Kapitel 6

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Augenblicklich musste ich schlucken. Was war, wenn Liam tatsächlich Experimente an mir durchführen würde? War er zu so etwas wirklich fähig? Liam wirkte vielleicht nicht gerade wie ein Engel, doch ein Unmensch war er sicherlich nicht. Doch da ich ihn erst seit einigen Stunden kannte, konnte ich natürlich nichts ausschließen.

"Du...du hast doch nicht vor...mit mir zu experimentieren?", fragte ich ihn stotternd. Meine Stimme war nur ein leises Flüstern, sodass man die Angst hören konnte.

Mit großen Augen sah ich Liam an und wartete gespannt auf eine Antwort. Mein Atem war flach und mein Herz drohte aus meiner Brust zu platzen. In meinem Gehirn lief erneut ein Film ab, der mir die schlimmsten Szenen zeigte, die man sich vorstellen konnte. Szenen der Folterung, von denen eine besonders herausstach.

Dicke Fesseln schnürten mir beinahe die Hand- und Fußgelenke ab, als ich panisch versuchte sie zu lösen. Vor Anstrengung hatten sich bereits Schweißtröpfchen auf meiner Stirn gebildet, weshalb dort einige Haarsträhnen klebten. Automatisch wollte ich meine Hand heben, um das durch sie verursachte eklige Gefühl zu beseitigen, doch die Fesseln hinderten mich daran und hinterließen rote Spuren in meiner Haut. Ein kleiner Schmerzensschrei entwich mir. Erschöpft von den vielen Befreiungsversuchen hielt ich still und schloss meine Augen.

Sekunden später ließ mich ein tiefes, dunkles Lachen die Augen wieder aufreißen. Über mich gebeugt stand Liam, der mir in einer zärtlichen Geste über meine Wange streichelte. Dabei lächelte er mich warmherzig an und ließ meine Hoffnung auf Erlösung in die Höhe treiben. Er würde mich sicher retten und befreien, meine Fesseln lösen und mich aus diesem kleinen Raum befreien, indem es von verschieden Werkzeugen und Spritzen nur so wimmelte.

"Hilf mir. Bitte.", bettelte ich und spürte, wie sich Tränen aus meinen Augen stahlen und über weine Wangen liefen. Liam wischte sie sanft mit seinem Daumen fort und beugte sich weiter zu mir. Sein Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt, sodass ich seinen warmen Atem spüren konnte.

Dann legte er kurz seine Lippen auf meine Wange und verpasste mir damit einen wohligen Schauer. Von dort, wo seine unglaublich weichen Lippen mit meiner Haut in Berührung kamen, breitete sich Wärme in meinem Körper aus. Ein Kribbeln durchfuhr mich, das mein Herz schneller schlagen ließ. Ich blickte ihm einfach nur in die Augen, als er sich von mir entfernte und sich wieder gerade hinstellte.

Plötzlich verschwand sein Lächeln und sein Blick wurde ausdruckslos. Erneut machte sich Angst in mir breit. Das wunderbare Gefühl von eben war wie weggeblasen. Es war, als saugte sein Blick meine Emotionen aus mir und hinterließ nur Angst und Leere. Für einen kurzen Moment erschien vor meinen Augen das Bild eines Grabsteins, auf dem mein Name eingraviert war. 

"Nein. Wir werden jetzt Spaß haben.", sprach er mit fester und bedrohlicher Stimme. Ein hämmisches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, während er hinter sich griff und eine kleine, verrostete  Zange in den Händen hielt.

Panisch räckelte ich mich auf der Liege und versuchte irgendwie die Fesseln zu lösen, doch nichts funktionierte. Ich war ihm schutzlos ausgeliefert. Den selben Gedanken musste wohl auch Liam gehabt haben, denn er lachte triumphierend und brachte die Zange immer näher zu meiner Hand. Geschockt riss ich meine Augen weit auf, als ich realisierte, dass er vorhatte mir die Fingernägel rauszureißen. Er wollte mich foltern.

"Hilfe! Bitte helft mir!", schrie ich ängstlich, doch weit und breit war niemand, der mich hören konnte. Nur er und ich in einem Raum mit wahrscheinlich hunderten von Dingen, die er an mir austesten würde und hunderten von Folterungswerkzeugen.

Liam setzte die Zange an dem Nagel meines Daumens an und...

"April? Hast du mich verstanden?"

Liams Hand, die vor meinen Augen wedelte, holte mich wieder in die Realität zurück. Als ich in seine Augen sah, trat ich erstmal einige Schritte zurück und stieß mit meinem Rücken gegen den Sarg. Die Vorstellung von mir auf der Liege und Liam mit der Zange war noch so in meinem Gehirn verankert, dass ich Angst vor Liam hatte. Vor meinem Augen spielten sich immer wieder schreckliche Szenarien der Folterung ab. Mein Herz schlug rasend schnell vor Panik und ich versuchte verzweifelt, mich zu beruhigen. 

Nur wage nahm ich war, wie Liam mir besorgt seine Hand auf die Schulter legte. Ein angenehmer Schauer jagte von dort durch meinen Körper, doch ich ignorierte das Gefühl. Meine gesamte Konzentration verwendete ich dafür, meinen Körper davon abzuhalten, vor Liam zurückzuweichen. Es gelang mir, indem ich mir immer wieder einredete, er wäre zu so etwas nicht fähig. Ich blieb still stehen, während ich mich langsam von dem Tagtraum erholte.

"Was hast du gesagt? Ich hab dich nicht verstanden.", fragte ich Liam nun, da ich nicht verstanden hatte, was er sagte. Ich versuchte so normal und ruhig wie möglich zu wirken, in der Hoffnung, er würde nicht weiter auf meinen komischen Zustand eingehen. 

Anscheinend funktionierte es, denn Liam nahm seine Hand wieder von meiner Schulter und ging nicht weiter auf meinen Wegtritt ein. Zwar hatte er einen verwirrten und auch leicht besorgten Ausdruck in den Augen, doch er ließ sich nichts weiter anmerken, sondern wiederholte seine Worte.

"Ich habe dich gefragt, ob du mich verstanden hast. Aber da du bereits diesen Satz nicht verstanden hast, gehe ich davon aus, dass du ebenfalls nicht verstanden hast, was ich davor gesagt habe. Das stimmt doch, oder?"

"Ähm...ja.", gab ich kleinlaut zu und sah ihn entschuldigend an, auch wenn es mir etwas peinlich war. Liam nickte nur und rollte mit seinen Augen. Er schien ein wenig genervt zu sein, doch ich konnte es ihm nicht übel nehmen.

"Also, dann nochmal von vorne. Ich habe nicht vor mit dir zu experimentieren. Diese schrecklichen Dinge, die ich ertragen musste, werde ich dir nicht antun. Zugegeben, es schmerzt beinahe ein bisschen, dass du so von mir denkst.", erklärte mir Liam und blickte mich scherzhaft vorwurfsvoll an.

Ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus. Seine Worte beruhigten mich so sehr, dass meine Angst ihm gegenüber sank. Der grausame Tagtraum rückte in weiter Ferne und hinterließ ein einfaches, normales Bild von Liam. Doch da waren noch einige Fragen, zu den ich noch keine Antwort hatte, sie aber unbedingt haben wollte.

"Aber was willst du dann mit mir machen?", fragte ich ihn einer dieser Fragen, aber auch die wichtigste und die, vor deren Antwort ich mich fürchtete.

"Rache nehmen. Rache an diesen sadistischen Menschen nehmen, die mir und weiteren hunderten Menschen grausame Dinge angetan haben. Sie sollen endlich das bekommen, was sie verdienen. Den Tod."

Liam sprach dieses Wort so voller Wut und Hass, dass ich mich fragte, was sie wohl mit ihm gemacht hatten. Sie müssen ihm grausamen, unmenschliche, unverzeihlich und unvergessliche Dinge angetan haben. Deshalb war ich fest entschlossen, Liam zu helfen. Doch voher musste er mir von den Taten dieser Menschen erzählen. Ich musste wissen, ob sie es wirklich verdient hatten bestraft zu werden. 

"Was haben diese Menschen mit dir gemacht, Liam?"

Endlich ein neues Kapitel! Es ist zwar kurz, aber auch eher ein Übergangskapitel. Im nächsten Kapitel wird es wieder spannender. Der Trailer wurde leider gesperrt, aber ich versuche ihn demnächst wieder hochzuladen, aber mit anderer Musk.

Widmung geht an @Angel__in_the_sky

Über Votes und  Kommentare würde ich mich sehr freuen:)

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