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Die Ratlosigkeit wurde plötzlich von einem Miauen unterbrochen, dann steckte Garfield sein grantiges Gesicht ins Wohnzimmer. So guckte er immer, wenn ihn jemand beim Schlafen gestört hatte, also schien unsere hitzige Diskussion von eben ziemlich laut gewesen zu sein. Sobald er jedoch die beiden Stegis erblickte, schlug er sich scheinbar fassungslos seine Pfoten auf die Ohren und begann, seltsame Geräusche von sich zu geben. Er war genauso verwirrt wie wir. Aber Leo musste das Erscheinen des Katers ein noch größeres Rätsel aufgeben. "Hä?! Wie kommt Bastet hier her?", fragte er geschockt, stand auf und ging los, um Garfield zu uns zu holen. "Bastet? Da musst du jemanden verwechseln, das ist Garfield", warf ich ein. Wer war denn jetzt schon wieder Bastet und warum war das so schockierend für Leo?

Der orangene Flauschball schnupperte in die Richtung des fremden Nekos und ich war der festen Überzeugung, dass er mit Fauchen und Kratzen reagieren würde wie schon auf Stegi damals. Aber ich täuschte mich, er begann zu schnurren, sich an ihm zu reiben und ließ sich dann auch bereitwillig von ihm hochheben. Ich verstand die Welt nicht mehr...

"Garfield sagst du? Hmm, das ist seltsam... Sag mal Tim, hast du je irgendetwas bemerkt, dass er sich von anderen Katzen unterscheidet? Dass er sehr clever ist, zum Beispiel?"

Woher wusste er das schon wieder?! "J-ja, ist er wirklich...", stammelte ich irgendwann, "Er versteht unsere Sprache und kann uns auf seine Weise auch antworten. Aber warum nennst du ihn Bastet? Ist das nicht eine ägyptische Gottheit?", fragte ich nach. Leo ließ sich mit seiner Antwort lange Zeit und musterte Garfield, der den Kopf schiefgelegt hatte und ihn aufmerksam beobachtete und dann spielerisch anblinzelte. "Ja, Bastet ist die ägyptische Katzengöttin. Alle Spenderkatzen hatten solche historisch angehauchten Namen. Als sie Bastet in einem Tierheim gefunden haben, erwartete sie gerade eigenen Nachwuchs, was die Forscher aber nicht von ihren Experimenten abgehalten hat. Sie wollten menschlichen Verstand, Stegis Verstand, in eine Katze transferieren und wenn ich richtig liege, ist das Ergebnis davon Garfield hier. Seine Geschwister sind noch bei der Geburt verstorben und er muss einen Weg aus den Laboren gefunden haben. Aber Bastet war nicht nur seine Mutter, sondern so gesehen auch die von Sieben. Die Kätzin war das Spendertier für ihn. Aber... wie kann es nur so viele Zufälle auf einmal geben...?!"

Ja, die Frage hatte ich mir in letzter Zeit öfter gestellt. Doch dadurch machte plötzlich auch alles sehr viel mehr Sinn. Dass ich Garfield ganz alleine gefunden hatte, dass er beinahe augenblicklich eine so große Zuneigung zu mir aufgebaut hatte, seine Eifersucht, sein Musikgeschmack und letztendlich seine Abneigung gegen den Neko, der so viele tierische Ähnlichkeiten mit seiner Mutter aufweisen musste, aber eindeutig nicht sie war. Er tat mir auf einmal so leid, vor allem durch die Tatsache, dass auch in ihm ein Teil von Stegi schlummerte. Ich wüsste nicht, ob ich an seiner Stelle die Position als fünftes Rad am Wagen so gut ertragen hätte wie er.

"Können wir für Garfield etwas tun? Werden Bastet und die anderen noch immer dort festgehalten?", wollte ich wissen, aber Leo schüttelte entschieden den Kopf. "Nein, deswegen hatte ich mich auch so erschrocken. Bastet ist tot, sie hat die Geburt von Sieben nicht überstanden. Das hat keine der Katzen. Aber wozu auch, man kann sich ja immer neue Tiere vom Heim holen und dann noch als Held dastehen, wie tierlieb man doch ist, ihnen allen ein neues Zuhause zu schenken, nicht wahr?" Seine Nase kräuselte sich angewidert, aber der Hohn in seiner Stimme hielt sich überraschend stark in Grenzen. Dafür stieg in mir eine weitere Welle der Wut und der Abscheu auf. Was auch immer es brauchte, ich würde diese Schweine aufhalten, bevor sie mit ihren Experimenten noch weitere Leben so zerstörten, wie sie es bisher getan hatten!

Stegi murmelte etwas und als ich zu ihm hinüber schaute, sah ich, dass er eingeschlafen sein musste. Im Traum drehte er seinen Kopf zur Sofalehne und zog seine Beine näher an den Körper. Es war besser, wenn er sich jetzt nach all dem Trubel ausruhte...!

Garfield - Zwei Jungs, ein Kater und ein verworrenes Schicksal (#Stexpert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt