Kapitel 21

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"Ist alles in Ordnung? Du wirkst so abwesend heute.", bemerkte Liam und schaute mir in die Augen, doch ich nahm seine Stimme kaum war. Zu sehr war ich in meinen Gedanken vertieft, weshalb ich durch Liam, der direkt vor mir stand, quasi durch sah. Meine Augen starrten zwar in seine, doch lag mein Blick nicht in ihnen, sondern immer noch bei dem Film, der sich seit dem Traum rund um die Uhr in meinem Kopf abspielte.

Es waren immer die gleichen Bilder. Ich, wie ich auf der Liege lag, gefesselt an dutzenden Monitoren. Liam, der mir mit Tränen in den Augen sagte, er würde mich lieben. Jonathan, der mich merkwürdig angrinste. Louis' Vater, der mir meinen Fuß abhackte.

Ich konnte nichts dagegen unternehmen. Die Bilder wollten einfach nicht aus meinem Kopf verschwinden, egal wie sehr ich es versuchte. Selbst als Liam und ich vor einer knappen Stunde den Inhalt einer der Dosen aus der Küche gegessen hatte, weil wir eingesehen hatten, dass wir etwas essen mussten um stark zu bleiben, konnte ich den Traum einfach nicht vergessen. Mir war nicht einmal schlecht geworden von dem ekelhaften Essen, da ich gar nicht an das Zeug dachte, während ich es beinahe in mich rein geschaufelte hatte. Liam hatte mich die ganze Zeit beim Essen misstrauisch beobachtet, weil ich wahrscheinlich aussah, als hatte ich einen Geist gesehen.

Zwei Hände legten sich auf meine Schultern und schüttelten mich heftig, doch auch das befreite mich nicht aus der Trance, in der ich mich befand. Erst Liams' besorgter Ton in der Stimme ließ mich blinzeln und in die Realität zurückkehren. "April? Bitte antworte mir. Irgendetwas stimmt doch mit dir nicht!" Bevor er mich erneut schütteln konnte, schob ich seine Hände sanft von meinen Schultern.

"Es ist alles in Ordnung. Ich hab nur schlecht geschlafen.", antwortete ich und versuchte dabei möglichst glaubwürdig zu erscheinen, doch an Liams' Blick konnte ich erkennen, dass er meine Lüge durchschaut hatte. Er zog eine Augenbraue hoch, verschränkte seine Arme vor der Brust und legte den Kopf leicht schief.

"Und das soll ich dir glauben? Nie im Leben. Komm schon April, es tut dir sicher gut darüber zu reden, was auch immer dich bedrückt."

Seufzend verdrehte ich die Augen. Er hatte ja recht. Wahrscheinlich würde es mir gut tun, wenn ich ihm von dem Traum erzählte, doch ich war mir nicht sicher. Wie würde er reagieren? Was würde er sagen, wenn ich ihm erzählte, dass wir uns gegenseitig die Liebe gestanden haben? Nein, diese Peinlichkeit musste ich mir sparen. Wir hatten uns zwar geküsst, aber wie würde es auf Liam wirken, wenn ich ihm nun beichten würde, dass ich von soetwas geträumt hatte. Wahrscheinlich würde er mich auslachen. Nein, den Teil wollte ich wirklich auslassen, aber den Rest meines Traumes musste ich ihm erzählen.

"Also gut.", sagte ich entschlossen und atmete noch einmal tief durch. Dann nahm ich seine Hand, verschränkte unsere Finger miteinander und zog ihn zu dem Sofa. Das vertraute Kribbeln, welches sich von der Hand aus in meinem ganzen Körper ausbreitete, nahm ich kaum war. Ich war zu nervös, so verrückt es auch klang. Ich wusste selbst nicht, wieso der Gedanke, dass Liam gleich von meinem Traum erfahren würde, so eine Nervosität bei mir hervorrief. Es war immerhin nur ein verdammter Traum, nichts besonderes.

Doch irgendwie hatte ich ein schlechtes Gefühl in meinem Bauch."In Silent Hill sind Träume nicht unbedingt Träume.", hatte die alte Frau gesagt. Vielleicht war es dieser Satz, der mich so beunruhigte, sowie die Tatsache, was nach meinem letzten Traum geschah. Ich hatte geträumt, dass ich in einem Krankenhaus auf der Suche nach Liam war und ihn schließlich in einem Schaukelstuhl fand mit Verletzungen und meinem Namen in die Stirn geritzt. Bis auf letzteres war alles auch in der Realität eingetreten.Wenn das mal kein schlechtes Omen war.

"April?", fragte Liam und schnippte vor meinem Gesicht mit seinen Fingern. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen und zuckte zusammen. Mit einem Lächeln entschuldigte ich mich bei Liam für mein erneutes Wegtreten und versicherte ihm gleichzeitig, dass es mir gut ging, auch wenn es nicht stimmte. Dann erzählte ich ihm alles was in dem Traum geschah. Naja, alles außer die "Ich liebe dich" Sache natürlich.

"...und dann bin ich zum Glück aufgewacht.", beendete ich meinen Bericht mit erleichterter Stimme. Es war nicht schön, alles zu erzählen, da sich währenddessen wieder die Bilder dazu in meinem Kopf zeigten, doch mittlerweile war ich an sie gewöhnt. Die Gänsehaut bildete sich jedoch jedesmal wieder auf meiner Haut und auch mein Herzschlag war schneller als gewöhnlich, was hier in Silent Hill aber bereits zur Gewohnheit geworden ist.

Fassungslos sah Liam mich an. In seinen Augen spiegelte sich Besorgnis wider und etwas, das ich nicht zuordnen konnte. "Wie sah Jonathan nochmal in deinem Traum aus?", fragte er neugierig und zugleich drängend. Ich war mir sicher, dass ich auch Panik in seiner Stimme hören konnte, doch er versteckte sie wirklich sehr gut.

"Er hatte dunkelblonde, leicht gewellte kurze Haare und einen Dreitagebart. Aber was spielt das für eine Rolle? Ich meine, so sah er in meinem Traum aus und da ich ihn nicht kenne, wird er sicherlich in der Realität anders aussehen.", antwortete ich verwirrt über die Liams' Frage. Wieso wollte er wissen, wie Jonathan in meinem Traum aussah? Das spielte doch gar keine Rolle.

Liam fuhr sich seufzend durch seine Haare und fluchte leise vor sich hin. Dann rückte er näher an mich heran und nahm meine Hand in seine. Auf meiner Stirn bildeten sich Falten als ich fragend in seine Augen starrte. 

"Nun ja, so sieht Jonathan aber aus.", erklärte er mir,"Du musst wissen, dass alles was du in Silent Hill träumst, so ähnlich auch irgendwann in der Realität geschehen wird. Träume sind hier wie Vohersagen oder Visionen. Mir ist das auch schon passiert. Zum Beispiel habe ich von deiner Ankunft geträumt, deshalb habe ich auch zu dir gesagt, dass ich dich bereits erwartet habe."

Geschockt starrte ich Liam an. Das bedeutete ja, dass die Forscher uns tatsächlich gefangen nehmen würden und ich meinen Fuß wirklich verlieren würde. Diese Vorstellung war einfach schrecklich.

"Dann ergibt der Satz der alten Frau sogar Sinn.", murmelte ich,"Aber kann es ach sein, dass sich die Vision nicht bewahrheitet und es am Ende nicht so kommt?"

"Moment. Welcher Satz der alten Frau?"

Ich räusperte mich und winkte Liams' Frage ab."Ach, nicht so wichtig. Die Alte Frau hat nur deine Erklärung schon angedeutet. Viel wichtiger ist jetzt deine Antwort auf meine Frage."

"Ja, das ist durchaus möglich, aber eher unwahrscheinlich."

Bedrückt wendete ich meinen Blick von Liams' Augen uns sah auf den Boden. Liam sollte nicht die Tränen sehen, welche bereits langsam meine Wangen hinunter tropften. Bald würde ich also wirklich gefoltert werden, während Liam dabei zusehen würde. Zwar meinte er, dass es möglich war, dass alles nicht so geschieht, aber die Chance sehr gering lag. Ich wollte mich nicht an diese Hoffnung klammern, um schließlich doch enttäuscht zu werden. Darauf konnte ich verzichten, weshalb ich mein Schicksal lieber akzeptierte.

Sanfte legten sich sich zwei Finger unter mein Kinn und hoben es an, sodass ich Liam wieder in die Augen sah. "Mach dir keine Sorgen, April. Ich werde dafür sorgen, dass dir nichts passiert. Das verspreche ich dir. Ich werde alles tun, wenn es dich rettet, selbst wenn mir dabei etwas zustößt."

Und dann legten sich seine Lippen erneut auf meine. Es war ein Kuss, der Liams' Versprechen bekräftigte. So liebevoll und doch drängend. Er steigerte meine Hoffnung, dass ich niemals auf der Liege liegen und dem Ende meines Lebens entgegen blicken würde.

Neues Kapitel! Es ist nicht so spektakulär und eher langweilig, aber dennoch wichtig. Ich hoffe, dass es euch gefällt und ihr fleißig votet und kommentiert:)

Widmung geht an @BeckyPayne007 ♥

Das Kapitel ist noch nicht nach Rechtschreib- und Grammatikfehlern überprüft worden.

Silent Hill  // Liam PayneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt