Betreten senkte ich meinen Blick auf die Straße, die mir im jetzigen Moment sehr interessant erschien.
"Dir... Dir muss es nicht leid tun...", murmelte ich leise, sodass man Mühe hatte, mich zu verstehen.
Er müsste sich dafür eigentlich nicht mal entschuldigen. Er konnte weder etwas für seine Gefühle, noch dafür, dass ich so scheiße drauf reagiert habe und ihn noch dazu so scheiße behandelte. Eigentlich war er doch der letzte, der das verdient hatte. Vor allem nicht nach dem, was er für mich getan hat und noch immer tut...
"Wenn es hier jemandem leid tun muss, dann mir... Ich weiß, du kannst nichts dafür, und trotzdem bin ich so mies zu dir, und das nur, weil ich mich von meiner scheiß verdammten Angst leiten lasse... Ich habe scheiß verdammte Angst davor, jemanden richtig an mich ran zu lassen... Baue eine Mauer um mich herum auf, um mich selbst zu schützen, doch verletzte damit nur andere Menschen, die es gar nicht verdient haben verletzt zu werden... Dabei ist das das letzte was ich will... Jemandem verletzen... Schon gar nicht Menschen, die mir unglaublich wichtig sind, beziehungsweise geworden sind..." Damit meinte ich eindeutig Wincent, was laut seinem Gesichtsausdruck auch er relativ schnell kapiert hatte.
"An manchen Tagen glaube ich, meine Angst endlich überwunden zu haben, oder dass sie sich wenigstens gebessert hätte, denn sonst hätte ich dich nicht mal annähernd an mich ran gelassen... Aber an manchen Tagen scheint sie mich völlig unter Kontrolle zu haben, sodass ich sogar von dir davon Laufe, dich an schreie, obwohl ich weiß, dass du mir nichts tust..."
Mein plötzlicher Redefluss überraschte mich selbst, denn ich hatte keinen blassen Schimmer, woher dieser auf einmal kam, doch die Worte kamen einfach so aus meinem Mund heraus. Ich konnte nicht mal etwas dagegen tun. Aber wenn ich ehrlich bin, wollte ich das auch gar nicht. Ich wollte ihm das jetzt einfach mal sagen.
"Ich habe das Gefühl, dass ich dir dadurch viel zu oft das Gefühl gebe, alles falsch zu machen, was man nur falsch machen kann, obwohl du es richtiger nicht machen könntest... Du bist wirklich immer für mich da, gibst mir Halt, hörst mir einfach zu, versuchst mir immer wieder zu helfen, und dass obwohl ich mich manchmal so sehr verschließe, dass ich nicht mal mehr Hilfe an mich ran lasse... Alleine wegen dir bin ich überhaupt noch am Leben, weil du derjenige warst, der mich abgehalten hat zu springen... Mich vor einer Dummheit bewahrt hat... Es ist, als wärst du ein Schutzengel, der versucht mich vor wirklich allem zu beschützen... Ein Schutzengel, denn ich nicht mal annähernd verdient habe..."
Was war auf einmal mit mir los? Woher kamen all diese Worte nur? Langsam fand ich mich selbst fast schon etwas unheimlich.
Noch nie in meinem Leben hatte ich einen so plötzlichen Redefluss, wo wirklich jedes verdammte Wort ernst gemeint war. Aber woher kamen diese?
"Ich bin dir so verdammt dankbar für alles, und trotzdem zeige ich dir das viel zu selten, wenn überhaupt... Ich fühle mich dir gegenüber so mies deswegen... Und es tut mir verdammt noch mal so unendlich leid... Du hast das einfach nicht verdient... Ich..."
Weiter kam ich nicht, da mir langsam die Luft ausging und ich erst mal wieder Luft holen musste. Ich setzte an, meinen angefangen Satz zu beenden, doch davon wurde ich abgehalten.
"Sag jetzt einfach nichts...", hörte ich Wincent auf einmal direkt vor meinem Gesicht leise sagen. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass er mir so nahe gekommen war, obwohl ich ihn die ganze Zeit angesehen hatte, doch ich machte auch, aus welchem Grund auch immer, keine Anstalten irgendwie wieder Abstand zwischen uns zu bringen. Ich war wie versteinert.
"Sei einfach leise...", flüsterte er noch, bevor er im nächsten Moment seine Lippen sanft auf meine legte.
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Frische Luft || Wincent Weiss
Teen FictionEigentlich traurig, wenn man mit zwanzig Angst vom eigenen Freund hat oder? Sollte man nicht eigentlich glücklich mit ihm sein, anstatt Angst zu haben? Ich war für jede Minute dankbar in der ich ihn nicht sehen musste, in der ich keine Angst haben m...