Nachwehen

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Der nächste Tag brachte einen klaren Himmel und eine frische Brise und die Dragon glitt mühelos aufs offene Meer hinaus. Es würde eine lange Fahrt werden und auch wenn dieses Schiff so hochseetüchtig war, wie sie nur sein konnte, es konnte zwischen hier und England eine ganze Menge schief gehen. Trotzdem waren alle guter Dinge, das Abenteuer lockte und bei aller Geldgier und Kampfeslust, das war es doch eigentlich, was diese Mannschaft antrieb. Ein wenig Aufregung, ein wenig Gefahr und ganz viel Neugier.

Francis und Jesse waren zusammen eingeschlafen und zusammen aufgewacht und eigentlich wollten sie einander überhaupt nicht mehr loslassen. Als es noch ganz früh war und das Schiff noch in tiefem (vermutlich doch auch alkoholinduziertem) Schlummer lag, war Jesse bereits wach. Francis schlief neben ihm, einen Arm über das Gesicht gelegt und einen Großteil des Bettes für sich beanspruchend. Sah er anders aus? Gestern abend jedenfalls war er sehr ruhig gewesen, ein bisschen scheu und unsicher, was dieses Erlebnis denn für sie beide bedeutet hatte. Jesse erlebte das nicht zum ersten Mal, diese Zwiespältigkeit und dieses Durcheinander nach diesem ersten Mal waren eine ganz normale Reaktion. Francis Weltbild wurde gerade ordentlich durchgeschüttelt und er musste seinen Platz darin erst wieder finden. Jesse hatte nicht viel gesagt, hatte ihn nur in den Arm genommen und beruhigend gestreichelt, bis das, was auf Nachfrage bestimmt ganz gewiss keine Tränen gewesen waren, verebbt war und Francis ganz ruhig atmete und eingeschlafen war.

Was tut das jetzt mit dir, Liebster? Was heißt es für dich, dass dir das ganz offensichtlich gefallen hat? Jesses eigenes erstes Mal war schon so lange her und er konnte sich nicht daran erinnern, dass es ihn irgendeine Überwindung gekostet hatte. Genaugenommen war es ein Experiment gewesen und der Junge, der damals mit ihm das Lager geteilt hatte, war ein Mitglied ihrer kleinen Bande gewesen und ein paar Jahre älter als er.
Jesse hatte sich gefragt, ob seine kleinen lukrativen Ausflüge in die Abgründe der männlichen Sehnsüchte (genaugenommen sein Mund und seine Finger gegen Geld in der Dunkelheit) wohl noch lukrativer werden konnten, wenn er mehr Körperteile einsetzen würde. Er hatte ganz unschuldig gefragt, ob wohl jemand wüsste, wie man das denn machte und die Antworten waren sehr gemischt, von schockiert bis wissend, ausgefallen. Der ältere Junge hatte angeboten, ihm zu zeigen, was er tun musste und er hatte darauf bestanden, dass Jesse seine ersten Erfahrungen mit jemandem machte, der wirklich Rücksicht auf ihn nahm und dafür kein Geld bezahlte.

Jesse wurde dann auch klar, warum das so wichtig war. Und obwohl sie sich ganz viel Zeit genommen hatten und Jesse es durchaus als lustvoll empfand, danach war er doch der Meinung, dass Hände und Mund fürs erste genug Geld einbringen würden. Das änderte sich später, aber damals war er vielleicht auch einfach körperlich noch nicht so weit gewesen, um die erwachsenen Männer bzw deren Geschlechtsteile wirklich dort ertragen zu können.

Ja, das war damals. Jetzt war er derjenige, der einem anderen Mann das erste Mal die Freuden dieser sexuellen Spielart näher gebracht hatte. Auch das war kein ganz neue Sache. Was aber neu war, war, dass er für diesen Menschen sehr intensive Gefühle hegte und es ihm wirklich wichtig war, dass Francis sich so wohl wie möglich fühlte. Nun ja, vielleicht war ihm gestern da ein klein wenig die Kontrolle verloren gegangen, aber das war es ja auch, was Francis herausgefordert hatte.

Und jetzt lag er da so ausgebreitet halb unter dem Bettlaken verborgen und sah einfach nur hinreissend aus. Jesse ließ seine Hand wandern, über ein nacktes Bein, eine stoffbedeckte Schulter, durch verwuschelte Haare. Francis dreht sich immer noch schlafend in seine Richtung und griff nach ihm. Jesse beugte sich ein Stück über ihn und küsste ihn zart auf die geschlossenen Lider. Francis zwinkerte, seufzte und schlug die Augen auf.

Er zog ihn näher zu sich heran und Jesse ließ sich tiefer sinken. Francis öffnete die Beine, Jesse schob sich dazwischen und, oh du meine Güte, das fühlte sich doch schon wieder sehr sehr gut an. Ein bisschen zu gut eigentlich. So verdammt gut, dass es ihm jetzt wirklich schwer fiel, sich auf die Seite fallen zu lassen, um Francis etwas mehr Platz zu geben.

Woher wir kamen (Piratenblut 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt