Meinen besten Freund!

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Die letzten Sekunden auf dem Zähler tickten wie in Zeitlupe herunter und meine Hand schwebte noch immer unentschlossen über dem Knopf. Mein Freund hatte Recht... Ich hatte es ihm versprochen, seine Gestalt niemals als Hindernis für unsere Beziehung anzusehen, aber die Fakten straften unserem Schwur Lügen. Ich würde mich niemals mit ihm in der Öffentlichkeit zeigen können, jedenfalls nie wirklich so, wie wir waren und nicht mit unseren echten Gefühlen füreinander. Das war nun einmal ein unumstößlicher Fakt, den ich nicht einfach verdrängen und keine weitere Beachtung schenken konnte! Außerdem war der echte Stegi seit über drei Jahren mein bester Freund. Mit ihm hatte ich alles geteilt, ihm alles anvertraut, mit ihm gelacht und manchmal auch geweint, uns beide verbanden so viele wunderbare Erinnerungen! Die konnte und durfte ich nicht einfach auslöschen! Zwar vereinte auch der Neko Stegis gesamte Person in sich, aber es fühlte sich falsch an. Er war nicht Stegi. Er war jemand anderes. Und es tat mir so unendlich leid, für ihn und für alle anderen. Sie konnten meinen liebsten Stegi nicht ersetzen und niemals das Loch in meinem Herzen füllen, wenn er nicht mehr unter uns wäre; Diesmal endgültig.

Drei... Zwei... Eins... In letzter Sekunde brachte ich die Kraft auf, den Knopf herunterzudrücken und zeitgleich spürte ich, wie sich der Klammergriff um meinen Oberkörper verstärkte. Krallen stachen mir in den Rücken und gesellten sich zu meinem seelischen Schmerz, als ich das schwächliche, enttäuschte "Warum...?" von ihm hörte. Beinahe bildete ich mir ein, seine Stimme klinge schon dünner als noch vor wenigen Augenblicken.

"Es tut mir so leid, Stegi, aber meine Liebe zu dir war nicht stark genug... Ich wünschte, es hätte nicht so kommen müssen!"

Seine Krallen fuhren langsam wieder ein und er begann zu husten. Hastig drückte ich ihn an mich, streichelte ihn und versuchte, ihm seine letzten Augenblicke zu erleichtern. "Es tut so weh...", beklagte er sich mit weinerlicher Stimme. Ich nickte nur stumm. Ich weiß... Aber ich konnte nicht anders... Ich konnte nicht beide retten. "Ich hab so Angst, T-timmi... Ich will nicht sterben... B-bleibst du b-bitte bei m-mir?"

"Natürlich! Ich werde dich niemals vergessen, Stegi!", versprach ich ihm und ich spürte ihn schwach nicken. Das Gift wirkte so schnell... "I-i-ich liebe d-dich... T-timmi!", hauchte er noch mit viel zu hoher Stimme, dann erschlaffte er plötzlich in meinen Armen und rührte sich nicht mehr. Er war tot. So wie Leo und so wie sämtliche von Stegis anderen Klonen auch. Ihre Hoffnungen auf eine bessere Zukunft für sie waren erloschen. Die Experimente hatten ein Ende. Jetzt gab es nur noch den wahren Stegi und den schmerzlichen Verlust, der verzweifelt und dumpf in meinem Herzen pochte. Hatte ich denn wirklich das richtige getan?

Ein kurzer Alarm ertönte, dann wurde die schimmernde Flüssigkeit in dem Behälter abgepumpt und ein Teil des Glases schwang wie eine Tür auf und enthüllte eine zuvor für mich unsichtbare Öffnung. Gerade noch rechtzeitig gelang es mir, den Körper des toten Neko auf dem Boden abzulegen und mich herumzudrehen, dann fing ich Stegi auch schon kurz vor dem Boden auf, als er nun komplett ohne jeden Halt und jede Spannung in sich zusammenzusinken und aus seinem Gefängnis herauszukippen drohte. So blieb er, abgesehen von den Einstichwunden der vielen Schläuche, zum Glück unverletzt und sofort beugte ich mich vor, um nach seinem Atem zu horchen und anschließend noch auf seiner, durch den langen Aufenthalt in der Flüssigkeit glitschigen, Haut über dem Herzen seinen Puls zu nehmen. Beides regelmäßig, aber sehr schwach, wenn ich mich nicht irrte. Er brauchte dringend medizinische Hilfe, und zwar sofort! Also zog ich hastig meine lange Jacke aus, wickelte sie um den nackten Stegi und hob ihn dann in der Brautstellung hoch, bereit ihn den ganzen Weg zurück bis nach oben zu tragen!


"... dann habe ich die Polizei und einen Krankenwagen gerufen. Dort bist du dann wieder aufgewacht. Und in der letzten Woche habe ich mit meinen Informationen mitgeholfen, die Kunden von PharmaTico ausfindig zu machen und verhaften zu lassen. Es war schrecklich..." Dabei beließ ich es. Ich wollte dem frisch genesenen und vorerst aus dem Krankenhaus entlassenen Stegi noch keine Horrorgeschichten zumuten, wie die, die ich bei den Besuchen erlebt hatte. Sobald die vorwiegend männlichen Käufer die Tür geöffnet und die Polizisten davor erblickt hatten, war ihr Geständnis zwar quasi schon von ganz alleine gekommen, aber das schlimmste war es gewesen, im Anschluss die toten, misshandelten und teilweise stark deformierten und mit unverheilten Wunden übersäten Körper bergen zu müssen. Leo hatte Recht gehabt. Vielleicht hätten sie sich sehr über eine Rettung gefreut, aber so, wie sie aussahen, wären sie vermutlich nie wirklich glücklich geworden in ihrem restlichen Leben. Und ebenfalls schrecklich war der zweite Gang hinunter ins Labor gewesen um zu überprüfen, ob wirklich alle Klone an ihren Gift-Chips gestorben waren. Alle... Ohne Ausnahme... Dreiundachtzig kleine, in qualvollen Positionen verkrümmte, vergiftete Leichnahme, die das Gesicht meines besten Freundes trugen. Ich brauchte wohl nicht zu sagen, dass ich danach einen Abstand zu allem genommen hatte, was mit diesem Fall zusammenhing.

Garfield - Zwei Jungs, ein Kater und ein verworrenes Schicksal (#Stexpert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt