Seine grauen Augen

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Wutschnaubend und trotzdem vor Angst zitternd kam ich in der Eingangshalle an. Was bildet sich dieser Kerl eigentlich ein, mir zu drohen? Und wieso tut er das überhaupt? Für was hält der sich? Okay, blöde Frage, Draco Malfoy hält sich für was besseres, vielleicht für den Sohn Gottes oder so. Er meint wohl, er hätte die Weisheit mit dem Löffel gefressen und es gibt keinen, der toller ist als er. Schwachmat! Und ich war ja noch gleich viel bescheuerter. Ich musste ihm ja gleich noch reindrücken, dass ich über alles Bescheid wusste. Klasse Kate, damit hast Du vielleicht Dein Todesurteil unterschrieben, denn Malfoy wird es mit Sicherheit nicht zulassen, dass irgendjemand Bescheid weiß und sein Geheimnis ausplaudern könnte. Du kannst gleich nach oben gehen und Deine Koffer packen. Wobei, wenn ich's mir recht überlege, sollte ich doch lieber hier bleiben. Hier bin ich bestimmt sicherer, als zuhause, wenn ich da mit meinen Taschen aufkreuze und erzähle, dass ich gerade die Schule geschmissen habe. Mum würde mich zuerst ungespitzt in den Boden rammen und mir anschließend den Kopf abreißen. Mann, da hatte ich mich wirklich in eine scheiß Situation befördert. Wieso hatte ich nicht die Klappe halten können? Ich bin so blöd, blöd, blöd...

"Miss Miller", rief plötzlich eine zornige Stimme. Ich sah mich um, es war Professor McGonagall. "Könnten Sie mir freundlicherweise erklären, was Sie hier alleine machen. Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, als ich Ihnen..."
"Glasklar, Professor", antwortete ich mit einem Lachen auf dem Gesicht. Ich versuchte es zumindest. "Deswegen bin ich ja so gerannt, um die anderen noch einzuholen. Bin auch schon wieder weg, auf dem Weg zum Gryffindorturm. Hey, Professor, wir haben gewonnen!"
Ich weiß, das klingt jetzt, als ob ich verrückt wäre, aber bei McGonagall lautet oftmals die Devise: Ablenkung ist die beste Verteidigung. Schaffst Du es, ist die Schlacht schon so gut wie gewonnen.
"Das ist auch gut so, Miller", meinte sie nicht mehr ganz so streng. "Ich habe mich an den Anblick des Pokals in meinem Büro schon gewöhnt, ich möchte ihn nicht wieder an Professor Snape übergeben müssen. Und jetzt schauen Sie, dass Sie weiter kommen, das Fest beginnt in zwei Stunden. Ach und, Miller", rief sie mir nach, als ich schon weiterspurtete.
"Ja, Professor?"
"Gut gespielt!"

Zwei Stunden, ich hatte massig Zeit, deswegen gönnte ich mir ein schönes, heißes Bad. Ich ließ meine Gedanken schweifen und versuchte sie von Malfoy fern zu halten. Es wollte mir zuerst nicht richtig gelingen, deswegen suchte ich Trost bei meinen Träumen. Ich dachte an die Augen "meines" Traumprinzen. Wie sie das letzte Mal in Tränen geschwommen waren. Was musste er alles erleiden? Und wie, zum Teufel, konnte ich ihm helfen? Wer war er? Kannte ich ihn? Ich wusste nur eins: sollte ich ihn jemals finden (falls es ihn denn wirklich gab), dann würde sich alles ändern. Es würde alles besser werden. Hoffte ich jedenfalls. Dann glitten meine Gedanken zu seinen Küssen und Berührungen. Sie gingen mir jedes Mal so unter Haut, alles an mir, jeder Zentimeter meines Körpers, kribbelte vor Erregung. Ich wollte das alles live spüren, wollte mich hingeben, einfach eins mit ihm sein. Seine wundervolle weiche Haut spüren, ihn küssen, ihn fühlen. Wer bist Du nur, geheimnisvoller Fremder? Wo kann ich Dich finden?
Es klopfte an der Tür.
"Kate, bist Du bald fertig? Ich würde gern kurz duschen." Hermine.
"Ja, gleich", rief ich ihr zu, stieg aus der Wanne und begann mich abzutrocknen. Dann wickelte ich mir das Handtuch um den Kopf, zog meinen Bademantel an und ging hinaus. Hermine verschwand schnell im Bad.
Ich setzte mich an meinen Kosmetiktisch (jedes Mädchen hat seinen eigenen, warum wohl?) und holte meine Schminktasche heraus. Zuerst trug ich meine Feuchtigkeitscreme auf und während ich darauf wartete, dass sie einzog, suchte ich mir schon mal meine Schminksachen zusammen. Puder, brauner und goldener Lidschatten, Eyeliner, Kajal, Wimperntusche und Lipgloss. Man kann ja viel mit Magie machen, unter anderem auch tolle Frisuren zaubern, aber schminken tue ich mich lieber selber. Ich habe es einmal mit einem Schminkzauber versucht, aber hinterher sah ich eher aus wie ein Clown. Endlich war die Creme eingezogen und ich konnte loslegen. Ich brauchte nicht lange, vielleicht zehn Minuten. Dann ging es ans Anziehen. Beim Halloweenfest mussten wir keine Umhänge tragen, Gott sei Dank. Ich mag die Dinger einfach nicht. Muggelkleidung ist viel bequemer. Ich entschied mich für eine schwarze Jeans und eine rote Bluse mit 3/4-Ärmeln, dazu würde ich meine schwarzen Stiefel anziehen. Ich liebe diese Teile.
Dann ging es mir an die Haare: aus dem Handtuch auspacken, mit einem Schlenker des Zauberstabes trocknen und dann noch ein Schlenker und sie steckten sich wie von selbst zu einer schönen Hochsteckfrisur nach oben. Perfekt, fehlte nur noch mein weißgoldener Schmuck. Kette, lange Ohrringe, Armband. Fertig!
"Wow, Du siehst klasse aus", lobte mich Hermine. Sie war noch nicht fertig. Sie hatte nicht das Händchen für so "Mädchenkram", wie sie es nannte.
"Soll ich dir helfen", fragte ich sie.
"Würdest Du?"
"Na klar doch." Ich schminke gern andere Leute und mache sie zurecht. Wäre ich Muggel würde ich mit Sicherheit Kosmetikerin oder ähnliches werden werden. "Okay, was ziehst du an?"
"Ich habe keine Ahnung", meinte sie.
Ich ging zu ihrem Koffer und schaute nach. Oh Gott, da war nichts wirklich schickes drin. Alles nur Jeans und 0815 Pullis. Hmmm, das konnte schwer werden.
"Möchtest Du was von mir anziehen", fragte ich sie.
Hermine war sofort begeistert, denn sie hatte mich immer um meine schicken Klamotten beneidet. Eigentlich komisch, da ich ja eigentlich die reinblütige Hexe war und Hermines Eltern beide Muggel waren. Also wühlte ich in meinem Koffer, bis ich endlich was passendes gefunden hatte. Einen weißen Rock mit einer rosa Bluse (ja, ich habe nicht nur schwarze und rote Klamotten, auch wenn das eindeutig meine Lieblingsfarben waren). So, dann wurde Hermine geschminkt. Himmel, ihre Augenbrauen hätte man auch mal zupfen können, aber dazu hätte ich Monate gebraucht. Leichter rosa Lidschatten und der dazu passende Lipgloss, einmal mit dem Zauberstab geschwenkt und voilà, mein Werk war vollbracht. Hermine sah aus wie eine junge Frau ihres Alters aussehen sollte. Ihre Haare waren zu einem lockeren Knoten gesteckt und meine Klamotten standen ihr auch richtig gut. Ich war schon ein kleines bisschen stolz auf mich.
"Wollen wir", fragte ich Hermine schließlich, die sich nicht vom Spiegel losreißen konnte.
Zusammen gingen wir die Treppe zum Gemeinschaftsraum hinunter, doch als unser Blick schließlich in den runden Raum fiel, erstarrte Hermine neben mir. Vor dem Kamin hatte sich ein Kreis gebildet und in dem Kreis standen Ron und Lavender Brown und knutschten wie wild herum. Ach du Scheiße! Ron, du bist so ein Idiot. Hermine drehte sich um und rannte zurück in unseren Schlafsaal. Na prima, die ganze Arbeit für die Katz und ich durfte wieder die Trösterin spielen. Auf halben Weg die Treppe hinauf, kam mir Ginny in einem kurzen, schwarzen Kleid entgegen.
"Komm gleich mit", sagte ich und schnappte mir ihre Hand. "Dein Bruder hat Mist gebaut."
"Was hat er jetzt schon wieder verbrochen", stöhnte sie.
"Er knutscht da unten gerade mit Lavender herum."
"Und Hermine hat es gesehen? Oh nein, dieser Idiot. Eigentlich sollte ich gleich nach unten und ihm gehörig die Meinung geigen."
"Ich glaube, Hermine ist jetzt erst mal wichtiger."
Sie lag auf dem Bett, als wir herein kamen und schluchzte wie verrückt. Ginny und ich setzten uns zu ihr.
"Hey, Süße", meinte ich und berührte sie an der Schulter und Zack, hing sie an meinem Hals und heulte wie verrückt. Ich tätschelte ihr den Rücken und Ginny streichelte ihren Kopf. Das ganze dauerte etwa zehn Minuten. Dann richtete sich Hermine auf und schaute uns an. Ich erschrak richtig. Die Wimperntusche und alles andere war verlaufen, so dass sie im Gesicht nun mehr schwarz als weiß war.
"Oh Kate, jetzt habe ich deine Bluse ganz schmutzig gemacht. Warte, das haben wir gleich." Und sie schwang ihren Zauberstab und ich fühlte, wie meine Bluse wieder trocken wurde.
"Willst Du uns denn nicht erzählen, was los ist", fragte Ginny.
"Es ist nichts", antwortete unsere Freundin.
"Ja klar", meinte ich. "Und Schweine können fliegen. Hermine, Du liegst nicht ohne Grund auf dem Bett heulst und hängst Dich dann an meinen Hals. Ich bin nicht blind, ich habe das gleiche gesehen wie Du. Sei doch einfach mal ehrlich, vor allem zu Dir selbst. Du hast Dich in Ron verliebt."
"Nein, hab ich nicht", widersprach sie. "Ich bin nur umgeknickt und..."
"Hermine, ich meine es ernst. Ich sehe doch, wie Du ihn ständig anschaust. Komm schon, spreche es doch einfach aus, das hilft."
"Na schön, Du hast recht. Ich liebe Ron! Aber was bringt das schon? Du hast doch gesehen, dass er gerade mit Lavender knutscht. Er will mich nicht, für ihn bin ich doch nur eine Freundin." Und erneut brach sie in Tränen aus.
Also hieß es wieder trösten. Nach weiteren zehn Minuten löste sie sich wieder, trocknete erneut meine Bluse und sagte dann:
"Ihr kommt zu spät zum Fest."
"Was ist mit Dir", fragte Ginny verblüfft. "Kommst Du nicht mit?"
"Nein, geht nur ich habe eh keinen Hunger. Und außerdem möchte ich etwas alleine sein."
Wir respektierten das und gingen gemeinsam hinaus.

Wenn aus Feindschaft Liebe wirdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt