieben. Ich hatte mit allem gerechnet. Ein Bordell, eine Orgie, vielleicht ein Supergeheimes Treffen der Superschurken. Auch ein Casino war mir in den Sinn gekommen. Wo es Glücksspiele gab, waren die Gangster meistens nicht weit. Das hatte ich in Vegas Casinos auf die harte Tour gelernt.

Trotzdem hatte ich mein Glück gleich schon am ersten Tag meiner neugewonnenen Freiheit überstrapazieren wollen. Ich sah Hammer aus und hatte Ethan ausfindig gemacht, mehr hatte ich ja wohl kaum erwarten können. Das ich meinen Mann aber an einem Ponertisch wiederfinden würde, war Gold wert gewesen.

Entgegen aller Filme, die ich in meinem Einsiedlerleben gesehen hatte, befand sich der Tisch nicht in einem Nebenzimmer, der doppelt und dreifach bewacht wurde. Er stand, wie zehn andere identische Tische auch, in dem Kreisrunden Raum, in dem sich zwei Dutzend Menschen tummelten.

Nicht besonders viel, für ein Casino, aber bei den Einsätzen, für die hier gespielt wurden, würde es wohl kaum pleite gehen.
"Deine Frau ist der Teufel, mio amico."
"Sie sollte überhaupt nicht hier sein", schnurrte Jayden. Ich ignorierte beide, sah Ethan tief in die Augen und schon meinen ganzen Besitzt in die Mitte des Tisches.

"All in", sagte Geber, der die ganze Zeit schon wie angewurzelt und Kerzengerade auf seinem Platz saß.
Seine Miene war eine leere Maske.

"Was hast du zu bieten?", fragte ich Ethan und deutete dabei auf seinen deutlich kleineren Haufen.

"Was willst du?"

"Was könnte ich wohl haben wollen." Gespielt nachdenklich tippte ich mir mit dem Zeigefinger gegen die Lippen. Ethan holte tief Luft, schloss für einen Moment die Augen und verkündete dann so laut, dass seine Stimme durch den ganzen Saal hallte: "Raus."

Stille. "Ethan! Du hast diesen Ort selbst als neutrale Zone bestimmt", zischte Jayden ihm zu. Dabei beugte sie sich dichter als nötig zu ihm. Mit einer Hand schob er sie weg und warf ihr dabei einen warnenden Blick zu. "Raus." Er sagte es diesmal leiser, war jedoch immer noch deutlich zu verstehen.

Es dauerte ganze fünf Sekunden, bevor das Schaben von Stühlen zu hören war und die Leute den Rückzug antraten. Ein kleiner Teil von mir machte sich Sorgen, welche neuen Feinde Ethan wohl mit dieser Aktion hinzugewonnen hatte. Da es aber nicht an mir lag, sich Sorgen zu machen, versuchte ich den Gedanken zu verscheuchen.

"Auch du Lucio, ansonsten ist unser Deal geplatzt!" Der Mafiose stieß einen Fluch aus, sprang aber auf und stürmte sichtlich verstimmt zum Ausgang. Jayden blieb an Ort und Stelle. Ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen gepresst. Ethan schenkte ihr den Bruchteil einer Sekunde seine Aufmerksamkeit. "Du bist genauso leicht zu ersetzten, wie das restliche Pakt." Sie wurde bleich. Mit angespannter Miene folgte sie Lucio.

Als die schweren Türen sich hinter ihr schlossen, hallte der Knall geradezu überdeutlich in dem nun mehr verlassen Saal wieder.

"War es dir peinlich, einen Ehestreit vor Zeugen zu führen?", durchbrach ich zuerst das schweigen und musterte meinen Gatten neugierig. Er kam mir nicht sonderlich prüde vor.

"Die anderen sind mir scheißegal", sagte Ethan mit dieser Raubtierhaften Ruhe, die mich mehr ängstigte, als wenn er knurrte oder mich in Grund und Boden zu starren versuchte. "Ich ziehe es allerdings vor, meine Geschäfte nicht in aller Öffentlichkeit zu besprechen."

Er sah mich mit seinen kalten, wunderschönen grünen Augen durchdringend an und forderte mich stumm auf, ihm mitzuteilen, weshalb ich wirklich hier war. "Wollen wir nicht erst unsere Runde zu ende spielen." Ich erwiderte seinen, für mich, Bittersüßen Blick.

"Ich weiß, wann ich verloren habe. Gegen deine Kreuz fünf, Karo sechs und Pik sieben bis neun habe ich keine Chance."

"Du hast mitgezählt", tadelte ich ihn und musste bei dem Gedanken Lächeln. Unterdrückte es aber schnell wieder, als mir bewusst wurde, was ich da tat.      

"Und du weichst mir aus", bemerkte Ethan und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Ich überlegte. Das Spiel war aus und Ethan noch länger warten zu lassen wäre gefährlich.

Ich legte mein Blatt offer vor mir auf den Tisch. "Ich will nicht warten. Bring mir Hades sofort." Mein Augen bohrten sich in seine und obwohl sein immer düster werdender Blick mir eine Gänsehaut bescherte, und zwar definitiv nicht die von der guten Sorte, wich ich ihm nicht aus.

"Ich habe die gesagt, ich würde ihn dir am Ende der Woche wiedergeben." Seine Stimme hatte inzwischen den Nullpunkt erreicht. So sprach er nur, wenn er kurz darauf Gewalt anwendete. "Und ich zweifele daran, dass er diese Woche überleben wird. Er war verletzt und ich denke nicht, dass du dir die Mühe gemacht hast, einen Arzt nach ihm sehen zu lassen." Außerdem sprachen wir hier von Ethan Lockheart, dem wohl skrupellosesten Menschen der Welt.

Ein irrer, der die Weltherrschaft anstrebte. Und der mich mehr anzog, als ich jemals zugeben wollte. Ethan antwortete nicht, was mir Antwort genug war. "Ich erwarte, dass du ihn mir Morgen früh vor meine Tür stellst, mit einem Arzt! Denn glaube mir Ethan, ich kann noch viel mehr tun, als unangekündigt in deine privaten Pokerrunden zu platzten."

Insgeheim fragte ich mich, ob ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnte und was besagten Dinge waren, die ich zu tun gedachte, wenn er nicht nachgab. Aber Hades stand gewiss schon mit einem Bein im jenseits und er sollte besser sofort aus den Klauen dieses Teufels kommen.

Ich stand auf umrundete den Tisch und blieb neben Ethan stehen. Wie immer kribbelte mein Körper in seiner Nähe und einem plötzlich Impuls folgend beugte ich mich zu ihm herunter und drückte einen Kurzen Kuss auf seine Lippen. Es war als eine Art Warnung gedacht. Beim hinaus gehen fragte ich mich aber, ob das wirklich der eigentliche Grund war und weshalb meine Lippen so sanft über seine gestrichen hatten.

Schachmatt #2 ~der letzte Zug des Königs~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt