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"Ich bin also in einem Paket zu dir gekommen?", wiederholte Stegi meine Aussage nachdenklich. Ich nickte kurz und hoffte, dass er es durch den Spalt im Stoff gesehen hatte. Sonst hätte man mich bestimmt leicht für einen Irren halten können, wie ich Selbstgespräche führte und immer wieder den etwas unbequemen Reiserucksack neu schulterte.

Eine andere Lösung war mir einfach nicht eingefallen, um Stegi unbemerkt in die Stadt mitzuschleusen. Schon der Nachbar hatte seltsam geguckt, als ich mich eben im Flur unangenehm berührt an ihm vorbei gedrückt und ihn und seinen Besuch flüchtig gegrüßt hatte. Man sah mich halt sehr viel öfter mit einer Tasche herumlaufen, anstelle eines Rucksacks.

"Ja, ich denke schon. Und irgendwie hast du dich daraus befreien können und bist dann durch das Badfenster ins Haus gekommen. Deswegen muss Garfield auch so durchgedreht sein, bestimmt hat er versucht, deinen Geruch von seinem Territorium zu kriegen. Auch wenn er sich dabei denkbar ungeschickt angestellt hat."

Stegi schwieg eine Weile, bevor er wieder auf sich aufmerksam machte. "Nein, das löst leider nichts bei mir aus. Ich erinnere mich nicht daran. Obwohl, als du das eben gesagt hast, hatte ich ein ziemlich beklommenes Gefühl... Es könnte also gut stimmen!"

"Zu ärgerlich, dass ich nicht sofort nachgeschaut habe, wer der Absender war...", grummelte ich. Wahrscheinlich hatte aber sowieso nichts darauf gestanden. Der- oder diejenigen waren bestimmt nicht dumm. Nur war das bereits das zweite Beweismittel, das auf mysteriöse Art und Weise verschwand. Zuerst Stegis angeblicher Abschiedsbrief und jetzt das. In der Hinsicht schien es das Schicksal echt nicht gut mit mir zu meinen.

Endlich waren wir in der Innenstadt angekommen und Stegi wurde unruhig in meinem Rucksack. "Gleich kannst du raus, aber bis dahin musst du mucksmäuschenstill sein, okay?", raunte ich ihm zu und spürte, wie er sofort mit Zappeln aufhörte. Sehr gut! Das erleichterte das ganze ungemein! Zwar schaute mich die Verkäuferin ein wenig skeptisch an, als ich das Kleidergeschäft betrat, aber sie sagte nichts unhöfliches und verlangte auch nicht, dass ich mein Gepäck aus Sicherheitsgründen abnahm. Und selbst wenn die junge Frau Zweifel haben sollte, der Laden war videoüberwacht und ich hatte ja nicht vor, etwas zu stehlen! Vielmehr war ich seit meiner Pleite zu Weihnachten sehr fleißig gewesen und hatte mir ein kleines Vermögen zusammengespart. Tja, dann musste der Traum vom eigenen Auto halt noch ein kleines Stück länger warten.

"Stegi? Weißt du ungefähr deine jetzige Größe?", flüsterte ich und bekam "Verdammt winzig" als Antwort. "Sehr hilfreich!"

"Einen Meter höchstens, nehm einfach mal ein paar verschiedene Sachen mit, 98 oder 104, denke ich. Wenns dir zu peinlich wird, können wir ja den Laden wechseln!", raunte er mir jetzt Anweisungen zu. Nagut, er war der Chef, er war schließlich auch der Shopping-Begeisterte von uns beiden. Ich trug wenn dann nur immer die Taschen.

"Kann ich Ihnen helfen?", sprach mich plötzlich eine Bedienung von der Seite an. Hoffentlich hatte sie uns eben nicht gehört, schoss es mir durch den Kopf, aber ich lächelte sie an: "Ja, wo gibt es hier denn Jungenkleidung?"

"Ahhm, da drüben der Herr! Suchen Sie denn etwas bestimmtes?"

"I-ich meinte Kleinkinder", stotterte ich, nachdem ich ihrem Wink mit meinem Blick gefolgt war. Sie hatte mich offenbar in die Herrenabteilung schicken wollen. Schnell korrigierte sie sich. "Achso, natürlich, die ist gleich hier geradeaus! Wie groß soll es denn sein?"

"Ich guck einfach mal selbst rum, aber Dankeschön! Ich ruf, wenn ich Hilfe brauche!", versuchte ich sie abzuwimmeln, um einer weiteren peinlichen Situation zu entgehen. Mit einem Lächeln nickte die Verkäuferin und wuselte auch schon davon zum nächsten Kunden. Mir gefiel so eine Belagerung ja eigentlich gar nicht...

"Na los Tim! Mal schauen ob die was cooles für mich haben!", drängte mich jetzt Stegi aufgeregt und kopfschüttelnd folgte ich der vagen Beschreibung der Bedienung eben.

Die Auswahl war ernüchternd. Das meiste war ganz augenscheinlich zu klein und das, was meinem Freund eventuell passen könnte, war entweder kindlich blau und weiß quergestreift oder hatte kitschige Motive wie einen Oktopus oder einen Anker auf die Brust genäht. Nicht einmal etwas annähernd cooles gab es hier. Wirklich überzeugen taten mich nur ein Dreierset Hosen, die schön warm halten sollten und so weit ausfielen, dass sicherlich irgendwo auch noch Platz für Stegis Katzenschweif bleiben sollte, wenn wir mal ausgehen wollten. Also schnappte ich mir die gleich, zusammen mit Unterwäsche, einem Paar schwarzer, simpler Schnürschuhe und dem einzigen einfarbigen Pullover, den ich finden konnte, und schleppte alles zu den geräumigen Umkleiden, damit Stegi ungestört mitsprechen konnte und eine Chance hatte, alles auch selbst anzuprobieren.

Er war ganz aus dem Häuschen, als ich ihm die Ausbeute zeigte. Begeistert zog er alles einmal an, drehte sich demonstrativ im Kreis und lächelte mich zuckersüß an. "Die Hosen sind klasse! Kann ich die bitte haben?", bettelte er mit großen Augen.

"Natürlich, wie gefällt dir das Shirt? Es ist nicht teuer, das wäre also kein Problem, aber ich würde auf jeden Fall auch noch weitergucken wollen, ob es woanders noch schönere gibt!"

"Hmmm, ich würde es nehmen! Und die Schuhe bitte auch!", meinte er und zwei Minuten später waren die Sachen auch schon bezahlt. Stegi konnte es gar nicht mehr abwarten, bis wir im nächsten Laden angelangt waren und er sich richtig anziehen durfte, und zappelte deshalb im Rucksack auf und nieder. Hach ja, mein kleiner Dino konnte schon echt putzig sein!

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Das war für die nächsten drei Tage vorerst das letzte Kapitel. Früher kann ich leider nicht mehr an den Computer, aber danach geht es auf jeden Fall regulär weiter! :)

Garfield - Zwei Jungs, ein Kater und ein verworrenes Schicksal (#Stexpert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt