Kapitel 9

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Laute Geräusche weckten mich am nächsten Morgen. Mit einem Ruck saß ich aufrecht im Bett. Mein Herz raste und hämmerte in meinem Brustkorb fast so laut wie der Lärm. Schnell streifte ich die Bettdecke von meinem Körper und erhob mich von dem Bett. Schnellen Schrittes lief ich zur Tür des Schlafzimmers, öffnete sie und betrat den Flur.

Dort stand bereits Liam, der sich seine Jacke anzog. Auf seinem Gesicht lag ein gehetzter und zugleich wütender Ausdruck. Als er mich erblickte, reichte er mir meine alte Kleidung und schob mich wieder in das Schlafzimmer.

"Zieh dich um. Sofort. Wir müssen hier auf der Stelle verschwinden, also beeil dich.", drängte er mich und schloss die Schlafzimmertür hinter mir mit einem lauten Knall, der mich zusammenzucken ließ. Ich hatte nicht viel Zeit, um darüber nachzudenken, wieso wir weg mussten oder woher der Lärm kam. So schnell ich konnte zog ich mich um. Mein Puls hatte sich immer noch nicht beruhigt und er würde es wahrscheinlich auch nicht so schnell.

Während nun Stimmen durch das Wohnhaus hallten, trat ich fertig umgezogen zu Liam in den Flur, der schon ungeduldig auf mich wartete. "Hättest du nicht schneller machen können?", brüllte er mich beinahe an.

"Ich bin keine Maschine. Außerdem ist es morgens, was erwartest du.", murmelte ich und rollte mit den Augen. Liam schnaubte nur genervt und zog mich am Arm aus der Wohnung. Ich stolperte ihm hinterher, während er schnell die Treppe nach unten lief. Ich hatte Mühe mit ihm mitzuhalten und musste zwei Stufen aufeinmal nehmen. Noch immer hatte ich keine Ahnung, was hier los war, aber ich wusste auch nicht so recht, ob ich es überhaupt wissen wollte.

Völlig außer Puste kamen wir im Erdgeschoss an, wo der Ursprung der Geräusche lag. Jemand hämmerte wie verrückt gegen die Haustür. Die Kommode stand bereits einige Zentimeter von der Tür entfernt. Nicht mehr lange, dann konnte man sie öffnen. Und ich war mir sicher, dass wer auch immer da vor der Tür stand, uns nichts Gutes wollte.

Liam fluchte vor sich hin, ließ meine Hand los und fuhr sich durch seine Haare, die vom Schlafen noch ganz wuschelig waren. Wenn seine Haare schon so as sahen, dann wollte ich gar nicht wissen, wie meine gerade aussahen. Ich hatte keine Zeit mehr für Körperpflege gehabt, war zudem ungeschminkt und hatte hundertprozentig Mundgeruch. Zu sehen, dass es Liam wenigstens genauso ging, machte mich um einiges glücklicher. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt über das Aussehen nachzudenken, dass war mir bewusst.

Mein Gedankenfluss wurde von Liam unterbrochen, der nun wieder nach meiner Hand griff und mich zur anderen Seite des Treppenhauses zog. Wir liefen auf eine Tür zu, die mir gestern noch gar nicht aufgefallen war. Sie war nicht abgeschlossen, denn Liam stieß sie mit einem Ruck auf und schon standen wir im Hinterhof des Gebäudes. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Silent Hill war es nicht nebelig. Ein paar Wolken waren am Himmel zu sehen, doch die Sonnestrahlen fanden einen Weg durch sie. Bei diesem Anblick könnte man Silent Hill glatt für eine völlig normale Kleinstadt halten. Zumindestens, wenn man die kaputten Häuser und Autos und die Leere missachtet.

Liam und ich rannten weiter quer durch den Hinterhof, bis wir vor einem Zaun standen, der den Hinterhof von der Straße abtrennte. Erschöpft blieb ich davor stehen und versuchte meinen Atem wieder zu stabilisieren. Liam schien im Gegensatz zu mir überhaupt nicht außer Atem zu sein. Er schwitzte nicht und sein Gesicht zeigte keinerlei Anstrengung.

"Wir müssen über den Zaun. Los!",sagte Liam und begann über den hohen Zaun zu klettern. Schnaufend folgte ich ihm. Auch wenn meine Kletterkünste nicht gerade die besten waren, schaffte ich es sicher auf der anderen Seite zu landen. Stolz stemmte ich meine Hände an die Hüften und lächelte. Liam seufzte daraufhin nur und zog mich weiter, doch ich war der Meinung, dass ich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen gesehen hatte, wenn auch nur für eine Millisekunde.

Wir rannten und rannten, bis wir am anderen Ende der Stadt ankamen. Vor uns befand sich ein kleines Waldstück, dass so dicht bewachsen war, um uns zu verstecken, sobald wir es einige Meter betreten hatten.

Schnaufend setzte ich mich auf einen Baumstumpf und versuchte meine Schnappatmung zu stoppen. Mein Gesicht glühte und Die zurückgelegte Strecke war eindeutig zu viel für ein Mädchen, dass kaum Sport trieb. Zu meiner Erleichterung schien es Liam wenigstens annähernd auch so zu gehen, denn er hatte sich ein einen Baum gelehnt und versuchte sich zu erholen. Noch immer wusste ich nicht, vor wem wir überhaupt geflohen sind, doch ich hatte eine Vermutung. Ich hoffte nur, dass ich mit dieser falsch lag.

"Wer war das?", fragte ich Liam, nachdem ich mich von der Flucht erholt hatte. Er wandte seinen Blick von dem Boden zu mir und schaute mir in die Augen. Ich konnte in ihnen keine Antworten oder Emotionen erkennen, doch er schien nervös zu sein. Mit einem Fuß scharrte er über den Boden und seine Unterlippe, auf die er mit seinen Zähnen biss, blutete ein wenig.

Liam atmete tief durch, bevor er seine Stimme fand. "Sie sind zu früh. Wir sind unvorbereitet. Verdammt, sie hätten noch nicht hier sein dürfen!", fluchte er leise,"Wir können jetzt nicht mehr zurück. Sie werden mit Sicherheit auf uns warten. Diese Bestien!" Seine Stimme war mittlerweile so laut, dass ich befürchtete, man würde uns entdecken.

Verwirrt erhob ich mich von dem Baumstumpf und lief auf Liam zu, bis ich vor ihm stand. Beruhigend legte ich meine Hand auf seine Schulter. 

"Wer, Liam? Wer?"

"Die Forscher. Sie müssen uns gefolgt sein, ohne dass wir es bemerkt haben." Seine Stimme war nun wieder ein Flüstern, denn auch er schien sich der Gefahr bewusst zu sein. Hätte man uns jetzt entdeckt, dann hätten wir uns nicht wehren können. 

"Was machen wir jetzt?", fragte ich ihn. Zurück zum Wohnhaus konnten wir nicht und es war für uns ebenso gefährlich, quer durch Silent Hill zu laufen, auf der Suche nach einer neuen Unterkunft. Es war anzunehmen, dass die Forscher uns bereits suchten. 

"Naja, wir sollten versuchen, uns von ihnen und der Stadtgegend der Wohnung fernzuhalten. Eine Begegnung sollten wir vermeiden, bis wir einen Plan haben, wie wir die Rache durchführen werden. Ich denken, wir könnten Hilfe gebrauchen."

Verwirrt runzelte ich die Stirn. Hilfe? Von wem sollten wir hier Hilfe erwarten? Es gab hier doch keinen außer uns. Oder verschwieg Liam mir etwas?

Liam bemerkte meinen Blick und seufzte. Er stieß sich vom Baum ab, sodass ich automatisch meine Hand von seiner Schulter nahm und ebenfalls einen Schritt zurückging.

"Wir werden einen alten Freund aufsuchen."

Neues Kapitel! Was denkt ihr, wer Liams alter Freund ist? Über Kommentare und Votes würde ich mich freuen.

Widmung geht an @stopoom

Silent Hill  // Liam PayneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt