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Es war später Mittag in Russlang und trotzdem war kein einziger Sonnenstrahl in Sicht. Schwere Wolken verdeckten den gesamten Himmel über Moskau und kündigten von einem Unwetter.

Ryan Jefferson nippte an seinem Kaffee und fragte sich zum wiederholten Male, wo dieser verdammte Franzose blieb.

Er war bereits dreiundzwanzig Minuten zu spät und er hatte weiß Gott nicht die Zeit in Ruhe in einem Café Kaffee zu trinken. Nicht, wenn das KGB ihm auf den Fersen war.

Die Tür schwang auf und brachte einen Schwall kalter Luft herein. Ein hochgewachsener Mann betrat den spärlich dekorierten Raum, den die High Society neuerdings als "inn" bezeichneten. Er würde nie verstehen, warum man komische Statuen von abstrakten nackten Frauen anschauen wollte, während man auf Knochenharten Stühlen saß und dafür auch noch eine Stange Geld ausgab.

Aber der Franzose hatte darauf bestanden. Und je näher der Neuankömmling seinem Tisch kam, desto sicherer war er sich, dass es sich um seinen Kontaktmann handelte.

Er trug schwarze Jeans, ein schwarzes T-Shirt, schwarze Lederjacke und eine schwarze Cap. Es sah keine Frage teuer aus, passte aber nicht ganz in die Masse der Anzugträger, die hier ein und aus gingen.

Glücklicherweise hatte er sich für den Tisch in der hintersten Ecke entschieden. Nahe am Notausgang und mit Blick auf die Eingangstür. Hier würden sie weitestgehend ungestört sein.

"Sie sind spät", knurrte Ryan, kaum, dass sich der Franzose hingesetzt hatte.
Dieser legte seine Mütze weg und ließ einen Vorhang aus schwarzen Haaren um sein Gesicht fallen. Für einen Mann war er geradezu abartig schön.
Anscheinend sah sein Glied das genauso, denn es zuckte bei dem Anblick seines gegenübers heftig.

Wütend über sich selbst funkelte er den Franzosen düster an, was er nur mit einem lasziven Lächen quittierte. "Sie wurden verfolgt", sagte er jetzt. "Es hat mich etwas Zeit gekostet, ihre Verfolger unschädlich zu machen."

Bei dem Wort Unschädlich sprangen bei Ryan alle Alarmglocken an. "Sie sollten doch kein Aufsehen erregen!", zischte er über den Tisch hinweg.
Der Franzose winkte nur ab und holte anschließend einen USB Stick aus seiner Jackentasche. "Dafür haben wir jetzt keine Zeit, mein Amerikanischer Freund."
Er legte den Stick auf den Tisch und schob ihn zu Ryan herüber. "Hier sind alle Daten zu Ethan Lockheart drauf, die wir haben sammeln können."

Von einer Sekunde auf die andere war das Lächeln und die entspannte Haltung weg. Jetzt saß vor ihm ein Killer, der Blut sehen wollte.

In seinem Job hatte Ryan schon viel gesehen. Erst war er bei den Navy Seals gewesen, in Afghanistan stationiert und zu Orten gestickt worden, von denen jeder die höchste Geheimhaltungsstufe besaß, und anschließend hatte er eine steile Karriere bei der CIA hingelegt. Er war vielen Kriminelle begegnet. Aber dieser Mann, ging ihm wirklich unter die Haut.

"Dann stimmt es also wirklich? Ethan Lockheart ist für den Wirtschaftscrash verantwortlich? Wozu?"
Der Franzose warf ihm einen toten Blick zu, seine Augen wie die eines Hais.
"Die Weltherrschaft."

Beinahe hätte Ryan laut aufgelacht. Was war Das? Ein Comic? Aber der Franzose blieb Todernst. Und mit seinen nächsten Worten nahm er dem ganzen endgültig seinen Humor. "Er wird jeden einzelnen töten, der sich auflehnt. Er wird jeden einzelnen Beseitigen, der sich nicht ihm unterordnet. Er wird an die Öffentlichkeit treten und Stück für Stück diese Welt auseinander nehmen."

"Wieso!? Was bringt ihm das?"

"Er ist ein Psychophat, Mr Jefferson, und er möchte gewinnen."
"Gewinnen?", fragte er aufgebracht, senkte dabei aber seine Stimme, weil er durch seinen kurzen Ausbruch bereits Aufmerksamkeit erregt hatte.

Der Franzose schwieg einen Moment. "Wir hätten es nie soweit kommen lassen sollen", sagte er schließlich, "zwei von den unseren befinden sich in Ethan Lockhearts Gewalt, wir möchten, dass sie alles dransetzen und sie da raus holen."

Der Franzose wich seiner Frage ganz klar aus, was Ryan nur noch mehr aufbrachte. "Wenn wir Ihnen helfen sollen, dann müssen sie uns schon mehr sagen!"

Aber der Franzose stand bereits auf und zog sich die Cap erneut tief ins Gesicht. Er verharrte kurz an Ort und Stelle. Schien nachzudenken, während Ryan kurz vorm platzen stand. "Das Spiel, Mr Jefferson." Mit diesen Worten verstand er.

Kaum war er durch die Tür verschwunden, griff Ryan, immernoch wütend und verwirrter als zuvor (Er hasste es, im Dunkeln gelassen zu werden) nach dem Stick und stand ebenfalls auf.

Er zog seinen Mantel über und trat ohne auf die Verabschiedung der Kellnerin zu reagieren ins Kalte.

Er fragte sich, wie er seinem Boss erklären sollte, dass er so gut wie keinen Information herausbekommen hatte.
Dabei war es der Franzose gewesen, der sie kontaktiert hatte.
Und was, wenn der Stick ebenfalls nutzlos war?
Es war riskant und wahrscheinlich auch Dumm, aber holte den Stick hervor, griff nach seinem Smartphone, welches die It Abteilung der CIA mit zusätzlichen Schnickschnack ausgestatten hatten und stob den Stick in die vorgegebene Stelle. Er blinzelte, sah sich kurz um, steuerte auf eine Bank zu, setzte sich und öffnete die Datei, die beinahe sofort erschienen war.

Es war ein Bild. Von Ethan Lockheart und einer Frau in einem roten Kleid, wie sie engumschlungen tanzten. Ihr Gesicht war ihm nicht bekannt. Und als er es durch die Installierte Gesichtserkennung jagte, bekam er ebenfalls keine Ergebnisse.
Er suchte sogar kurz nach dem Kleid, da der Rock mit tausenden Diamanten besetzt zu sein schien und nur von einem der großen Designer stammen konnte. Dachte er. Tatsächlich war es in keiner Datenbank registriert.

Wer war diese Frau, die der wahrscheinlich größte Unterweltboss an sich drückte, als wäre sie aus Porzelan.

Schachmatt #2 ~der letzte Zug des Königs~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt