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Bis zuletzt hatte ich trotz Stegis Verschwinden daran festgeklammert, ihn an Weihnachten wiedersehen zu können. Es war ein idiotischer Gedanke und sicherlich vergebens, aber es war etwas, an dem ich mich orientieren konnte und das meine düsteren Sorgen wenigstens kurzzeitig vertrieb. Jeden Tag hatte ich ihm eine Nachricht geschickt mit dem stillen Wunsch, er würde sein Handy einschalten und sehen, dass ich die Hoffnung niemals aufgeben würde, egal bis an welches Ende der Welt er verschwand! Sollten es eventuelle Kidnapper sehen, wussten sie, dass sie meinen Dino nicht einfach entführen konnten, ohne Aufmerksamkeit erregt zu haben! Diese fixe Idee wurde mit jedem Tag stärker und ergriff immer häufiger meine ganze Aufmerksamkeit und Konzentration, es war sogar schon so schlimm, dass ich kaum noch mit dem Stoff der Uni mitkam.

Chrissy hatte mich manisch genannt, als ich ihr davon erzählt hatte. Sie glaubte, ich würde da bloß einer Illusion nachjagen und solle mich stattdessen lieber auf meine Ausbildung konzentrieren. Und auch ich spürte, dass mich Stegis Abwesenheit veränderte. Ich aß immer weniger, schlief weniger, wurde jeden Tag nervöser und paranoider. Erst gestern hatte ich gedacht, dass mich jemand auf dem Weg vom Lehrgebäude bis nach Hause verfolgt hätte, aber wann immer ich mich umgedreht hatte, war da niemand gewesen und das Gefühl war so schnell wieder verschwunden, wie es gekommen war.

Nach Chrissys Abreise vor einer Woche war das alles noch schlimmer geworden. Sie hatte immer noch ein wenig auf mich aufgepasst, dass ich ihr nicht verhungerte und auch nicht die Uni schmiss. "Bitte pass auf dich auf! Ich bin immer da, wenn du Hilfe brauchst, du musst es mir nur sagen!", hatte sie mir zum Abschied versprochen, doch hinter ihrem Rücken hatte mich ihr Freund unablässig aus dem Auto heraus beobachtet mit solch einem Grabesblick, dass ich mir das mit der Hilfe lieber zweimal überlegen wollte. "Danke Chrissy!", hatte ich noch leise und geschlagen gemurmelt, dann war sie zu dem braun gebrannten, jungen Mann eingestiegen und gefahren.

Seit diesen sechs Tagen war nichts mehr okay. Ich war nur noch vom frühen Morgen bis zum späten Abend durch München geirrt, ohne Sinn und Verstand einfach nur einem Weg nach, den ich spontan an jeder Kreuzung neu entschied. Dabei schaute ich andauernd wie gehetzt um mich, sah Männer die mir folgten und sich auf den zweiten Blick als Hirngespinste entpuppten, glaubte von allen Seiten beobachtet zu werden und viel hätte bestimmt auch nicht mehr gefehlt, damit ich angefangen hätte, mit mir selbst zu reden. Am 22. dann wartete ich sogar stundenlang auf dem Bahnhof, obwohl es ja doch sinnlos war. Wann immer ein Zug aus der groben Richtung von Jena einfuhr, ging ich los von Tür zu Tür, beobachtete die Menge, hielt Ausschau nach den herausströmenden Leuten und lugte sogar in die Fenster nach drinnen. Anschließend drehte ich noch mindestens zwei Runden durch die große Eingangshalle und kehrte dann zu meinem Ausgangsort zurück. Die ganze Zeit in der stillen Hoffnung, den blonden Haarschopf zu entdecken, der mir zeigte, dass es Stegi nicht egal war, dass er mir verzieh und wieder bei mir war, an meiner Seite, in meinen Armen, mein Dino, mein Sonnenschein! Dass er zurück kam und mein gebrochenes Herz zusammenfügte und heilte...!

Jemand rempelte mich an, als ich gerade so vollkommen abwesend in meinen Gedanken war, und rief mir wütend "Pass doch auf!" nach. "Tschuldigung", murmelte ich viel zu leise und erstarrte, als ich demjenigen nachsah. Nein, an dem Kerl selbst war nichts besonderes, aber in der Menge hinter ihm stand jemand, der mich beobachtete. Diesmal täuschte ich mich nicht und der Mann ging auch nicht durch blinzeln weg! Doch als er bemerkte, dass ich ihn dabei erwischt hatte, tauchte er hastig zwischen seinen Mitmenschen unter, bevor ich ihm folgen konnte.

Mit einem Schlag wurde mir eiskalt. Ich hatte Recht gehabt... Zwar wusste ich selbst nicht, mit wie vielen Sachen ich damit auch noch Recht hatte, aber plötzlich fühlte sich wieder alles möglich an! Vielleicht waren das ja Stegis Entführer und sie bespitzelten mich schon eine ganz lange Zeit! Seit ich meine Suche nach ihm angefangen hatte! Ich war gefährlich für sie, weil ich zu viel wusste oder zumindest glaubte zu wissen! Ob sie mich jetzt nur überwachten? Oder suchten sie bereits nach einer Möglichkeit, um mich neugierige Seele unbemerkt unschädlich zu machen und zu beseitigen?!

Garfield - Zwei Jungs, ein Kater und ein verworrenes Schicksal (#Stexpert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt