Eine quälend lange viertel Stunde danach konnte ich mir noch einreden, dass alles in Ordnung war. Vielleicht gab es ein Problem mit der Lieferung. Vielleicht hatte Stegi seinen Geldbeutel verlegt oder konnte den Preis für seine Pizza nicht passend herausgeben. Möglicherweise war der Bote ein Bekannter von der Uni und die beiden schwatzten noch ein wenig. Oder er hatte mich schlicht vergessen und mampfte grade schon vergnügt sein Abendessen.
An Essen war für mich nicht zu denken. Dass mein Freund die Nachricht nicht las oder mir antwortete, ließ meinen Magen und mein Herz immer stärker verkrampfen. "Stegi?", schrieb ich ihm geschlagene fünfundzwanzig Minuten später in der Hoffnung, dass er gleich drangehen und sich selbst einen Schussel nennen würde, bevor er dann mein Geständnis sah. Aber nichts passierte. Was war los?! Ich bekam Panik, obwohl das sicherlich unbegründet und dämlich von mir war, bestimmt gab es auch dafür eine logische Erklärung. Stegi hatte doch nur kurz zur Tür gewollt, was hielt ihn so lange davon ab, auf sein Handy zu gucken?
In meinem Brustkorb begann es immer schmerzlicher zu pochen, während ich mein Handy anstarrte, als könnte ich den Blonden so wie vorhin schon durch "Gedankenübertragung" erreichen.
Nochmal zehn Minuten später reichte es mir! Stegi musste etwas zugestoßen sein, das war für mich die einzig logische Erklärung! Fahrig suchte ich seine Nummer aus meinen Kontakten heraus und presste den grünen Button daneben. Es tutete und tutete, niemand ging ran, auch nicht nach dem noch so vielten Freizeichen. Dann sein Anrufbeantworter, dass Stegi zurzeit nicht erreichbar wäre und ich doch bitte eine Nachricht hinterlassen sollte. Mit einem ganz, ganz schwummrigen Gefühl legte ich auf, ohne ein Wort hervorgebracht zu haben. Machte ich mir immer noch sinnlos Sorgen? Oder war es das Beste, jetzt alles stehen und liegen zu lassen und auf allerschnellstem Wege zu Stegis Wohnung zu fahren? Oder noch besser, jemanden bitten, nach ihm zu sehen, der näher an ihm wohnte. Aber dummerweise fiel mir niemand ein. Ich hatte von keinem von Stegis neuem Bekanntenkreis die Handynummer! Warte, hatte Rafi damals nicht mal gesagt, er würde in seinem Beruf durch halb Deutschland kommen? Vielleicht hatte ich Glück und er war gerade irgendwo in Thüringen! Einen Versuch wars wert, um meine aufkeimende Panik zurückzudrängen!
Aber es war nicht Rafael, der meinen Anruf annahm, sondern Tobi: "Hey Tim, der Rafi ist grad beschäftigt, kann ich dir weiterhelfen?"
"Tobi, wo seid ihr grade? In der Nähe von Jena zufällig?", strudelten meine Worte über, kaum dass er fertig gesprochen hatte. Meine Dringlichkeit musste unüberhörbar sein, denn mein Gesprächspartner wirkte augenblicklich betroffen. "Jena? Denke nicht, wo liegt das nochmal?"
"In Thüringen... Tobi, ich hab Angst, dass Stegi etwas passiert ist! Könnt ihr mir bitte helfen? Bitte!"
Es knackte ein wenig in der Leitung, als der junge Mann scheinbar nach etwas suchte. "Tut mir leid, wir sind grade im Saarland, da können wir nichts machen. Hast du schonmal versucht, ihn anzurufen?"
"Ja hab ich!", erklärte ich verzweifelt, "Aber er geht nicht ran! Er reagiert auch nicht auf meine SMS! Tobi, was soll ich denn machen, wenn er-"
"Tim!" Er war laut und streng geworden und unterbrach mich augenblicklich. Das Knacken hörte auf, offenbar hatte er gefunden, was er suchte. "Versuch ruhig zu bleiben! Ich weiß dass das schwer ist, aber vollkommen panisch zu werden hilft ihm und uns jetzt auch nichts! Gib mir eine Minute und ich versuch selbst nochmal, Stegi anzurufen, okay? Glaub mir, es wird alles gut werden!"
"Okay", piepste ich noch, dann ließ ich mich auf die Couch fallen, vor die mich meine Beine in der Anspannung und Hektik von alleine getragen hatten, und kringelte mich auf ihr zusammen. Eine Hand krallte ich weiterhin in meine Handyhülle knapp vor meinem Ohr, die andere hob ich vor meinen Mund, damit ich nicht anfangen konnte, zu weinen oder zu schluchzen. Ich weiß nicht, woher meine plötzliche Furcht kam und wieso sie trotz Tobis mahnender Worte so rasant weiter anwuchs. Nervös biss ich mir auf den zur Faust geballten Zeigefinger und wartete, bis mein Kumpel auf seinem eigenen Handy Stegis Nummer gefunden hatte und mir bestätigte, dass er ihn jetzt anrief. Bitte... Bitte Dino, geh ran!
"Tim!", meldete sich Tobi früher als erwartet und ich horchte auf. "Ist er dran?!"
"Nein, aber er hat sein Handy ausgeschalten. Du hast gesagt, er geht nicht ran, das heißt, er muss es warum auch immer erst vor kurzem gemacht haben. Siehst du Tim, es ist alles gut, er braucht nur Zeit für sich und-"
Ich drückte den Anruf weg. Sollte Tobi jetzt von mir denken, was er wollte, aber für mich wurde langsam klar, was hinter allem steckte. Stegi hatte meine Nachricht sehr wohl gelesen und war zu feige oder zu wütend auf mich, um es mir zu zeigen oder zu antworten. Mein Anruf musste ihn aufgeschreckt haben und anstatt zu reagieren, hatte er gewartet und musste sein Handy sofort danach abgeschalten haben. Jetzt ging es nicht mehr anders, zuerst floss eine einzelne Träne, dann drängte sich ein Schluchzen meinen Hals empor. Welche Variante davon auch immer stimmte, beide bedeuteten, dass Stegi mich nicht verstand und es nicht mit mir klären wollte. Dass meine Gefühle für ihn unsere Freundschaft erheblich geschädigt und eventuell sogar zerstört hatten. Während ich nun hemmungslos weinte, kam in mir der Drang auf, mich für meine Dummheit zu verletzen! Meinen Kopf vor die Wand zu schlagen dafür, dass ich so egoistisch und blöd gewesen war von ihm Verständnis zu erwarten für eine Sache, die ich mir selbst nach unserem letzten Treffen so übel genommen hatte.
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Garfield - Zwei Jungs, ein Kater und ein verworrenes Schicksal (#Stexpert)
FanfictionTims und Stegis Wege sind durch das Schicksal fest miteinander verwoben. Aus einer flüchtigen Bekanntschaft wird schnell eine Freundschaft und für Tim vielleicht sogar noch mehr. Doch bevor er Stegi seine Gefühle gestehen kann, wendet sich das Blatt...