Die Beerdigung

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Nachdem ich mich einigermaßen ausgeheult hatte, begleitete mich meine Freundin zurück in den Gryffindorturm, damit wir unsere Koffer packen konnten. An den Weihnachtsball wollte ich gar nicht mehr denken. Der war für mich sowieso abgesagt, denn Ginny und ich hatten ja die Sondergenehmigung, noch heute, genauer gesagt in einer Stunde, in den Fuchsbau zu reisen.
„Weihnachtsmann", sagte Ginny der fetten Dame und sie schwang zur Seite.
Vorsichtig führte sich mich in den Raum hinein, in dem es von bunten Umhängen nur so wimmelte. Oh Gott und ich hatte gedacht, ich könnte dieser fröhlichen Stimmung entgehen.
„Ginny, Kate", rief Neville und kam in einem eleganten anthrazitfarbenen Festumhang auf uns zu geeilt. „Da seid ihr ja endlich. Ich dachte schon, ihr hättet mich vergessen."
„Nicht jetzt, Neville", giftete Ginny ihn an und wollte ihn zur Seite schieben.
„Lass es, Gin", unterbrach ich ihre anstehende Predigt (ich kannte sie einfach zu gut). „Neville kann doch nichts dafür."
„Was ist passiert, Kate", wollte er wissen, nachdem er mich anscheinend genauer gemustert hatte. „Du siehst irgendwie gar nicht gut aus. Hat es etwas mit dem zu tun, das McGonagall Dir sagen wollte?"
„Lass sie in Ruhe", meinte Ginny sichtlich genervt. „Siehst Du denn nicht, dass sie nicht in der Lage ist..."
„Gin, es ist okay", fiel ich erneut ins Wort, bevor ich mich an Neville wandte. Ich wusste, sie meinte es nur gut, aber dieser Beschützerinstinkt war einfach übertrieben. „Hör zu, Neville, es tut uns leid, aber wir können nicht mit Dir auf den Weihnachtsball gehen. Wir reisen in einer Stunde ab. Wir sind eigentlich nur gekommen, um unsere Sachen zu packen. Ich... ich habe eine schlechte Nachricht erhalten und... es geht einfach nicht, okay?"
„Was ist los?"
„Ich... ich... ich kann... Ginny?"
Ich konnte es nicht aussprechen. Die Erinnerung war einfach zu frisch, aber ich wollte, dass Neville es erfuhr. Er zählte immerhin zu meinen Freunden.
Ginny beugte sich vor und flüsterte ihm leise die Worte „Ihre Eltern sind tot" ins Ohr. Nevilles Gesichtszüge entgleisten. Er starrte mich mit offenem Mund an.
„Oh, Kate, das tut mir wirklich leid", sagte er mitfühlend.
Ich nickte ihm dankbar zu und machte mich dann auf den Weg nach oben. Doch dort wartete schon die nächste Erinnerung an mich. An meinem Kleiderschrank , den ich eigentlich nie benutzte, hing der blaue Festumhang, den mir meine Mutter letztes Jahr für Weihnachten gekauft hatte. Ich ging hinüber und ließ meine Hand über den Stoff gleiten. Ich hörte die Stimme meiner Mum. „Ich habe Dir extra noch einen neuen Umhang gekauft. Dieses Rot steht Dir einfach nicht so gut. Blau passt viel besser zu Deinen Augen. Die strahlen dann immer richtig."
Ich ging hinüber zum Bett und war dankbar dafür, dass Ginny noch nicht nach oben gekommen war, um nach mir zu sehen. Ich brauchte jetzt einfach ein paar Minuten meine Ruhe.
Ich machte mir immer noch Vorwürfe. Wieso nur hatte ich meinen Eltern nicht gesagt, mit wem ich zusammen war? Vielleicht hätten sie sich dann besser geschützt. Aber wenn ich ehrlich war, glaubte ich das nicht. Mum hätte sicher nur versucht, es mir auszureden und ich hätte es mir nicht verbieten lassen. Wie sollte ich nur ohne meine Eltern klar kommen? Was sollte ich denn später einmal meinen Kindern erzählen, falls ich denn welche haben sollte, wo ihre Großeltern waren? Und was sollte ich jetzt mit dem Haus anfangen? Die Antwort lautete immer gleich: Ich weiß es nicht.
Ich sehnte mich nach Draco. Ich brauchte einfach jemanden, den ich über alles liebte und der mich genau jetzt in den Arm nahm. Ich brauchte seine Berührungen, seine Zärtlichkeiten und wie er mir leise „Es wird alles wieder gut, mein Schatz" ins Ohr flüsterte.
Ich griff in meinen Ausschnitt und fischte den Anhänger meiner Kette hervor, die mir Draco letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. Mit einem leise geflüsterten „Alohomora", öffnete ich das herzförmige Medaillon. Darin hatte ich ein Bild von meinem Liebsten. Sanft streichelte ich mit dem Finger über sein Gesicht und sah, wie er mich anlächelte.
„Ach Draco", seufzte ich. „Wieso kannst Du jetzt nicht bei mir sein? Ich brauche Dich. Du fehlst mir so sehr. Ich weiß nicht, wie ich das alles alleine durchstehen sollst. Ich wünschte mir, Du wärst hier und würdest mich trösten. Schon ein Kuss würde genügen."
Plötzlich fühlte ich, wie das Herz ganz warm wurde. Was war das? Hatte ich unbewusst irgendeinen Zauber gewirkt? Was immer es auch war, es fühlte sich seltsam an.
„Kate, ist alles in Ordnung", riss Ginny mich aus meinen Gedanken und betrat das Schlafzimmer. „Kann ich Dir irgendetwas helfen?"
„Nein, es geht schon", antwortete ich ruhig. „Ich habe nur gerade ein wenig nach gedacht. Ich kann es einfach immer noch nicht fassen und ich gebe mir immer noch die Schuld für alles, was passiert ist."
„Weiß Draco schon davon?"
„Nein, das heißt, ich weiß nicht. Ich habe es ihm noch nicht gesagt, aber vielleicht wurde es ihm auf eine andere Art und Weise mitgeteilt. Wer weiß das schon. Ginny?"
„Ja, Kate?"
„Er fehlt mir so. Ich brauche ihn hier bei mir."
„Dann schreib ihm doch. Vielleicht erlaubt..."
„Nein, ich werde ihm nicht schreiben. Hör zu, Voldemort hatte einen Brief von mir an Draco. Ich weiß auch nicht, wie er da ran gekommen ist. Ich muss mir eine andere Möglichkeit einfallen lassen, wie ich mit ihm reden kann."
„ER hatte einen Brief von Dir? Das ist gar nicht gut, Kate, wirklich. Du musst das..."
„Severus weiß es. Er war dabei, als wir die Erinnerung angeschaut haben. Er hat mir wirklich beigestanden. Er versteht mich, weißt Du? Ihm geht es nicht anders wie mir."
„Was meinst Du damit?"
„Das darf ich Dir nicht sagen. Nur so viel, er gibt sich auch die Schuld an einem Tod. Wie spät ist es denn? Müssen wir nicht bald los?"
„Ja, es ist kurz vor sechs."
„Na dann, packen wir unsere Koffer."
Ich schwang meinen Zauberstab und sah, wie sich all meine Sachen, die vorher noch überall verstreut herum gelegen hatten, von selbst zusammen legten und sich fein säuberlich in den Koffer stapelten. Auch der blaue Festumhang von meiner Mum, ein letztes Erinnerungsstück an sie.

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