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Schlaftrunken fuhr ich hoch, als das schrillende Geräusch an meine Ohren drang, und brauchte ein wenig, bis ich ganz zu mir fand. Ohje, war es wirklich schon wieder Morgen? Ich fühlte mich ganz und gar nicht ausgeruht... Nur noch fünf Minuten länger schlafen, dann vielleicht! Aber da ich von mir selbst wusste, dass diese fünf Minuten eine Lüge waren, schüttelte ich ein paar Mal meinen Kopf, um mich so wach zu bekommen und stand seufzend auf.

Garfield kam mir heute nicht wie sonst entgegen, als ich die Küche ansteuerte, aber ich machte mir keine Gedanken. Vielleicht schlief er noch oder putzte sich gerade. Normale Katzen verbrachten mehr als die Hälfte des Tages damit und ich gönnte es meinem Kater, auch ab und zu ein wenig normal zu sein. Also bereitete ich für uns beide einfach schonmal das Frühstück vor, stellte meins auf den Küchentisch und trug seins in die Stube. "Guten Morgen Garf-", fing ich sanft zu flüstern an und unterbrach mich abrupt, als ich zu seinem Körbchen sah. Da lag nicht Garfield. Da lag jemand anderes. Jemand schmerzlich vertrautes.

Der Futternapf entglitt meiner Hand und schlug klappernd und rasselnd auf dem Holzboden auf und verteilte seinen Inhalt in alle Richtungen, und auch ich stürzte vor lauter Überwältigung auf meine Knie. Nein... Wie...? D-das ergab keinen Sinn! Vorsichtig robbte ich näher zu dem Katzenkorb und als ich nah genug war, hob ich ungläubig den schlafenden Jungen unter den Armen hoch und hielt ihn vor mich in die Luft. Es war kein Traum, wie ich vielleicht zuerst geglaubt hatte...

Es war Stegi, aber zugleich auch nicht wirklich. Er war geschrumpft und maß jetzt wenn überhaupt höchstens noch einen Meter! Und mindestens genauso auffällig, er hatte sich-, k-keine Ahnung wie ich das beschreiben sollte, -verwandelt? Mitten aus seinen blonden Haaren lugte ein Paar oranger Katzenohren heraus! Und einen flauschigen, langhaarigen und ebenfalls orangen Schweif hatte er auch, der gerade regungslos und schlaff herunter hing. Insgesamt wirkte er gerade wie eine extrem lebensechte Puppe, aber er atmete und war sehr warm. Wie war das passiert und... und wie war er hierher gekommen? Ich verstand es nicht und auch mein Kopf konnte nicht begreifen, was ich hier vor mir eigentlich genau sah. Es fühlte sich erschreckend unecht an und insgeheim wartete ich auf das Zeichen, dass mich jemand die ganze Zeit an der Nase herumgeführt hatte. Wie diese Leute von der einen Fernsehsendung. Vielleicht hatten sie sich irgendwie Einlass in meine Wohnung verschafft und überall Kameras angebracht, die man mir gleich lachend und voller Enthusiasmus zeigen würde. Aber nichts dergleichen geschah.

Dafür ging plötzlich ein Ruck der Anspannung durch den kleinen Körper und mit einem lauten Gähnen blinzelte Stegi. Als er mich erkannte, begannen seine Augen zu leuchten. "Timmiii!", rief er glücklich, schaffte es irgendwie, aus meinen Händen zu schlüpfen und warf sich mir um den Hals. Ich brauchte noch kurz, dann umarmte ich ihn auch, kräftig und glücklich. Hatte er seine Nachricht zu Weihnachten gar nicht ernst gemeint? Aber wieso hatte er sie dann geschrieben? Und warum sah er jetzt aus wie eine Katze? Genauer gesagt, exakt so wie Garfield! Er.. die beiden waren doch nicht etwa...?

"Wie schön dass du da bist! Ich hab dich vermisst, Großer! A-aber wo sind wir eigentlich? Ist das deine Wohnung?" Ich nickte nur, zu überwältigt, um ihm zu antworten. "Wie bin ich denn dann hierher gekommen?", fragte er vollkommen verwirrt.

"D-das wollte ich eigentlich dich fragen... D-du warst s-so lange weg u-und ich hatte schon gedacht, d-du wärst... entführt worden! O-oder..." Ich konnte nicht weiter sprechen. Ein riesiger Kloß in meinem Hals hinderte mich daran. Stegi löste sich von mir. "Lange weg? Ach komm, das waren doch höchstens drei Wochen, die wir uns nicht gesehen hatten! Und nein, niemand hat mich entführt, Dummerchen!"

"Keine drei Wochen. Über drei Monate...", korrigierte ich ihn tonlos. Stellte er sich gerade nur dumm und unwissend? Oder hatte er tatsächlich keine Ahnung, wie viel Zeit verstrichen war? Angst stieg in Stegis ungewöhnlich große, runde Augen. "Nein, nur drei Wochen Timmi! Heute ist doch der elfte Dezember, richtig?"

Er wusste es wirklich nicht. Er glaubte, seit unserem letzten Gespräch wäre nur ein Tag vergangen. Tränen stiegen in meine Augen, während ich meinen Kopf heftig schüttelte: "Nein Stegi. G-gestern war dein Geburtstag. Du warst Ewigkeiten weg und ich wusste nicht, wo du bist und wieso du nicht mehr mit mir redest... Ich hatte geglaubt, dass du mich hasst..." Jetzt weinte ich wirklich. Und Stegi mit mir. "Es tut mir so leid, Timmi!", wimmerte er immer wieder, "Ich weiß nicht, was in der Zeit passiert ist! Aber das wollte ich nicht!"

Es dauerte, bis wir beide uns wieder beruhigt hatten. "Jetzt bist du ja wieder da...", murmelte ich leise. Stegi nickte gegen meine Schulter: "Aber wieso hattest du geglaubt, ich würde dich hassen? Ich würde dich niemals hassen, was auch immer passiert, das weißt du doch!" Ja, das hatte ich auch geglaubt, bis ich seine Nachricht bekommen hatte, in der er sogar wortwörtlich gesagt hatte, dass er mir nie verzeihen könnte... Aber wenn Stegi mich gerade nicht anschwindelte, dann stammte die vielleicht gar nicht von ihm! Doch wer hatte dann sein Handy an sich genommen und mir das geschrieben? Ausgerechnet die SMS, wegen der ich mich um ein Haar umgebracht hätte...!

"Timmi? Mir wird ganz kalt...", murmelte Stegi plötzlich und ich erstarrte. Vorhin hatte mich das gar nicht interessiert, da ich von anderen Sachen abgelenkt gewesen war, aber ich sollte ihm jetzt gegenüber ehrlich sein, damit er sich nicht noch schlimmer blamierte! Denn es gab da ein Problemchen: "Stegi, das liegt daran, dass du... dass du nackt bist...! Du hast nichts an, wieso auch immer."

"Was?!", schnappte er. Wie verwirrend sich das alles für ihn anfühlen musste, konnte ich mir nur vorstellen. "Wieso das denn?! O-oh Gott, du hast mich nackt gesehen! Warum hast du nicht-? ...K-kann ich vielleicht was zum Anziehen von dir haben?"

"Ich hab aber wahrscheinlich nichts da, was dir passen könnte", stotterte ich und hoffte, dass mein Freund das nicht falsch auffasste. Aber für ein einen Meter großes "Kind" hatte ich halt wirklich keine Kleidung im Schrank, erst recht keine Hose, die ihm nicht sofort wieder von den Hüften rutschen würde oder die ihm die Möglichkeit gab, seinen Schweif noch frei bewegen zu können. "Ich brauch aber dringend etwas, bitte! Auch wenns ein wenig schlappert, aber ich kann hier doch nicht völlig entblößt herumrennen!"

Stimmte auch wieder. Aber als ich aufstand, Stegi noch immer fest an mich gedrückt, damit er sich nicht vor mir genieren musste, entfuhr ihm ein lauter, erschrockener Aufschrei, der fast noch dafür sorgte, dass ich ihn fallen ließ. "M-moment mal! Warum ist jetzt alles so riesig geworden?! Was ist hier los Tim?" D-das wusste er auch nicht? Ich war davon ausgegangen, dass er mittlerweile wenigstens von seiner geminderten Körpergröße wusste! Oder von seinen neuen... Katzenproportionen. Doch als er durch sein Zappeln zum ersten Mal seinen Schweif bemerkte, war alles zu spät. "W-w-was ist das?! Mach das bitte weg Tim!!" Er begann hysterisch zu schreien und mich durchfuhr stechender Schmerz an meinem Rücken, den ich von Garfield als das Ausfahren seiner Krallen identifizierte. Stegi hatte jetzt auch Krallen? Schhh... und sie schienen sogar noch schärfer geworden zu sein!

"H-hey, alles ist gut Stegi, alles ist gut! Wir kriegen das wieder hin, versprochen!", zischte ich zwischen meinen Zähnen hervor und steuerte die Wohnzimmercouch an, auf der ich mich mit dem jetzt vollkommen aufgelösten und verschreckten Jungen niederließ. Es schien, als hätten wir beide einander noch eine Menge zu erklären...

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Na, wie viele hatten mit ihrer Theorie recht? ;) War aber auch nicht allzu knifflig, oder?

Und wie glaubt ihr wird es jetzt weitergehen? Kann Stegi "geheilt" werden oder muss er für immer ein Neko bleiben? Und kann Tim ihn nach all der Zeit und trotz seines Aussehens noch lieben?

Garfield - Zwei Jungs, ein Kater und ein verworrenes Schicksal (#Stexpert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt