Der Kleine wurde immer müder und schwächer in meinen Armen, während ich durch München rannte auf der verzweifelten Suche nach einem Tierarzt. Eine freundliche Passantin half mir weiter, ein Mann zeigte mir fünf Minuten später nochmals die grobe Richtung an. Hier irgendwo müsste es jetzt sein und das Maunzen war zu einem jämmerlichen Klang verstummt, der so leise und dünn war, dass es mir das Herz brach! Da, da war das Aushängeschild und mit rasendem Puls riss ich die Tür auf.
Das Wartezimmer war hoffnungslos überfüllt. Ältere Herren mit ihren Hunden, Mütter mit ihren Kindern und deren Haustieren, dazwischen Vögel, ein Teacup-Schweinchen und Katzen in ihren Transportboxen. Die Lautstärke war beinahe unerträglich.
An der Rezeption wurde ich unfreundlich begrüßt, als ich mich unter tausend Entschuldigungen an den Anfang der Schlange vorquetschte, doch sobald ich den winzigen Kater vorzeigte, der sich kaum noch rührte, rief die Frau sofort nach einem Arzt, der mich im nächsten Augenblick auch schon in ein kleines Behandlungszimmer brachte. "Der Kleine ist stark unterernährt, er braucht Wärme, Vitamine und ein Flohbad... Sagen Sie, ist das Ihr Kater?" Ich verneinte dem Doktor. "Er ist mir eben erst zugelaufen. Hat er denn überhaupt eine Chance, durchzukommen?", fragte ich bekümmert. Ein Nicken, zum Glück! "Überleben wird er die Behandlung, die Medikamente sind nicht gefährlich oder schädlich für ihn. Aber in dem Alter sind Katzen für gewöhnlich noch auf ihre Mutter angewiesen. Haben Sie sie zufällig in der Umgebung gesehen?" Ich verneinte. Weit und breit nicht die Spur von anderen Katzen, auch keinen anderen Jungen. Der Mann im Kittel brummelte etwas vor sich hin, während er das Findelkind unter eine Wärmelampe setzte und dann ganz vorsichtig damit begann, seine verklebten Augen und Ohren zu reinigen. Besorgt sah ich zu. Der Kater versuchte sich andauernd aus dem Griff um seinen Hals und Rücken zu befreien, maunzte und hob seine Pfötchen, die jedoch weit davon entfernt waren, den Doktor zu treffen, geschweige denn stark genug zuzuschlagen, um sich zu retten. Er war so niedlich...
Als nächstes kam ein Bad, dazu konnten wir ihn aber unmöglich in die riesige, eigentlich für Hunde und ausgewachsene Katzen gedachte Wanne setzen, sondern mussten es in dem kleinen Desinfektionsbecken machen, in das streng genommen keine Tiere gehörten. Zwei Runden bekam das Fell verpasst, einmal Shampoo gegen den Schmutz und die Knötchen in seinem Pelz, danach ein hellgraues Pulver von dem mir versichert wurde, dass es Haarlinge, Milben und Flöhe vertrieb. Unwillkürlich kratzte ich mich am Kopf und fragte mich, ob schon welche auf mich übergesprungen sein könnten, aber der Arzt schmunzelte und meinte, dass Katzenflöhe selten auf Menschen übersprangen und das Risiko bei mir zum Glück gering sei.
Nach der ganzen Prozedur wickelten wir den kleinen Kater in ein Handtuch ein und trockneten ihn, dann kamen noch die Vitaminspritzen und zum Schluss ein Microchip. Da war ich besonders skeptisch, aber angeblich schadete auch das bei jungen Katzen nicht und würde helfen, ihn wiederzufinden, sollte er mir davonlaufen. Fast alle Haustiere waren gechippt und endlich ließ ich mich überreden. "Wie hießen Sie nochmal?"
"Tim Bau", antwortete ich.
"Adresse?"
Auch die gab ich ihm bereitwillig. "Und wie soll der kleine Racker ab jetzt heißen?"
Fast hätte ich einfach drauflos geplappert, welcher Name mir als erster in den Sinn kam. Es gab nur einen, der in Frage kam. Aber ich wehrte mich heftig. Dieses Kapitel musste jetzt vorbei sein und ich würde einer Katze nicht einfach einen Namen anhängen, den ich noch bereuen könnte. "Er soll Garfield heißen!", sagte ich stattdessen und sah dann unsicher zu, wie mein winziger neuer Freund gechippt wurde. Er maunzte wieder protestierend und versuchte, dem Handtuch zu entkommen, obwohl er noch immer nass war und fror. Schnell legte ich es wieder um seinen kompletten Körper und schlang meine Arme um das Bündel, um den Prozess zu beschleunigen.
"Haben Sie andere Haustiere? Bevorzugt Katzen, aber auch sonstiges?", fragte der Doktor, nachdem die Registrierung von Garfield abgeschlossen war. "Nein, gar nichts."
"Dann müssen Sie in die Rolle der Mutter für den Kleinen springen. Er muss noch ein ganzes Weilchen mit der Flasche aufgezogen werden, bevor er feste Nahrung zu sich nehmen kann, und auch sonst müssen Sie ihn beschäftigen, sein Fell pflegen und mit ihm spielen, bis er alt genug ist. Wenn Ihnen das zu viel ist, kann ich Ihnen gerne noch den Kontakt zu einer Tierpflegestation geben, sozusagen einem Kindergarten für Hunde und Katzen. Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Glück und Freude mit Ihrem Kater!" Dann kamen die Kosten für die ganzen Mühen und sie fühlten sich wie ein Schlag in die Magengrube an. So viel hatte ich in den letzten drei Jahren nicht einmal für meine eigene Gesundheit ausgegeben! Doch Zögern und Feilschen würde nichts helfen, also gab ich zähneknirschend das Geld für meine nächsten Mieten weg und nahm dann den getrockneten, gewärmten und wieder gesunden Garfield an mich. Wenigstens ging es ihm davon spürbar besser...
Doch das hieß auch, dass er mit einem Mal sehr viel agiler war als zuvor und nicht vor waghalsigen Versuchen zögerte, um sich noch tiefer in meinen Jackenausschnitt zu verkriechen. Mehrmals wäre er mir fast heruntergefallen, hätte ich ihn nicht im letzten Moment aufgefangen. Ich erwischte mich selbst dabei, wie ich zu lächeln begann. Garfield war echt ein wunderschöner kleiner Kater und obwohl er bis auf seine Fellfarbe nichts mit der ikonischen Comicfigur zu tun hatte, war ich im Nachhinein glücklich darüber, ihn so und nicht anders genannt zu haben.
Auf dem Heimweg überlegte ich, ob ich noch Milch Zuhause hatte. Kuhmilch musste reichen und war meines Wissens nach auch für andere Jungtiere gut verträglich. Die Nuckelflasche und Vitamintropfen zum Dazumischen hatte man mir in der Klinik aus Rücksicht geschenkt und in Gedanken spielte ich das ganze Szenario bereits durch. Hoffentlich würde es nicht schwieriger, als ein Menschenbaby zu füttern, da hatte ich Mama ab und zu zugesehen, als Joni und Christoph schon ein wenig älter gewesen waren. Selber hatte ich mich nicht an die Flasche getraut damals, jetzt musste ich es tun und seltsamerweise freute ich mich sogar schon ein wenig darauf!
Meine Wohnung wirkte bedrückend, als ich eintrat und Garfield erst einmal auf dem niedrigen Schuhschrank absetzte, damit ich mich umziehen konnte. Es war irgendwie dunkel und kalt, das Resultat von drei Tagen ohne eine Menschenseele, die hier gewesen war. Aber jetzt würde sie wieder zwei Bewohner haben, Tim und Garfield, den Kater!
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Hab die Geschichte fertig geschrieben, das heißt, ich werde ab jetzt regelmäßigere Uploads versuchen! Nur am Montag und in der Zeit vom 25. - 28.12. wird sicher nichts kommen. Ansonsten würde ich täglich ein Kapitel anpeilen :)
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Garfield - Zwei Jungs, ein Kater und ein verworrenes Schicksal (#Stexpert)
FanfictionTims und Stegis Wege sind durch das Schicksal fest miteinander verwoben. Aus einer flüchtigen Bekanntschaft wird schnell eine Freundschaft und für Tim vielleicht sogar noch mehr. Doch bevor er Stegi seine Gefühle gestehen kann, wendet sich das Blatt...