Verständnislos starrte ich zu dem Professor nach vorne. Die Fehltage waren echt fatal gewesen, denn ich wusste kaum noch, wovon der Typ da die ganze Zeit redete. Ohje... den Stoff nachzuholen würde ewig dauern, vor allem dann, wenn ich dazu nichts auf unserer Uni-Homepage oder in der Bibliothek fand. Und überhaupt die richtigen Bücher erwischte...
Zusätzlich schweiften meine Gedanken andauernd ab. Zu Garfield zum Beispiel. Ich hatte ihn vorhin nur schnell abgeben können und war trotzdem zu spät zur ersten Vorlesung gekommen. Ob er sich mit den anderen Tieren dort überhaupt vertrug? Und kümmerte man sich auch genug um ihn? Er war schließlich noch ein Baby! Hoffentlich schleppte er nachher keine Krankheiten mit nach Hause...
Und übergangslos landeten meine Gedanken auch wieder bei Stegi. Warum hasste er mich jetzt so vehement? Hatte mein Geständnis vielleicht eine für mich nicht greifbare Reihe an Kettenreaktionen hervorgerufen, die ihn zu so einer Nachricht verleitet hatten? Und wieso hatte er erst nach so langer Zeit wieder auf sein Handy geguckt? War doch etwas schlimmes bei ihm passiert? Aber auch diese Fragen stießen am Ende auf die Tatsache, dass ich es nicht herausfinden würde. Er war weg und versteckte sich scheinbar irgendwo, wo ich ihn nicht finden konnte oder sollte. Und für eine Deutschlandreise zu all den Orten, an denen ich Stegi vermuten würde, konnte ich mir schlichtweg nicht leisten, weder finanziell, noch zeitlich. Und erst recht nicht, wenn ich mich dabei auch noch um ein Haustier kümmern musste! Apropo zeitlich nichts leisten können...
Ich schreckte auf, aber die Vorlesung war noch nicht vorbei und noch niemand packte seine Sachen. Und der Professor redete noch immer von Dingen, die ich nicht kapierte. Wenn ich noch länger so trödelte und träumte, brauchte ich auch gar nicht hier zu sitzen! Also schnappte ich mir jetzt hastig Zettel und Stift und begann all das zu notieren, was ich nicht verstand, Stichwörter, Zusammenhänge, Überschriften, Thesen. Dann wusste ich ungefähr, wonach ich den Bibliothekar oder seine Aushilfen fragen musste. Zwar hieß das auch unendliche Überstunden für mich, aber es musste gemacht werden. Sonst konnte ich mir meinen Studienabschluss an den Nagel hängen!
Als ich mit der Arbeit fertig war, war es draußen bereits dunkel. Ich musste noch Garfield abholen und dann Zuhause lernen! Und ein Körbchen oder ein Katzenklo hatte ich immer noch nicht besorgt... Mit schlechtem Gewissen betrat ich den Tierkindergarten und wurde von einer jungen Frau begrüßt: "Ah, sind Sie Herr Bau? Ihr kleiner Schatz erwartet Sie schon sehnsüchtig!"
"Ja, ja der bin ich", murmelte ich und fragte mich, ob sie meinen Namen daher wusste, weil Garfield jetzt das einzige noch hier übrig gebliebene Tier war. Wenn es so war, war mir das ein wenig peinlich, fast so als könnte dadurch bei den Mitarbeitern der Gedanke entstehen, ich mochte den Kater gar nicht und überließ ihn lieber den ganzen Tag über sich selbst. Aber das stimmte kein bisschen, ich hatte Garfield wirklich gerne und das, obwohl ich ihn erst gestern bei mir aufgenommen hatte und er mir schon das ein oder andere Problemchen verursacht hatte, wie heute früh die durchnässten Tücher, das mit seinen Haaren übersäte Sofa oder mein leeres Portemonnaie. Doch genauso verdankte ich ihm auch schon viel! Die Nähe, seine Gesellschaft und seine Akzeptanz mir gegenüber, als ich mich ganz allein gefühlt hatte.
Tatsache, der Kater hatte bereits ungeduldig auf mich gewartet und tapste leise schnurrend auf mich zu, sobald ich den Spielebereich betrat. Am anderen Ende des Raumes balgten sich noch zwei weitere Jungkatzen und einen Hundewelpen sah ich außerdem noch. Ganz alleine war mein Kleiner also schonmal nicht gewesen, zum Glück! "Hey Garfield, hast du dich mit den anderen verstanden? Und warst du auch schön artig?", fragte ich ihn schmunzelnd und kraulte ihn sanft, als er sich an meinem Arm rieb und durch seinen eigenen Schwung dabei beinahe zur Seite kippte. Die Betreuerin kicherte: "War er, mehr als nur das! Einen echt cleveren Burschen haben Sie da, Herr Bau! Er hat keinen Ärger gemacht, sich nichts vormachen lassen und die ganze Zeit mit den Großen gespielt. Hach, manchmal hätte man denken können, der Kleine kann uns verstehen!"
Ich kratzte mich am Nacken. Das Gefühl hatte ich gestern auch schon kurzzeitig gehabt, doch ich hatte es als Spinnerei abgetan. Das mich jetzt auch noch die junge Frau darauf ansprach, machte mich etwas stutzig. Vielleicht war es ja einfach Zufall und mein Kater war durch seine Zeit ohne jede fremde Hilfe schon erfahrener oder geschickter als seine gleichaltrigen Artgenossen. Alles andere machte ja wohl keinen Sinn! Jedenfalls bedankte ich mich ganz herzlich und fragte noch, ob ich mir bei der Gelegenheit vielleicht einen Korb borgen könnte und dazu ein wenig Katzenstreu bekam. Einen Behälter dafür musste ich noch irgendwo Zuhause haben.
Netterweise versprach man mir sogar, beides eine Woche lang zur Verfügung zu stellen für jemanden wie mich, der quasi unfreiwillig in die Rolle eines Tierbesitzers gezwängt worden war. Das Einstreu für das Katzenklo musste ich zwar selbst bezahlen, dafür aber nur den halben Preis. Das war fair, dachte ich. Vorerst besser, als es jeden zweiten Tag selbst einkaufen zu müssen! "Bis morgen!", verabschiedete ich mich bei der netten Frau und balancierte dann alles mitsamt Garfield in meiner Jacke nach Hause. Dabei wurde mir schmerzlich bewusst, wie sehr mir für solche Augenblicke ein eigenes Auto fehlte.
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Ein Kater, der die menschliche Sprache verstehen kann? Na, ob das denn wirklich geht...? ;)
Ich werd später zur Feier des Tages noch ein weiteres Kapitel veröffentlichen! Heute früh war nämlich mein Kolloquium für meine Seminarfacharbeit, an der ich die letzten zwei Jahre zusammen mit zwei Mitschülern geschuftet habe, und wir haben die Bestnote auf unseren Vortrag bekommen! Ich fühl mich grad richtig wohl und glücklich deswegen! :D
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Garfield - Zwei Jungs, ein Kater und ein verworrenes Schicksal (#Stexpert)
FanficTims und Stegis Wege sind durch das Schicksal fest miteinander verwoben. Aus einer flüchtigen Bekanntschaft wird schnell eine Freundschaft und für Tim vielleicht sogar noch mehr. Doch bevor er Stegi seine Gefühle gestehen kann, wendet sich das Blatt...