Schachzüge

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Ich saß eine lange Zeit da, weinte und dachte nach. Zuerst waren meine Gedanken bei Draco. Würde ich ihn je wiedersehen? Und wenn ja, wann? Würde er zu mir und dem Baby stehen? Würde er mich wirklich holen? Würde er bei der Geburt dabei sein? Würde er mich heiraten? Oder würde er mich einfach sitzen lassen? Vielleicht sogar auf einen Befehl Voldemorts hin? Fragen über Fragen und ich hatte keine Antworten darauf. Ich weinte, da mir meine Ausweglosigkeit auf einmal bewusst wurde. Ich wusste nicht, was mir die Zukunft bringen würde. Mein großes Ziel, eine Aurorin zu werden, hatte sich in Nichts aufgelöst. Jetzt wollte ich nur noch eins: mit Draco zusammen und glücklich mit ihm sein. Eine richtige kleine Familie. Ohne Ängste, ohne Zwang.
Bei dem Gedanken an meinen früheren Wunsch, kam mir auf einmal eine neue Frage: Wie konnte ich es schaffen, die Todesser aufzuhalten? Ich hatte meinem Liebsten zwar versprochen, schön brav in den Gryffindorturm zu gehen und dort zu warten, aber ich dachte nicht mal im Traum daran, dies zu tun. Ich konnte nicht einfach tatenlos herumsitzen und so tun, als wäre nichts. Im Gegenteil, ich musste versuchen, so viele Leute wie möglich zu warnen und zu retten. Und wenn nötig, musste ich selbst kämpfen, und das würde ich auch. Im Verteidigungsunterricht war ich eine der besten. Gut, das war etwas anderes, als einem leibhaftigen Todesser gegenüber zu stehen, aber ich hatte bei Snapes Prüfung mit einem Ohnegleichen abgeschnitten.
Das muss ich kurz erzählen: vor 2 Wochen unterzog die olle Fledermaus jeden Schüler einer Duellprüfung. Auge in Auge, Zahn um Zahn. Wir mussten versuchen, Snapes ungesagte Zauber zu blockieren und ihm dann selbst einen Fluch aufhalsen. Es war wahnsinnig schwer gewesen, doch ich hatte es irgendwie geschafft, wie weiß ich auch nicht. Snape hatte im Nachhinein wütend seine Nüstern gebläht, aber mir hatte das eine gewisse Genugtuung verliehen. Wobei ich sagen muss, dass Snape in den letzten Wochen nicht unbedingt unfreundlich zu mir gewesen war. Sagen wir es so, er hatte mich weitgehend ignoriert, aber das war mir immer noch lieber, als von ihm gequält zu werden.
Ich hing weiter meinen Gedanken nach. Wenn ich selbst kämpfen würde, dann könnte ich die Todesser vielleicht aufhalten und Draco anschließend doch dazu bewegen, mit mir zu Dumbledore zu gehen und ihn um Hilfe zu bitten. Ja, genau. Wenn die Todesser Dumbledore nicht töteten, konnte er, als Oberhaupt des Phönixordens, uns sicher Schutz anbieten.
Aber Draco wäre nicht begeistert, wenn ich sein Versprechen brechen würde. Er wäre sicher wütend. Okay, er wäre stinksauer. Nein, das ist auch noch untertrieben. Er würde mich wahrscheinlich eigenhändig erwürgen wollen, aber das nahm ich gerne in Kauf, wenn ich somit unsere gemeinsame Zukunft retten konnte. Und das war das einzige, was ich wollte.
Gut, ich hatte somit eben meinen Entschluss gefasst. Ich würde kämpfen. Wenn ich sterben musste, dann würde ich so viele Todesser mit in den Tod nehmen, wie ich nur konnte. Und Draco wäre somit erst einmal außer Gefahr. Er könnte fliehen und sich verstecken oder Dumbledore um Hilfe bitten. Wer konnte mir nun also helfen? Da waren einmal... Na ja, ich glaube schon, dass ich auf meine Freunde zählen könnte, aber die wollte ich eigentlich gern aus der Sache heraus halten. Hmmm, aber wer noch? In Dumbledores Büro kam ich nie. McGonagall? Vielleicht. Mitglieder aus dem Orden des Phönix? Aber wie kam ich an die heran? Ok, Ginnys Familie war im Orden. Hagrid, die Auroren, die draußen vor den Schultoren Wache standen... Gut, dann also doch zuerst meine Freunde. Hermine würde sicher eine Lösung haben.
Ich sprang rasch in meine Klamotten, zog mir meine Schuhe an und sprintete, wieder einmal, los.

Schnaufend kam ich am Bild der fetten Dame an.
"Felicia vintonis", japste ich das neue Passwort.
"Wo kommst Du denn her", wollte die fette Dame von mir wissen. "Warst Du etwa die ganze Nacht weg? Du hast Frühstück und Mittagessen verpasst."
Hektisch sah ich auf meine Uhr. Verdammt, es war halb 3. Wie lange war ich meinen verdammten Gedanken denn nachgehangen? Das konnte nicht sein. Das bedeutete, dass ich nicht mehr lange Zeit hatte, bis...
"Aufmachen, schnell", rief ich der fetten Dame zu. Diese seufzte genervt und schwang zur Seite. Ich fiel halb durch das Loch und sah... niemanden. Der ganze verfluchte Gemeinschaftsraum war leer! Wo waren die denn alle, verdammt nochmal? Gut, draußen war schönes Wetter, das heißt aber noch lange nicht, dass das ganze scheiß Haus ausgeflogen sein muss.
"Scheiße", rief ich laut und raufte mir die Haare.
"Kate", hörte ich eine zarte Stimme und drehte mich blitzartig um.
Hinter mir stand Ginny in einer weißen Caprihose und einem blauen T-Shirt. Ich wollte sie erleichtert anlächeln, aber als ich ihren Gesichtsausdruck sah, ließ ich es lieber bleiben. Sie schaute mich so böse wie noch nie an. Na super, das hatte ich gründlich versaut. Aber egal, jetzt hatten wir andere Probleme.
"Ginny, wo sind die anderen", fragte ich schnell. "Ich brauche eure Hilfe. Bitte, es ist dringend."
"Ach, jetzt sind wir auf einmal wieder wichtig, ja", gab Ginny zickig zurück. "Auf einmal? Hat Dich Dein Schleimbeutel etwa verlassen? Sieht ganz so aus, so wie Deine Augen ausschauen. Aber weißt Du was, das ist mir so was von egal. Schau selbst, wo Du bleibst. Du hast Deine Wahl getroffen, Kate und ich treffe jetzt meine. Ich kann ohne Dich leben."
"Das ist mir jetzt wirklich zu blöd. Hör zu, Ginny, ich muss wissen, wo Harry, Ron und Hermine sind. Sag mir wenigstens das, ja?"
"Die sind am See. Ich wollte jetzt auch runter und eine Lernpause machen. Und tschüss!"
"Nein, DU bleibst hier. Du musst auch wissen, was ich euch zu sagen habe."
Ich schwang meinen Zauberstab und mein silberner Patronus brach daraus hervor. Es war ein großer Wolf. Ich hatte ihn Attila getauft. Ich weiß, dass klingt jetzt blöd, aber so bin ich nun mal. Ich nenne die Dinge gern beim Namen. Ich schickte ihn in Richtung See um den anderen folgende Nachricht zu überbringen: Leute, wir haben ein tierisches Problem. Kommt so schnell wie möglich in den Gemeinschaftsraum, sonst sind wir alle verloren.
"Was soll das", sagte Ginny laut. "Kate, ich lasse mich von Dir nicht festhalten. Entweder sagst Du mir jetzt, was los ist, oder ich gehe schwimmen."
"Bitte, Ginny, ich hab jetzt keine Zeit, alles doppelt und dreifach zu erklären."
Ich lief nach oben in den Schlafsaal und zog mir meine schwarze Hose und meine bequemsten Turnschuhe an. Ich nannte sie eh "Schleicher", also passte das. Außerdem legte ich mir meine schwarzen Armstulpen an, die fast bis zum Ellenbogen gingen. Meine Haare machte ich zu einem Dutt, damit sie mir nicht in Gesicht und Nacken hingen. Ich sah in den Spiegel. Pechschwarz, wie die Nacht. Schwarze Hose, schwarzes T-Shirt, schwarze Schuhe, schwarze Haare. Da ging ich glatt als Todesser durch. Ach, so ein Blödsinn. Ich schnappte mir meinen Zauberstab und ging zurück in den Gemeinschaftsraum.
Mittlerweile waren die anderen angekommen.
"Kate, was ist los", rief Hermine, die in ihrem pinken Bikini auf mich zugeeilt kam. Sie war triefend nass. "Wieso hast Du uns Deinen Patronus geschickt?"
"Das würde ich aber auch gerne mal wissen", meinte Ron. "Immerhin waren wir gerade beim..."
"RONALD!!!"
"Jaja, ist ja schon gut. Also, Kate, was geht ab?"
"Du hast gemeint, wir haben ein großes Problem", gab Harry zum besten. Er hatte seinen "Chef-Blick" drauf, so wie er es während der DA-Stunden immer gemacht hatte.
Ginny dagegen giftete, wie auch schon zuvor: "Mich würde ja interessieren, wieso Kate schon wieder einmal die Pferde scheu macht?! Das macht sie ja häufiger in letzter Zeit. Und ich möchte endlich an den See."
"Ginny, Du übertreibst", fiel Harry ihr ins Wort. "Kate wird schon ihre Gründe haben. Also, Kate, was ist los?"
Ich atmete einmal tief durch. Das würde nicht einfach werden.
"Setzt euch, bitte", sagte ich deutete auf unseren Stammplatz am Kamin. Nachdem alle außer mir (ich wollte lieber stehen) Platz genommen hatten, fing ich an.
"Ich muss gestehen", begann ich und ließ meinen Blick einmal schweifen, "ich war nicht ganz ehrlich zu euch..."
"Welch ein Wunder", unterbrach mich Ginny, doch die anderen brachten sie mit ihren Blicken und einem lauten "PSCHSCHT" zum schweigen.
"Danke", meinte ich und fuhr fort. "Hört zu, ihr wisst ja, dass ich über Dracos Geheimnis Bescheid weiß, also, dass er ein Todesser ist. Soweit habe ich es euch ja erzählt, aber da ist noch mehr. Ich kenne seinen Auftrag und zwar in allen Details."
"Raus damit", rief Harry und sprang auf. "Ich muss es wissen, Kate. Ich werde es sofort Dumbledore sagen."
"Moment", sagte ich laut, denn auch die anderen fingen jetzt an durcheinander zu reden. "Ich werde es euch sagen, aber zuerst müsst ihr verstehen, warum ich es euch nicht vorher erzählen konnte. Hört zu, ich kannte seine Geschichte schon, bevor wir überhaupt zusammen gekommen sind. Draco ist nicht freiwillig ein Todesser geworden. Er wurde gefoltert und dazu gezwungen. Ihm wurde sein eigener Tod angedroht und nicht nur das. Voldemort drohte ihm, seine Familie und alle ihm nahe stehenden Personen umzubringen, wenn er versagen würde oder irgendjemanden einweihen würde."
"Und deshalb hat er gleich dich eingeweiht", schrie Ginny dazwischen. "Das ist doch mal ein toller Freund."
"Ich bin noch nicht fertig, Gin. Ich fand selbst heraus, dass er ein Todesser ist. Ich habe ihn belauscht, als er sich bei der maulenden Myrte ausheulte. Ich habe ihn direkt darauf angesprochen und zuerst hat er mir auch gedroht. Er brauchte jemanden zum reden und so haben wir uns getroffen. Es dauerte ewig, bis er mir überhaupt davon berichtete und ich versprach ihm, niemandem etwas davon zu erzählen. Als Voldemort dann herausfand, dass wir beide zusammen waren, wurde die Sache richtig gefährlich. Draco hat sich daraufhin von mir getrennt. Deswegen war ich auch so lange im Krankenflügel. Ich konnte nicht ohne ihn, und er nicht ohne mich und deswegen haben wir beschlossen, die Gefahr auf uns zu nehmen. Ihr versteht das doch sicher. Stellt euch nur vor, ihr wärt in der gleichen Situation. Seid ihr ja irgendwie auch, oder Harry? Voldemort ist auch hinter Dir her. Da ich mir der Gefahr bewusst wurde, in der ihr, zusätzlich, noch schweben würdet, beschloss ich, euch nichts davon zu erzählen. Zudem kommt, dass ich ungern Versprechen breche. Es tut mir leid, Leute, wirklich, aber ich wollte euch einfach nur beschützen. Aber jetzt kann ich das nicht mehr. Ich habe ständig versucht, Draco dazu zu bewegen, zu Dumbledore gehen, aber seine Angst war zu groß. Und jetzt ist es zu spät."
"Was meinst Du damit, es sei zu spät", wollte Hermine wissen.
"Dazu komme ich gleich. Also, das ist Dracos Auftrag: er muss das Verschwindekabinett im Raum der tausend Sachen reparieren und außerdem einen Weg finden... also... er muss... Professor Dumbledore töten." So es war raus.
"WAAAAAAAAAAAS", schrien alle vier.
"Ich fasse es nicht!" Ron.
"Das kann nicht sein!?" Ginny.
"Das hättest Du uns sagen müssen, Kate!" Hermine.
Der einzige, der nach dem Schrei schwieg, war Harry. Er dachte nach, dass sah ich ihm an.
"Ja, das hätte ich, aber..."
"Das hättest Du wirklich, Kate", fiel mir Harry ins Wort. "Aber Du meintest, wir hätten ein Problem? Ich meine, es ist eins, aber noch haben wir jede Menge Zeit uns etwas zu überlegen. Und das werden wir, wenn ich mit Professor Dumbledore zurück bin. Ich werde mit ihm reden auf unserer Reise."
"Dumbledore ist weg heute Abend?"
"Ja mit mir. Ich habe es selbst erst heute Nachmittag erfahren. Und solange Malfoy das Kabinett noch nicht repariert hat, brauchen wir uns doch keine Sorgen zu machen. So, ich muss jetzt dann auch langsam los."
Mit diesen Worten stand er auf und machte sich auf den Weg in Richtung Jungenschlafsaal. Er flitzte nach oben und kam eine Minute später in einem frischen T-Shirt, mit seinem Tarnumhang und seinem Zauberstab zurück.
"Harry, hör mal...", fing ich an, doch er unterbrach mich.
"Kate, ist schon okay. Ich bin Dir nicht böse, dass Du uns nichts gesagt hast, ich kann das irgendwie verstehen. Aber jetzt muss ich wirklich gehen. Dumbledore wartet auf mich. Keine Angst, Kate, wir machen uns darüber Gedanken, wenn ich wieder zurück bin. Bis dahin wird die Welt schon nicht untergehen."
"Aber..."
"Ich muss los."
"Aber, Harry, jetzt hör mir doch..."
Doch Harry umarmte Ginny, gab ihr noch einen leidenschaftlichen Kuss mit den Worten "Bis später, Liebes" und entschwand dann durch das Portraitloch.
"Aber", flüsterte ich verwirrt, "das ganze findet doch heute Abend statt."
Als ich aufsah, blickte ich in 3 schockierte Augenpaare.

Wenn aus Feindschaft Liebe wirdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt