Auf ins Schloss

121 3 0
                                    

Natürlich blieben wir nicht vor dem Tor stehen, sondern mein Herr führte mich rechts in den Wald hinein. In den Wald? Na toll, ganz super. Lassen wir uns doch mal von Werwölfen beißen, von Zentauren zerfetzen oder vielleicht noch von riesigen Acromantulas auffressen.
Ich hasste den verbotenen Wald. Ich war erst zweimal dort drin gewesen: Einmal in der fünften Klasse, in einer Unterrichtsstunde Pflege magischer Geschöpfe, in der wir die Testrale durch genommen hatten. Das zweite Mal war in der dritten Klasse gewesen, da hatte ich mir einmal Nachsitzen eingehandelt, weil ich unbedingt einen Flederwichtfluch an Gregory Goyle ausprobieren wollte. Leider war ich von Filch dabei erwischt worden, wie ich diesen Zauber im Flur ausführte und er hatte mich zu McGonagall geschleift, die mir diese Strafe aufgebrummt hatte. Ich war zwar mit Hagrid unterwegs gewesen, aber es war trotzdem die schlimmste Nacht meines Lebens gewesen. Zumindest bis zum damaligen Zeitpunkt. Noch Wochen später hatte ich Albträume gehabt.
Und jetzt folgte ich mehr oder weniger freiwillig - gut, okay, ich wurde gezwungen - meinem neuen Herren dort hinein. Und das auch noch mit DIESEN Schuhen. Oh Gott, wenn das alles vorbei war, konnte ich die sicher wegschmeißen. Na, vielen Dank auch, Du Arsch, die hatte ich mir erst gekauft!
Nach einem Fußmarsch von etwa zehn Minuten, erreichten wir eine Lichtung, in der riesige Spinnennetze hingen. Iiih, führte mich der Dunkle Lord etwa gerade in ein gigantisches Spinnennest? Nur über meine Leiche. Da konnte er selber reingehen, aber ich blieb, wo ich war.
„Was ist denn, Katherine", fragte er genervt, als er gemerkt hatte, dass ich stehen geblieben war. „Keine Angst, die Acromantulas haben sich bereits am Waldrand versammelt. Sie warten nur auf den Angriff."
Er packte meine Hand, zog mich weiter und mir blieb gar nichts anderes übrig, als ihm hinterher zu stolpern.
In der Mitte der Senke brannte ein Feuer und darum standen mindestens 150 Todesser, von denen ich nur ein paar kannte. Darunter Severus, meine Schwiegereltern, Bellatrix Lestrange und ihren Mann, Greyback, Yaxley und noch ein paar andere, die sich ab und zu in Malfoy Manor hatten blicken lassen. Von Draco war keine Spur zu sehen. Natürlich nicht, er war wahrscheinlich im Schloss, genauer gesagt im Raum der Wünsche. Ich konnte sogar drei Riesen erkennen, die hinter den Reihen der Todesser standen und mit ihren gigantischen Schlagwaffen protzten. Riesen??? Oh mein Gott, was würde da nur abgehen? Hinzu kamen sicher noch andere Wesen, wie die Acromantulas, Dementoren, Werwölfe und so weiter. Ich musste dringend eine Möglichkeit finden, ins Schloss zu kommen um die anderen zu warnen. Gegen solch eine Übermacht hatte die gute Seite keine Chance. Sie sollten am besten alle fliehen.
„Schön, sehr schön", murmelte Voldemort, als er sich seine Anhänger anschaute. „Schön, dass so viele gekommen sind. Es ist also soweit. Der Tag, an dem ich die Herrschaft über die ganze Welt übernehmen werde, ist gekommen (Na, der war aber optimistisch). Und Ihr seid alle hier, um mir dabei zu helfen. Aber Severus, es wundert mich, Dich hier zu sehen. Solltest Du nicht im Schloss sein und versuchen, uns einen Weg hinein zu ermöglichen?"
„Ich wurde... sagen wir mal, ich bin nicht ganz freiwillig gegangen", antwortete er, doch sein Blick galt nur mir. Sorge spiegelte sich darin. „Aber es ist mir auf meinem Weg hierher gelungen, die Schutzzauber, die das Gelände umgeben, vollständig aufzuheben. Wir können es gefahrlos betreten, denn die andere Seite wird sich nur darum kümmern, das Schloss zu sichern und zu verteidigen. Ich kenne Minerva McGonagall. Sie wird zuerst die minderjährigen Schüler evakuieren und dann weiter vorgehen."
„Und Potter", wollte mein Herr wissen. „Ist er wirklich hier?"
„Ja, er ist hier, Mylord. Ich konnte seine Gedanken wahrnehmen. Potter war schon immer ein mieser Okklumentor."
Moment mal, da musste ich Harry jetzt aber verteidigen. Es war nun mal nicht so einfach seinen Geist zu verschließen, vor allem, wenn ein Severus Snape versuchte, dort einzudringen.
„In Ordnung, dann wollen wir doch mal Kontakt zu denen da drinnen aufnehmen. Mal sehen, was sie machen."
Voldemort hielt sich seinen Zauberstab an den Hals und begann mit magisch verstärkter Stimme zu sprechen. Sie hallte auf dem kompletten Gelände wieder, das wusste ich.
„Ich weiß, dass Ihr Euch bereit macht zum Kampf", sagte er und grinste dabei. „Eure Bemühungen sind zwecklos. Ihr könnt mich nicht besiegen. Ich will Euch nicht töten. Ich habe Hochachtung vor den Lehrern von Hogwarts (Bestimmt, deswegen greifen wir auch eine Schule an). Ich will kein magisches Blut vergießen (Ach, aber mir die Hand aufschlitzen, ja?). Gebt mir Harry Potter und keinem soll ein Leid geschehen. Gebt mir Harry Potter und ich werde die Schule unversehrt lassen. Gebt mir Harry Potter und Ihr sollt belohnt werden. Ihr habt Zeit bis Mitternacht."
Ich sah auf meine Uhr, es war halb zwölf. Ich bezweifelte sehr stark, dass die anderen Harry ausliefern würden. Sie würden lieber sterben, als zuzulassen, dass Harry in den Tod zog. Ganz ehrlich, ich würde nicht anders handeln, wenn ich jetzt im Schloss wäre. Ich würde genauso mitkämpfen. Womit wir wieder bei meinem eigentlichen Problem wären. Wie konnte ich es schaffen nach Hogwarts zu gelangen? Voldemort würde mich sicher nicht gehen lassen, dazu hatte er viel zu viel Angst, dass meinen Babys etwas zustoßen würde. Das brächte seine dritte Todessergeneration in Gefahr, die er sich so sehr wünschte. Also musste ich ihn hintergehen. Aber wie? Mir wollte partout nichts einfallen. Noch nicht!
Ich sah auf, weil ich plötzlich das Gefühl hatte, beobachtet zu werden und tatsächlich starrte mich Severus, mein bester Freund, noch immer an. In seinem Blick lag so viel Liebe und Sorge. Ich hatte ihn in den letzten Wochen ja so sehr vermisst. Deswegen lächelte ich ihn an und ging auf ihn zu. Wenigstens ein Mensch war hier, dem ich blind vertrauen konnte. Ich fiel ihm um den Hals, dankbar, dass es ihn gab.
„Du hast mir gefehlt, Du alter Brummbär", flüsterte ich ihm ins Ohr. „Ich dachte eigentlich, Du wolltest Dich mal blicken lassen."
„Es tut mir leid, meine Kleine", antwortete er leise. „Ich hatte so viel zu tun. In der Schule ist es immer schlimmer geworden mit den Carrows. Ich musste mich darum kümmern, sonst wäre die halbe Schule tot gewesen. Und glaub mir, wenn ich Dir sage, dass ich da nicht übertreibe."
„Ich glaube Dir. Weißt Du es eigentlich schon? Ich bekomme Zwillinge."
„Großer Gott, nein, das habe ich nicht gewusst. Das verschlimmert das ganze ja nur. Mein allerherzlichstes Beileid!"
Severus war der erste, der genau so reagierte, wie ich mich fühlte. Geschockt und gleichzeitig verständnisvoll für meine Lage. Genauso sollte sich ein bester Freund verhalten.
„Na ja, wir werden das schon irgendwie hinbekommen", sagte ich und zuckte mit den Schultern.
„Meine arme Kleine", gab Severus zurück und streichelte mir über die Wange. „Wenn ich irgendetwas für Dich tun kann..."
„Halte einfach Dein Versprechen ein. Damit wäre mir schon geholfen. Außerdem, wer weiß schon so genau, was heute Nacht noch passiert."
„Da hast Du allerdings recht. Wie so oft!"
Sag ich ja auch immer, aber Draco will mir das nicht glauben. Wenigstens Severus hatte es kapiert. Ha, eins zu null für mich.
„Severus, wo ist Draco? Geht es ihm gut?"
Ich hätte es nicht mehr eine Sekunde lang ausgehalten, nicht danach zu fragen. Das war das einzige, was ich wirklich wissen musste.
„Draco ist im Raum der Wünsche. Ich habe ihn persönlich dorthin begleitet, als er so gegen halb zehn eintraf. Mach Dir keine Sorgen, Katherine. Dort drin ist er einigermaßen sicher, falls es zu Kämpfen kommen sollte."
„Und wenn er aber nicht dort bleiben kann?"
„Dann ist Draco ein hervorragender Kämpfer."
Ja, das war er allerdings. Ich hatte ihn letztes Jahr gesehen, wie er sich mit Greyback duellierte. Er war schnell und wendig und er beherrschte Legilimentik, was ihm einen deutlichen Vorteil verschaffte. Aber trotzdem, es waren so viele da drin.
„Severus, ich muss da rein. Ich muss..."
„Du musst auf Dich und Deine Kleinen aufpassen."
„Ich muss den Vater dieser Kleinen retten!"
„Das wird der Dunkle Lord aber nicht zulassen und das weißt Du. Draco würde es außerdem nicht wollen, dass Du Dein Leben für ihn aufs Spiel setzt, schon wieder."
Da hatte er allerdings recht. Es war zum Haare ausraufen. Mir musste doch irgendetwas einfallen. Irgendwas!
„Bitte, Severus", flehte ich ihn an, doch er ging nicht darauf ein.
Wie immer, wenn die Zeit nicht vergehen sollte, raste sie wie im Flug vorbei. Es wurde Mitternacht und kein Harry tauchte auf. Ganz wie ich erwartet hatte.
„Also gut", sagte Voldemort schließlich. „Sie tun es nicht, sie liefern ihn nicht aus. Damit habe ich gerechnet. Todesser, ihr wisst, was ihr zu tun habt. Greift an! Verschont niemanden, denn sie haben es so gewollt. Außer Potter, ihm dürft ihr nichts tun. Bringt ihn zu mir, ich werde ihn selbst vernichten!"
Die ganzen schwarz gekleideten Gestalten jubelten und schrien. Sie zogen ihre Zauberstäbe und machten sich auf den Weg in Richtung Hogwarts. Ich versuchte es auch, doch natürlich wurde ich sofort entdeckt.
„Katherine", rief mein Herr laut. „Ich hatte Dir doch schon gesagt, dass Du nicht kämpfen sollst. Du bleibst hier im Wald, wo Du in Sicherheit bist und man Dich im Auge behalten kann."
„Aber, mein Herr, ich möchte Euch doch beweisen, dass ich treu an Eurer Seite stehe und für Euch sterben würde!"
Das war natürlich gelogen, aber anders ging es nun einmal nicht. Ich musste ihm so viel Honig um sein blödes Maul schmieren, dass er mich vielleicht doch gehen ließ.
„Du bleibst hier! Das ist ein Befehl. Narzissa, Severus, Ihr behaltet sie im Auge. Ihren Kindern soll nichts geschehen."
Dann verschwand er im Wald.
Grrr, gleich würde ich einen Tobsuchtsanfall bekommen. War es denn wirklich zu viel verlangt, einfach in dieses verdammte Schloss gehen zu dürfen? Mir würde schon nichts passieren. Ich konnte mich ja immer noch desillusionieren. Ich wollte doch nur meinen Ehemann retten. Ja gut und vielleicht den einen oder anderen Todesser killen. Aber mehr wirklich nicht! Es musste doch einfach einen Weg geben.
Vor lauter Wut begann ich auf und ab zu laufen wie ein Tiger im Käfig.
„Katherine, hör auf, ständig herum zu laufen und zu hüpfen", ermahnte mich Severus. „Man könnte meinen, Du hättest eine mordsmäßig gefüllte Blase und keine Toilette ist in Sicht."
Er sah mich bedeutungsvoll an. Das war es. Die Ausrede schlechthin. Ich konnte einfach im Wald verschwinden und mir dann meinen eigenen Weg ins Schloss suchen. Hogsmeade war nicht weit weg, ich glaubte sogar, den Weg dorthin finden zu können. Und von dort führte ein Geheimgang direkt ins Schloss. Vom Keller des Honigtopfs aus. Das wusste ich genau, denn durch den hatte sich Harry in der dritten Klasse immer ins Dorf geschlichen, als er noch nicht die offizielle Erlaubnis dazu hatte. Ha, Kate, Du bist ein Genie. Gut und Severus auch. Immerhin hatte er mich erst auf diese Idee gebracht.
„Muss ich ja auch", nörgelte ich also und tat, als würde ich mir meine Blase halten. Ich sprang sogar auf und ab. „Ganz dringend! Seit ich schwanger bin, muss ich alle fünf Minuten aufs Klo."
„Dann geh doch einfach", meinte Severus. „Aber nicht so weit weg. Und danach kommst Du sofort zurück."
„Severus, Du hast doch gehört, was Seine Lordschaft gesagt hat", mischte sich Narzissa ein. „Sie darf nicht allein sein. Wir sollen auf sie aufpassen."
Herrgott nochmal, jetzt fiel sie mir auch noch in den Rücken. Hatte sie denn gar keine Angst um ihren Sohn? Oder was es nur die Angst vor einer Strafe durch den Dunklen Lord, die aus ihr sprach?
„Aber Zissy", jammerte ich erneut. „Ich muss wirklich ganz dringend! Mir zerreißt es gleich die Blase!"
Zur Verdeutlichung hüpfte ich wieder auf der Stelle.
„Na schön", gab sie schließlich nach. „Aber ich werde Dich begleiten, damit Du auch ja nicht auf die Idee kommst, davon zu laufen."
Sie ging mir voraus in den Wald. Ich warf Severus einen dankbaren Blick zu.
„Lauf schnell, Kleines", sagte er in Gedanken und ich nickte.
Dann lief ich meiner Schwiegermutter hinterher und zog meinen Zauberstab. Sie ging etwa zwanzig Meter weit, dann blieb sie stehen.
„Ich glaube, das ist weit genug", meinte sie. „Hier wird Dich niemand sehen."
Da hatte sie recht und deswegen konnte ich meinen Plan auch in die Tat umsetzen. Aber nicht ohne vorher folgendes zu tun.
„Es tut mir leid, Narzissa", flüsterte ich.
„Was denn, meine Liebe? Musst Du etwa nicht mehr? Das kenne ich. Als ich mit..."
Doch ich ließ sie nicht mehr weiter sprechen, sondern schwang einfach blitzschnell meinen Zauberstab. Ich dachte mit aller Macht „Pertificus Totalus", um mich nicht zu verraten, falls noch irgendjemand in der Nähe war und sah zufrieden, wie meine Schwiegermutter versteinert nach hinten umkippte.
Schnell ging ich zu ihr und blickte sie an. In ihren Augen stand die blanke Angst. Ob vor mir oder der Strafe des Dunklen Lords, die unweigerlich folgen würde, wusste ich nicht. Doch ich musste ihr einfach sagen, was mir auf der Seele lag.
„Es tut mir wirklich leid, Zissy", sagte ich leise zu ihr. „Ich wollte das alles nicht, aber mir bleibt keine andere Wahl. Ich muss ins Schloss. Ich muss Draco finden und ihn beschützen. Ich würde sonst keine Ruhe finden. Ich kann nicht einfach hier warten, ob er wieder heil zu mir zurück kommt. Ich hoffe, Du verstehst das."
Tränen stiegen ihr in die Augen und ich wusste, dass sie begriff.
„Ich werde die ganze Schuld auf mich nehmen, das verspreche ich Dir", meinte ich noch. „Dir wird nichts geschehen. Aber jetzt muss ich gehen! Desillusionato."
Ich spürte, wie der kalte Schauer über meinen Körper lief, dann war ich verschwunden. Ich wandte mich von Narzissa ab, die dort auf dem Boden lag. Sie tat mir wirklich leid, aber ich hatte nicht gelogen. Es tat mir wirklich leid. Ich rannte los in die Richtung, in der ich Hogsmeade vermutete.

Alles nur aus Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt