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Einen Tag später hatte ich gepackt. Über Weihnachten wollte ich jetzt doch zurück zu meiner Familie fahren, wenn Stegi nicht kam. Ich hatte sie bereits angerufen und sie waren glücklich darüber, mich wiederzusehen, obwohl die Umstände so bedrückend waren. Sie verstanden mich auch, dass ich nicht ganz so fröhlich sein würde, wie ich es gerne wäre.

Ob Jonathan und Christopher mich noch erkannten? Die beiden waren vor einigen Tagen... sieben geworden, nicht? Oder waren sie bereits acht? Jedenfalls hatten wir uns über ein Jahr lang nicht mehr gesehen und ich hatte Angst, dass sie mich vielleicht nicht mehr erkannten! Schon damals waren sie unsicher gewesen und hatten mich mehrere Sekunden ratlos aus ihren großen Kinderaugen angeschaut. Und was war mit Lena? Sie war achtzehn und hatte einen Beruf, irgendwo in der Industrie wenn ich mich richtig erinnerte, wollte aber angeblich auch über die Feiertage kommen. Die letzten Male, als ich Zuhause vorbei geschaut hatte, war sie meist mit Freunden unterwegs gewesen und ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie meine chaotische, kindische Schwester jetzt als junge Erwachsene aussah... Das war doch bedenklich, dass ich meine eigenen Verwandten nicht mehr gut genug kannte, um sie zum Beispiel im Vorbeigehen wiedererkennen zu können! Hoffentlich würden die Weihnachten bei ihnen das wieder gut machen!

Die Fahrt dauerte ewig, insgesamt sechs einhalb Stunden mit dreimaligem Umsteigen. Es war bereits stockdunkel, als ich endlich aus dem Bus stieg und mit meinem Reisekoffer und einer Einkaufstüte in der Hand zum Haus meiner Familie lief. Es war extrem kalt geworden und ich war froh, dass es nicht auch noch schneite. Auch ohne einen mit dicken Flocken verhangenen Himmel war es schwer, mich wieder in dem winzigen Dorf zu orientieren. Doch ich verlief mich zum Glück nicht ein einziges Mal und klopfte nicht einmal zehn Minuten später auch schon an der Tür.

Es waren die Zwillinge, die mir öffneten und glücklich zu rufen begannen: "Tim ist endlich da!" Mir ging das Herz auf, auch wenn Mama sie vielleicht nochmal davor erinnert haben sollte, wer ich war und warum ich vorbei kam. Sie freuten sich, dass ich jetzt hier war, und genau so begrüßte ich sie auch, sobald ich eingetreten war und die Tür wieder geschlossen hatte. "Hallöchen ihr beiden, alles Gute noch nachträglich zu eurem Geburtstag! Ich wünsche euch viel Gesundheit, Erfolg in der Schule und dass ihr alles bekommt, was ihr euch so gewünscht habt!" Lächelnd zog ich mir noch rasch die Schuhe aus, griff nach der Tüte und zauberte zwei Kartons mit Lego Bausets hervor, einen für den Millenium Falken und einen für die X-Wing-Fighters aus Star Wars. Dad hatte mir den Tipp vorhin noch am Telefon gegeben und gemeint, dass sie sich gerade in ihrer heißen Jediritter-Phase befanden, seit sie eingeschult worden waren. Sie freuten sich auch tierisch und trugen ihre Schätze sofort in ihr Kinderzimmer. Zum Glück... Der Blick in mein Portemonnaie vorhin hatte mich ein wenig erschreckt! Ich musste dringend wieder jobben gehen, und zur Uni musste ich auch wieder! Aber das alles erst, wenn ich zurück in München war, jetzt waren freie Tage, und für die Miete und alles andere würde mein Geld noch geradeso reichen!

Den Rest der Familie fand ich am Abendbrotstisch versammelt, munter miteinander schwatzend und dazwischen in vielen Töpfen, Tellern und Schälchen das duftende, warme Essen. Als sie mich im Türrahmen stehen sahen, begrüßten sie mich alle glücklich und standen nacheinander auf, um mich zu umarmen und in der Familie zurück Willkommen zu heißen. Nur zwei hatten sich nicht gerührt, beide waren mir unbekannte junge Männer, jünger als ich wenn ich schätzen müsste. Nachdem auch meine Mama und mein Dad an der Reihe gewesen waren und sich alle wieder gesetzt hatten, konnte ich schlussfolgern, dass es die festen Freunde von meinen älteren Schwestern, Lena und Emily waren. Auf mein freundliches Nicken in ihre Richtung standen sie doch wenigstens noch auf und begrüßten mich mit einem Händeschütteln. Nick und Jean hießen sie. Ob ich mir das bis zum nächsten Mal merken konnte? Aber um die anderen jetzt nicht noch länger warten zu lassen, setzte ich mich schnell auf den einzigen noch freien Stuhl wartete dann selbst geduldig, bis alle zugelangt hatten: Ich hatte nämlich immer noch keinen besonders großen Appetit entwickelt.

Wie anstrengend eine Großfamilie sein konnte, zeigte sich hier wohl mit am deutlichsten. Max, der mittlerweile die fünfte Klasse der örtlichen Realschule besuchte, machte Grimassen und Würggeräusche, als Lena und Nick beim Essen leichte Zärtlichkeiten in Form von glühenden Blicken und sanften Berührungen austauschen, und bekam deswegen Ärger von Emily, die neben ihm saß und der es dadurch scheinbar schwer fiel, noch weiter zu essen, ohne dass es ihr selbst schlecht wurde. Jean auf ihrer anderen Seite war die ganze Zeit eher schweigsam, dafür machten die Zwillinge Radau, erzählten lautstark miteinander und mit unseren Eltern über ihre Geburtstagsgeschenke und bekleckerten sich dabei nicht zu knapp mit Bratensoße und Rotkraut. Hätten meine beiden Schwestern Marie und Josephine sich jetzt noch wieder in die Haare bekommen über ihre typischen Belanglosigkeiten, wäre das Chaos perfekt gewesen. Aber trotzdem war ich froh, sie wieder um mich zu haben und über Weihnachten nicht alleine zu sein. Es tat gut, wieder unter vertrauten Gesichtern zu sein.

Das änderte sich, nachdem wir alle unsere Teller geleert, noch ein wenig zusammen gesessen und uns dann für die Nacht fertig gemacht hatten. Es gab immer noch nur zwei Zimmer für uns Geschwister und jetzt waren noch Gäste dabei, die bei ihrer Liebsten sein wollten. Das wurde nicht nur eng, sondern auch geräuschvoll und störend fürs Einschlafen. Besonders weil Max andauernd meinte, an Lena Gemeinheiten austeilen zu müssen, dass Liebe ekelhaft wäre. Dann zählte er noch ewig Fäkalwörter auf, die er wohl von Freunden aufgeschnappt haben musste, bis Josi sich darüber beklagte und ihrem Bruder dann einfach den Mund zuhielt. Den Part hatte ich ehrlich nicht vermisst...

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So, der Stress hat sich wieder ein wenig gelegt und ich informiere euch hiermit, dass ich zurzeit an Kapitel 38 sitze und den Plot der Geschichte ausarbeite ;) Ich muss vieles aber nochmal neu schreiben oder überarbeiten, also wirds vorerst noch beim unregelmäßigen Upload bleiben.. Hoffentlich seid ihr mir nicht böse!

Garfield - Zwei Jungs, ein Kater und ein verworrenes Schicksal (#Stexpert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt