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In seinen düstersten und schwächsten Momenten, erinnerte er sich an einen bestimmten Abend.

Lichter tanzen über den großen Teich im Garten und das Fehlen jeglicher animalischer Geräusche trug zu einem gewissen Scheinfrieden in ihm bei.

Aber in diesem Anwesen existierte so etwas wie Frieden nicht. Genauso wenig wie Wärme oder Zuneigung.

Seine Augen verfolgten, wie die Lichter sich auf der glatten Oberfläche bewegten, bis sie schließlich in den tieferen Schatten weiter hinten verschwanden.

Sie wirkten so rein, dachte er und hob seinen reichten Arm. Seine Hand umklammerte einen silbern glänzenden Revolver. Diese Waffe war auch einst Rein gewesen. Er hatte sich in dessen Oberfläche betrachten können. Jetzt verunstalteten hässliche dunkle Flecken das Gehäuse.

Es hatte ihn angewidert, sie hatten ihn angewidert. Also hatte er geschossen. Niedere Kreaturen haben es nicht verdient, den Namen seiner Familie zu tragen.

Er machte einen Schritt nach vorne und ließ die Waffe fallen. Mit einem Platsch durchbrach sie die Oberfläche des Wassers. In dem Moment knackte es hinter ihm.
Er drehte sich nicht um, sondern starrte weiter auf das Wasser.

Er war der Erbe. Der einzige. Niemand würde es wagen, ihm hier etwas anzutun. Er war unsterblich. Eine kleine Gestellt tauchte neben seinem Spiegelbild im Wasser auf. Dunkle Haare, dunkle Augen und eine Créme farbende Haut.

Das Mädchen am Klavier. Sie trug wieder ein weißes Kleid, fiel ihm auf.
Vielleicht mochte sie die Farbe Weiß ja. Weiß war seine Lieblingsfarbe.

Sie hatten noch nie ein Wort miteinander gesprochen. Am Tag zuvor hatte er ihr schlussendlich den Rücken zugekehrt. Sein Plan hatte Vorrang gehabt. Danach war sie nicht mehr da gewesen und als er einen der Diener gefragt hatte, hatte er nichts als Verständnislosigkeit bekommen.

Was sein Interesse nur noch verstärkt hatte. Wäre ihm heute Abend nicht... etwas dazwischen gekommen, so hätte er seine Suche schon längst ausgeweitet. Und er hätte sich bereits etwas überlegt, sie zu zerstören.

Er lächelte böse in sich hinein, bevor er sich umdrehte und sie mit einem seiner Engelslächeln beschenkte. Die meisten, nein, alle Menschen hatten bis jetzt immer gleich reagiert. Sie hatten sich ihm praktisch zu Füßen geworden.

Aber dieses Mädchen nicht. Ihr Blick blieb Ernst und Traurig, ihre Hände krallten sich in den weichen Stoff ihres Kleides. Erst jetzt bemerkte er die dunklen Flecken, die sich in dessen Saum gezogen hatten.

Er rümpfte die Nase. War das...Blut?
"Ich hätte es auch getan." Es dauerte einen Moment, bis er registrierte, dass die weiche und melodische Stimme von ihr kam. "Wäre ich an deiner Stelle gewesen, hätte ich sie auch umgebracht."

Die Zeit stand still, als er mit großen Augen in ihr unverfälschtes und gnadenlos ehrliches Gesicht starrte. Ein Gesicht, welches viel zu unschuldig für solche Worte erschien. Ein Gesicht, wie sein eigenes.

Dunkle Haare und dunkle Augen, die sich in seine Netzhaut brannten.

Schachmatt #2 ~der letzte Zug des Königs~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt