Endlich Nachricht

62 2 0
                                    

Sofort brach erneut der Tumult los.
„Kate!"
„Oh mein Gott, Arthur, sieh nur!"
„Wo warst Du?"
„Wo sind die anderen?"
„Was ist passiert?"
„Wo ist Ginny?"
Das waren zu viele Fragen auf einmal. Ich wusste nicht, auf wen ich mich zuerst konzentrieren sollte. Ich musste die anderen aufhalten, die sich mittlerweile in einem Kreis um mich gescharrt hatten und wild durcheinander auf mich einredeten.
„Stopp, stopp, stopp", rief ich daher laut. „Nicht alle auf einmal. Bitte, einer nach dem anderen!"
„Wo ist Ginny", wollte Mrs Weasley sofort wissen. „Ihr ward die ganze Zeit zusammen. Als die Todesser kamen und uns angriffen, haben wir Euch aus den Augen verloren. Sie ist doch nicht etwa...? Ihr ist doch nichts...?"
„Ginny ist in Sicherheit, Mrs Weasley", antwortete ich ihr und sah deutlich, wie sie erleichtert durchatmete. „Sie hatte ein wenig zu viel getrunken (die Untertreibung des Jahrhunderts, sie war sternhagelvoll gewesen!) und da habe ich sie auf den Quidditchhügel gebracht. Im Moment schläft sie da oben im Balllager."
„Urgh", machte Fred. „Ist ja eklig! Da unten wimmelt es von Spinnen!"
„Und Ginny hasst Spinnen", gab George seinen Senf dazu. „Ich wünsche Dir viel Spaß, wenn sie aufwacht. Sie wird Dich umbringen. Na, auf diesen Kampf freu' ich mich jetzt schon!" Er grinste schelmisch.
„Das war der erste sichere Ort, der mir eingefallen ist", verteidigte ich mich. „Oder hättet ihr eine bessere Idee gehabt?"
„Ist schon okay, Katherine", mischte sich Mr Weasley ein. „Das war sehr mutig von Dir. Ihr hättet immerhin verfolgt werden können. Danke!"
„Ja, danke, Katherine", schniefte Mrs Weasley, die vor lauter Erleichterung zu heulen begonnen hatte. Sie kam zu mir und nahm mich fest in den Arm. Oje, warum machen die denn jetzt so einen Aufstand darum? Ich meine, gut, ich habe Ginny in Sicherheit gebracht, aber hätte das in meiner Situation nicht jeder gemacht? Gefahr hin, Gefahr her. Sie ist meine beste Freundin und immerhin habe ich Harry versprochen, auf sie aufzupassen. Aber das wussten die Weasleys ja nicht.
„Die kann wirklich was erleben", begann Mrs Weasley nun zu schimpfen, kaum dass sie mich los gelassen hatte. „Wie kommt dieses Mädchen nur dazu, sich zu betrinken? Dazu ist sie doch noch viel zu jung. Wenigstens ist eine von Euch zwei vernünftig und das ist nicht meine Tochter!"
Dazu sage ich jetzt am besten nichts. Ich meine immerhin war ich es, die überhaupt auf die Idee gekommen war, sich zu betrinken. Ginny hatte einfach nur mit gemacht, zumindest am Anfang. Dann hatte ich aufgehört und sie... Sie hatte immer weiter getrunken und über Harry geschimpft, der sie - ich zitiere - „wegen so einer Klitzekleinigkeit wie einer möglichen Entführung" verlassen hatte. Aber das erzählte ich Mrs Weasley jetzt lieber nicht. Was die nicht weiß, macht sie nicht heiß.
„Was ist denn überhaupt passiert", fragte Bill, der eine total aufgelöste Fleur im Arm hielt (verständlich, denn immerhin hatte sich ihre Hochzeit innerhalb von Sekunden zum Desaster verwandelt). „Wie hast Du es geschafft, Ginny da raus zu bringen, ohne dass man euch entdeckte? Ich meine, es wimmelte da nur von Todessern."
„Na ja, wir standen direkt am Zelteingang, als Kingsleys Patronus auftauchte", begann ich zu erzählen. „Ich habe Ginny aus dem Zelt gestoßen, als uns einer von denen angreifen wollte. Aber ich war schneller und konnte ihn ausschalten. Dann bin ich mit Ginny in der Dunkelheit verschwunden. Hundertprozentig sicher konnte ich mir zwar nicht sein, aber ich denke, wir wurden nicht verfolgt. Als ich Ginny dann im Versteck abgelegt hatte, wollte ich so schnell wie möglich zurück, um Euch irgendwie zu helfen. Doch plötzlich... ähm... (Wie konnte ich mein Gespräch mit Severus verheimlichen? Sollte ich das überhaupt?) sah ich einen... ähm... Schatten vor mir und... ähm... ich konnte mich gerade noch mit einem Desillusionierungszauber belegen."
Also wenn das jetzt nicht auffällig war mit den ganzen Ähms, dann weiß ich auch nicht. Doch die anderen schienen das auf die allgemeine Stimmung und Nervosität zu schieben, denn keiner sah mich auch nur eine Sekunde lang zweifelnd an.
„Du kannst einen Desillusionierungszauber", unterbrach Fred meine Gedanken.
„Ähm... ja!" Na ja, stimmte ja auch fast, immerhin konnte ich ihn aufheben, also würde ich mich auch mit dem Zauber belegen können. Wie schwer konnte das schon sein?
„Wow, nicht schlecht", sagte George und pfiff dabei leicht durch die Zähne. Noch immer zierte ein Verband sein abgetrenntes Ohr. „Freddy und ich können den heute noch nicht und dabei sind wir schon seit zwei Jahren aus der Schule raus. Woher kannst Du den denn? So weit ich weiß, bringt McGonagall den erst in der siebten Klasse dran."
Oh, fuck, jetzt musste ich mir schnell eine gute Ausrede einfallen lassen.
„Ähm... der stand...ähm", stotterte ich. Aber dann kam mir die zündende Idee, die noch nicht einmal gelogen war. Kate, manchmal bist Du echt ein Genie. „Der stand in einem Buch meiner Aurorenbücherreihe, die meine Eltern mir letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt haben. Und weil meine Ferien bis ich hierher kam nicht gerade der Burner waren, habe ich ein bisschen Zaubern geübt."
„Kate, das war sehr gefährlich", mischte sich Mrs Weasley jetzt ein. „Du kannst doch nicht einfach irgendwelche Zauber ausprobieren, die Du gar nicht kennst. Was, wenn etwas pass..."
„Das ist doch jetzt nicht wichtig, Molly", unterbrach sie Mr Weasley. „Kate steht hier und ist gesund und munter. Da brauchen wir jetzt nicht darüber zu diskutieren, was vielleicht hätte passieren können. Erzähl weiter, Kate!"
Ich erzählte noch schnell, wie sich der Schatten, der sich als Snape herausgestellt hatte, noch auf dem Hügel umgesehen hatte und wie ich ihm dann in einigem Abstand zum Fuchsbau gefolgt war. Das klang einigermaßen plausibel. Und die anderen schienen mir meine Geschichte ohne jeden Zweifel abzunehmen.
„Kate, weißt Du, wo die anderen hin sind", wollte Mrs Weasley wissen, nachdem ich meine Erzählung beendet hatte. „Wo sind Ron, Harry und Hermine?"
Ich sah an ihrer Mimik, dass sie sich schon selbst einiges zusammen gereimt hatte, aber sie wollte eine Bestätigung von mir hören. Oh Gott, das konnte ich nicht. Ich konnte ihr nicht erzählen, dass ihr Sohn mit seinen Freunden abgehauen war und sich selbst so einer Gefahr aussetzte. Das sollte lieber ihr Mann übernehmen, immerhin wusste er darüber genauso Bescheid wie ich. Ich sah Mr Weasley verzweifelt an, doch er schüttelte nur leicht den Kopf, dann senkte er den Blick. Und da machte es klick. Er konnte es seiner Frau nicht sagen, die würde ihm glatt den Kopf abreißen. Also war wieder einmal ich die Dumme. Klar, wer denn auch sonst?
„Ähm", machte ich und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. Ich war mir der Blicke der anderen durchaus bewusst. Und es waren viele Blicke. Die der kompletten Familien Delacours uns Weasley, sowie die von Remus, Tonks und Hagrid. „Mrs Weasley, ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll, aber die drei sind... nun ja, sie sind... weg."
„Das haben wir auch schon gemerkt", warf Fred ein. Jetzt konnte ich die beiden wenigstens auseinander halten.
„Weg? Was soll das heißen, weg", fragte Mrs Weasley.
„Na ja", stammelte ich weiter. Gott, war das schwierig. Ich wollte doch nur nach oben und Dracos Brief lesen, den ich deutlich an meiner linken Seite spürte. Ich schien wirklich zum Überbringer von schlechten Nachrichten mutiert zu sein. „Also, so genau weiß ich das leider auch nicht. Harry meinte nur, er habe einen Auftrag von Professor Dumbledore erhalten, bevor dieser starb. Und dieser Auftrag sollte dazu führen, dass man Voldemort töten könnte. Die drei sind nun unterwegs, um das zu erledigen. Wohin sie aber genau gegangen sind, kann ich Ihnen leider nicht sagen, da ich es selbst nicht weiß. Es tut mir leid!"
Natürlich wusste ich mehr. Ich wusste, dass die drei unterwegs waren, um Voldemorts Seelenstücke aufzuspüren und diese zu vernichten, aber das wollte ich Mrs Weasley nicht zumuten. Es war für sie so schon schwer genug, da ihr Sohn nun erst recht in tödlicher Gefahr schwebte. Mehr denn je!
Mrs Weasley seufzte und ließ sich auf das Sofa fallen.
„Irgendwie habe ich so etwas schon geahnt", meinte sie resignierend. „Eigentlich schon seit Ron Harry kennen gelernt hat und spätestens seit Ihr-wisst-schon-wer zurück ist. Ich wusste, dass Ron Harry niemals allein losziehen lassen würde. Er würde immer an seiner Seite stehen. Das ist wahre Freundschaft!"
Weiter konnte sie nicht sprechen, denn die Tränen stiegen ihr erneut in die Augen. Mr Weasley nahm sie fest in die Arme.
„Die drei werden das schon schaffen", sagte er sanft zu ihr. „Sie sind erwachsen, Molly. Wir hätten sie ohnehin nicht aufhalten können."
Mrs Weasley nickte einfach nur.
Da fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich drehte mich um und sah mich Remus gegenüber.
„Kate, auf ein Wort bitte!"
Was war denn bitte jetzt noch? Ich hatte ihnen doch schon alles erzählt. Musste ich ihm jetzt noch den genauen Wortlaut vorbeten oder was?
Ich wollte doch einfach nur nach oben und diesen verdammten Brief lesen. War das denn zu viel verlangt? Herrgott nochmal!
„Was gibt es denn Remus", wollte ich genervt wissen und folgte ihm nach draußen. Tonks, seine Frau, blickte uns besorgt hinterher.
„Wo sind deine Schuhe, Kate", fragte er mich.
„Da vorne, in dem großen Blumenkübel. Wieso fragst Du?"
„Nur so. Nicht dass Du noch krank wirst (das nahm ich ihm nicht ganz ab!). Bist Du okay soweit?"
„Ja klar, alles bestens!"
Worauf wollte er nur hinaus? Mir wurde das ganze unheimlich. Was sollte die Fragerei?
„Bist Du Dir ganz sicher, dass Du den Desillusionierungszauber auch alleine durchgeführt hast? Das ist ganz schön schwierig für eine Hexe in Deinem Alter."
„Ich habe halt geübt, was soll's. Remus, was soll dieser Verhör? Ich bin müde und ich möchte einfach nur nach oben und diesen Tag vergessen. Wieso sagst Du mir nicht einfach, worauf Du hinaus willst, dann können wir die Sache abkürzen."
Ich hatte einfach keine Nerven dafür. Der Brief in meiner Tasche wurde immer schwerer, er wog mittlerweile schon drei Zentner.
„Mir ist aufgefallen, dass Snape die Tür etwas länger aufgehalten hat als nötig gewesen wäre. So, als wenn er wüsste, dass hinter ihm noch jemand eintreten würde. Was hast Du mit ihm zu schaffen, Kate? Raus mit der Sprache. Was ist da zwischen euch?"
„Nichts, wirklich!" Ich war mehr als schockiert. Was wollte mir Remus damit sagen? „Ich habe nichts mit Snape zu schaffen, ich kann ihn ja noch nicht mal leiden. Ganz zu schweigen davon, dass ich ihm niemals trauen würde. Ich weiß ja noch nicht mal, ober er zu uns oder zu den Todessern gehört. Bitte, Remus, Du musst mir glauben, ich habe nichts getan. Dass er die Tür länger aufgehalten hat, war einfach reiner Zufall, das musst Du mir glauben."
Gut, das war gelogen. Aber irgendwie sagte mir mein Bauch, dass es besser war, den anderen nichts davon zu erzählen, dass ich mich mit Severus unterhalten hatte und dass er mir verraten hatte, was der Dunkle Lord von ihm wollte. Vielleicht wollte ich sie einfach nur alle schützen, keine Ahnung.
Lupin schaute mich lange an und schien hin und her gerissen zu sein. Doch schließlich seufzte er nur resignierend.
„Tut mir leid, Kate, ich musste einfach sicher sein. Ich weiß einfach selber nicht mehr, was ich glauben soll. Dass Dumbledore tot ist, war doch ein ziemlicher Schock. Und dann auch noch Mad-Eye. Ich weiß einfach selber nicht mehr, ob es sich überhaupt noch lohnt zu kämpfen."
„Es lohnt sich immer, Remus", meinte ich und das sagte ich aus vollster Überzeugung. „Allein schon für diejenigen, die wir lieben und die wir beschützen wollen."
„Da hast Du Recht. Auch wenn das oftmals unmöglich scheint. Aber sag mal, Kate, ich hätte da noch eine Frage: Weißt Du wirklich nicht, wo die anderen hin sind?"
„Tut mir leid, Remus, es ist, wie ich gesagt habe. Ich habe keine Ahnung."
„Schade, ich dachte nur, vielleicht könnte ich Ihnen helfen."
„Und was ist mit Tonks? Willst Du sie etwa alleine lassen?"
„Nein, natürlich nicht. Auch wenn es für sie manchmal vielleicht besser wäre."
Er warf einen Blick auf den Mond, der mittlerweile wieder am Himmel erschienen war. Er war fast voll und ich wusste, woran Remus dachte. Immerhin war er ein Werwolf. Morgen würde er sich wieder in die Bestie verwandeln, die er so sehr hasste.
„Ach, lassen wir das. Du bist sicher müde, Kate und willst schlafen."
Von schlafen konnte gar keine Rede sein. Dracos Brief wog nun schon mindestens fünf Tonnen.
„Na dann, ab mit Dir nach oben. Gute Nacht, Kate. Und hab' keine Angst: der Fuchsbau wird mittlerweile wieder mit vielen, und diesmal anderen, Schutzzaubern geschützt. Die Todesser können nicht mehr eindringen, auch wenn sie wissen, wo wir sind. Du bist in Sicherheit."
„Danke. Gute Nacht, Remus."

Alles nur aus Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt