Kapitel 24

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Gedankenverloren starrte ich in den Spiegel vor mir und stützte mich mit den Händen am Rand des Waschbeckens ab. Das Wasser tropfte noch von meinen Wangen hinunter und hinterließ Flecken auf meinem Shirt. Eine Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut aus und ließ mich erschaudern. Schnell schnappte ich mir das alte, löchrige Handtuch von der Ablage und wischte damit über mein Gesicht. Das kalte Wasser hatte gut getan, doch meine Gedanken hatte es nicht vertrieben.

Der Plan war einfach viel zu riskant. Was war, wenn er schiefgehen würde? Wenn die Forscher uns bereits bei der Suche nach dem Buch erwischen würden? Wenn sie uns kurz bevor wir Silent Hill verlassen konnten erwischen würden? Doch der schlimmste Gedanke war, dass Liam etwas passieren könnte. Wenn die Forscher ihm doch etwas antun würden. Diese Vorstellung ließ mein Herz für einen Moment stoppen, bevor es wild weiter raste.

Schnell schüttelte ich den Kopf. Das durfte und würde einfach nicht passieren. Am besten dachte ich gar nicht erst daran, doch das war nicht so leicht. Die Vorstellung wollte einfach nicht aus meinem Kopf verschwinden.

"Alles okay?", erklang eine Stimme hinter mir. Vor Schreck zuckte ich kurz zusammen, doch ich drehte mich nicht um, da ich bereits wusste, wer es war.

"Ja. Mir geht es gut.", antwortete ich und legte das Handtuch beiseite. Durch den Spiegel lächelte ich Liam an, der mit wenigen Schritten hinter mir stand. Sachte legte er mein Haar auf eine Seite und legte sein Kinn auf meiner freien Schulter ab. Mit seinen Armen umschloss er von hinten meinen Bauch und zog mich an seine Brust. Augenblicklich wurde mir warm ums Herz und das Kribbeln in meinem Bauch tauchte wieder auf.

"Du solltest dir nicht so viele Gedanken machen.", sagte er, "Ich weiß, dass du dir Sorgen machst. Das tue ich auch, aber wir müssen da jetzt durch. Dir wird nichts passieren, dafür werde ich sorgen."

Seufzend drehte ich mich in seinen Armen und legte meine Arme um seinen Nacken. Besorgt sah ich in seine Augen, die zu glänzen schienen, sobald sie meine erblickten. "Ich mache mir keine Sorgen um mich, sondern um dich."

Ein Lächeln umspielte Liams' Lippen. Er löste eine Hand von meinem Rücken und strich mit dieser sanft einige Haarsträhnen aus meinem Gesicht, die sich verirrt hatten. Seine Augen musterten meine Gesichtszüge, dann starrten sie eindringlich in meine. "Du musst dir um mich keine Sorgen machen. Mir wird schon nichts passieren. Ich hab doch dich als Aufpasserin."

Leise kicherte ich. Auch Liams' Grinsen wurde breiter. "Klar, da ich ja auch so stark bin, um dich zu beschützen.", sagte ich, legte meine Stirn sanft gegen seine und schloss die Augen. Ich spürte wie Liams' Atem gegen mein Gesicht prallte. Dann legten sich sich seine weichen Lippen auf meine. Es dauerte einige Sekunden, bis ich den Kuss erwiderte, da ich ziemlich überrascht war, doch dann bewegte ich meine Lippen vorsichtig gegen seine. Liams' Hände wanderten zu meinen Hüften, wo sie mich so nah wie möglich an ihn zogen, sodass kein Blatt mehr zwischen uns passte. Auch meine Hände begaben sich auf Wanderschaft und vergruben sich in seinen Haaren. Ein kleines Stöhnen verließ seinen Mund, was mich in den Kuss lächeln ließ. Plötzlich spürte ich, wie seine Zunge gegen meine Lippen stieß. Leicht öffnete ich meinen Mund und schon berührten sich unsere Zungen. Der Kuss wurde immer intensiver, während das Kribbeln in meinem Körper nicht mehr verschwinden wollte.

Nach einigen Minuten lösten wir uns wieder voneinander. Meine Wangen waren sicherlich rot, doch ich versuchte es mit einem Lächeln zu überspielen. Liam hatte ebenfalls ein kleines Lächeln auf den Lippen, welches jedoch einem unsicheren Ausdruck wich. Grübelnd biss er sich auf die Unterlippe und kratzte mit der Hand an seinem Nacken. Fragend blickte ich ihn an. Was war los mit ihm?

"April.", begann er zögernd,"Es gibt da etwas, was ich dir schon länger sagen will. Ich denke, dass jetzt ein guter Zeitpunkt dazu ist. Ich..."

"Liam, April! Wir müssen jetzt wirklich los. Die Dämmerung hat bereits begonnen und es regnet gerade nicht. Kommt jetzt!", unterbrach uns Louis, der durch die Tür hereingeplatzt kam. Wartend winkte er uns in Richtung Haustür. Entschuldigend zuckte Liam kurz mit den Schultern und drückte meine Hand sanft, dann zog er mich hinter Louis her. Enttäuscht seufzte ich. Wieso musste Louis gerade in dem Moment in das Badezimmer kommen?! Liam wollte mir etwas sagen, was anscheinend wichtig war, denn er wirkte sehr nervös. Mein Herz setzte kurz aus, als mir ein Gedanke durch den Kopf schoss. Was war, wenn er mir sagen wollte, dass er mich liebte? So schnell wie der Gedanke kam, verbannte ich ihn auch wieder aus meinem Gehirn. Wieso sollte er das tun? War es dafür nicht auch noch zu früh? Meiner Meinung nach nicht, aber Jungs sahen das wahrscheinlich anders.

Mittlerweile hatten wir unsere Jacken und Schuhe angezogen und standen aufbruchbereit an der Tür. Ich hatte es geschafft, die Gedanken rund um diese wertvollen drei Wörter in meinen Hinterkopf zu verdrängen, wo sie allerdings bleiben würden. Jetzt war unser Plan wichtiger. Ich musste mich auf ihn konzentrieren, denn wenn wir erwischt werden würden, weil ich zu sehr in meinen Gedanken vertieft war, dann könnte ich mir nie verzeihen.

Louis nickte Liam und mir nochmal zu, dann öffnete er die Haustür und wir folgten ihm in die kühle Luft von Silent Hill. Die Sonne stand sehr tief am Horizont und war schon fast verschwunden. Ein paar Wolken zierten den Himmel, doch die Regenwolken hatten sich längst verzogen. Auf den Straßen hatten sich durch den starken Regen große Pfützen gebildet. Für einen kurzen Augenblick schloss ich die Augen und atmete tief ein.

"Also, wir gehen zur Amity Street. Am Ende der Straße ist das Labor. Wir müssen in den Keller des Labors, in dem liegt nämlich das Buch, was wir stehlen werden. Danach gehen wir wieder zurück hier hin und dann sage ich meinen Vater beschein, damit sie Liam festnehmen. Den weiteren Plan kennt ihr ja.", erklärte Louis uns. Liam und ich nickten kurz, dann folgten wir Louis und liefen leise durch Silent Hill. Wir schwiegen und sahen uns immer wieder um, damit wir nicht von den Forschern überrascht wurden. Louis hatte uns zwar versichert, dass sie sich heute in der Hauptzentrale befanden, aber wir mussten auf Nummer sicher gehen.

Geschätzte zehn Minuten später befanden wir vor dem Labor. Wir hatten uns hinter ein paar Büschen versteckt und lugten durch die Zweige und Blätter hindurch zu dem Gebäude. Von außen wirkte es nicht gerade einladend. Das Haus war alt, wirklich sehr alt. Vor die wenigen Fenster, die es gab, waren Holzbretter gehämmert wurden, die schon beinahe auseinanderfielen. Die Doppeltür war groß und aus ebenfalls aus Holz, jedoch war ein großes Schloss aus Eisen davor.

"Wie kommen wir in den Keller?", flüsterte Liam und betrachtete das Labor skeptisch.

"Der Eingang zum Keller ist von außen. Wir müssen nur um das Haus rum und dann einen Müllcontainer zur Seite schieben.", erklärte Louis leise und musterte die Umgebung. "Folgt mir."

Wir taten, was er uns befohlen hatte und folgten ihm aus dem Gebüsch heraus zu dem Haus. Wir liefen schnell, aber rennen konnten wir nicht, da dies zu laut war. In wenigen Schritten hatten wir unser Ziel erreicht: Der Müllcontainer hinter dem Haus. Während sich hinter unseren Rücken der dunkle Wald erstreckte, schob Louis den Container so geräuschlos wie möglich zur Seite. Am Boden offenbarte sich eine Luke, die nicht verschlossen war. Es war der Eingang zum Keller. Es war der Beginn unseres Fluchtplans.

"Bereit?", fragte Louis und sah Liam uns mich fragend an.

"Bereit.", antworteten wir ihm gleichzeitig.

Jetzt gab es kein zurück mehr.

Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat:) Über Votes und Kommentare würde ich mich freuen:)

Widmung geht an @bonnyDirection ♥

Silent Hill  // Liam PayneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt