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Das war der Anfang einer mehr als dreijährigen Freundschaft gewesen. Bereits nach wenigen Wochen waren wir ein Herz und eine Seele geworden, wir verstanden uns so gut, dass ich beinahe jeden Tag wieder einen Kommentar von Tobi fürchtete, ob wir nicht doch unsere Betten zusammenstellen wollten. Aber daran war gar nicht zu denken, kein bisschen, auch wenn unsere Mitbewohner sich das vielleicht gewünscht hätten.

Bei den beiden war sehr schnell klar geworden, wie sie tickten. Bei unserem ersten Abendessen schon, da Tobi keinen Moment den Blick von seinem Freund lassen konnte. Da durften wir schon froh sein, wenn sie ihre Finger in unserer Gesellschaft bei sich behielten, was öfters mal in den Nächten nicht der Fall zu sein schien. Stegi und mich sollte das aber nicht stören, wir hatten beide nichts gegen Schwule, doch Tobi und Rafi beim Turteln und Liebäugeln zuzusehen, das war schon ein ganz eigenes Erlebnis!

Aber nein, wir beide hatten da ganz andere Liebesabenteuer in unserer Zeit in der Oberstufe. Nicht selten hatte mein Kumpel Freundinnen mitgebracht, die auch über Nacht blieben und sich am Vorabend von mir bekochen ließen. Da hatte ich kein Problem mit, auch wenn ich mir vielleicht wünschte, dass Stegi sich eine feste Freundin suchen sollte, als ständig zwischen One Night Stands zu wechseln. Ich hatte da eher weniger Glück mit den Frauen, aber irgendwann einmal hatte auch ich nach einer ausgiebigen Saufparty eine abschleppen können, die mir noch in der selben Nacht meine Jungfräulichkeit nahm. Aber auch sie blieb nicht ewig bei mir und letztendlich war ich froh, einen Kumpel zu haben wie Stegi, den ich mittlerweile so gut kannte, als wären wir damals schon im Sandkasten zusammen herumgetollt! Ihn hätte ich für keine Freundin der Welt missen wollen!

Als ich zu Weihnachten zu meiner Familie zurückfuhr, kam er mit mir und lernte meine Verwandtschaft kennen. Er stellte mir im Gegensatz dazu seine Clique vor, mit der er nach Essen gekommen war. Sie hatten sich früher bereits über das Internet kennengelernt und ihm dabei geholfen, unbemerkt aus Karlsruhe zu flüchten. Auch sie waren recht nett, aber bloß eine eher kurzzeitige Bekanntschaft, weil ich zu dieser Zeit beinahe schon täglich am Büffeln für die nahen Prüfungen war.

Die Uni war es dann schließlich, die uns auseinanderriss. Ich musste nach München, weil es nirgendwo anders in Deutschland eine Studiergelegenheit gab, die mich mit meinem Notendurchschnitt in den nächsten Jahren genommen hätte. Ich war nicht grausig schlecht gewesen oder durch das Abitur gerasselt, aber meine Leistungen hätten halt deutlich besser ausfallen können! Der Tag meiner Abreise war der schlimmste Tag in meinem bisherigen Leben gewesen.

"Tschüssi Timmi... Bitte ruf an, wenn du angekommen bist! Und schick Fotos aus deiner neuen Wohnung! Hoffentlich sind deine Mitbewohner dort nett!", wisperte Stegi mit dünner, zerbrechlicher Stimme und ich umarmte ihn zum gefühlt zwanzigsten Mal, seit wir auf der Türschwelle standen. Tobi hinter ihm hatte Tränen in den Augen und winkte mir, als ich endlich meinen Koffer anhob und langsam in Richtung Bahnhof zottelte. Nach gerademal dreißig Metern hörte ich hastige Schritte hinter mir und spürte, wie mein bester Freund mir weinend um den Hals fiel. "Bitte pass auf dich auf, Großer! Ich werd dich so schrecklich vermissen!"

"Es ist ja kein Abschied für immer, Dino! Ich komm dich in den nächsten Semesterferien besuchen, okay? Und vielleicht interessierst du dich ja auch noch für Betriebswirtschaft, dann kannst du in einem Jahr nachkommen!" Aber auch mir tat der Abschied natürlich weh. Wir würden uns ewig lange Zeit nicht wiedersehen und nur noch schreiben und telefonieren können, um voneinander zu hören! Aber andererseits musste ich jetzt meinen Zug erwischen und traurig trennte ich mich von Stegi. "Sei stark, okay?"

"U-hu!", schluchzte er und schlug zum Abschied mit mir ein in diesen speziellen Gruß, den wir beide uns vor so langer Zeit ausgedacht hatten und der uns für immer miteinander verbinden würde. Dann schulterte ich meinen Rucksack, schaute nochmal zurück zu Stegi und machte mich dann auf den Weg. Mit jedem Schritt tat es mir mehr leid, ihn jetzt alleine zu lassen. Aber Tobi würde schon ein Auge auf ihn haben und auf ihn Acht geben!

In München würde mein Leben nochmal von neuem beginnen. Die Ausschreibung für meine zukünftige Studentenwohnung war schon lange ausgefüllt, die Adresse im Handy eingespeichert. Den Weg zur Uni hatte ich bereits mit Google Maps verfolgt und mir eingeprägt und auch sonst war alles wie damals, als ich hier in Essen angekommen war. Nur würde ich in München niemals wieder einen so guten Freund wie Stegi treffen! Er war einzigartig auf dieser Welt, so einzigartig wie die lustige Geschichte darüber, wie wir uns kennengelernt hatten! Das konnte uns niemals jemand wegnehmen!

Garfield - Zwei Jungs, ein Kater und ein verworrenes Schicksal (#Stexpert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt