Freundschaftsdienste

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„Was habt ihr jetzt wieder angestellt, verdammt noch eins!"

Anne, der Teufel mit den roten Haare, war eher wütend als besorgt, als sie Francis und Jesse nur notdürftig bekleidet zurück an Bord ihres eigenen Schiffes schleichen sah. Jesse sah eindeutig wackelig auf den Beinen aus, und sein eines Bein hatte einen tiefen Schnitt abbekommen. War das der Grund, weshalb er sich so auf seinen Kapitän stützen musste oder lag das etwa an etwas anderem? Anne kannte diesen Gesichtsausdruck, diese Mischung aus Erschöpfung und Triumph, dieses leise müde Lächeln, das darauf hindeutete, dass Jesse zwar gerade viel Spaß gehabt hatte, das unter Umständen aber auch ein wenig zu viel Spaß gewesen war.

Und dann noch dieses wenig appetitlich aussehende Bein. Dieser Vollidiot.

"Hey, Anne! Du bist ja schon wieder da, haben wir so lange gebraucht?"
"So lange für WAS gebraucht?"
"Ach nichts."

Der nächste Schritt brachte ihn wieder ins Straucheln, aber Francis fing ihn rechtzeitig auf. Er winkte Matthew zu und befahl heißes Wasser und saubere Binden in seine Kajüte und zwar sofort. Jesse humpelte immer mehr und sein Gesicht wurde immer blasser. Die Art, wie er sich gerade auf die Unterlippe biss, hätte Francis an anderer Stelle sicher gefallen, in Verbindung mit den harten Linien um seine Augen und den offensichtlichen Versuchen, nicht vor Schmerz aufzustöhnen, gefiel ihm das aber gar nicht. Als sie die Kajüte erreichten, ließ sich Jesse erleichtert in einen Sessel sinken, beugte dann den Oberkörper vor und ließ den Kopf hängen. Atmen, einfach nur atmen, dann würde die Welt bestimmt aufhören, sich zu drehen.

Er sah auf, als Francis zu ihm trat und einen Eimer heißen Wasser neben ihn stellte.

"Kannst du die Hose ausziehen oder soll ich das tun?"
"Ich kann das schon, es geht schon. Wirklich, so schlimm ist das nicht."
"Vielleicht hättest du mir sagen können, dass du verletzt bist, bevor ich dich gegen diese Wand gedrückt habe. Glaubst du nicht, das wäre irgendwie wichtig gewesen?!"

Jesse zwinkerte und schluckte. Verdammt, jetzt wurde ihm auch noch schlecht.

"Hätte dich das wirklich aufgehalten?"

Jetzt ließ Francis den feuchten Lappen fallen, sank vor Jesse auf die Knie und nahm seine baumelnden Hände.

"Meinst du das wirklich ernst? Denkst du wirklich, es würde mich nicht kümmern, wie es dir geht?"

Jesse schüttelte den Kopf. "Nein. Ich... Nein, so war das nicht gemeint. Es tut mir leid, es hat sich wirklich nicht so wild angefühlt und ganz ehrlich, eigentlich war es das auch wert.
Du hast da einen verdammt guten Job gemacht auf diesen Schiffsplanken..."

Francis stand wieder auf, nahm Jesses Gesicht in seine Hände und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.

"Herzlichen Dank. Ich nehme es das als Kompliment, vor allem aus deinem Mund."
"Naja, es war ja eher deiner..."
"Halt die Klappe und zieh jetzt diese Hose aus. Was jetzt kommt, dürfte weniger angenehm sein, aber hinter dich bringen musst du es auf jeden Fall."

Jesse schaffte es selbst und als er halb nackt und nicht mehr ganz so von sich überzeugt zaghaft sein Bein streckte, machte sich Francis ans Werk. Er wusch die Wunde mit warmem Wasser, ließ ein bisschen Alkohol über die schlimmsten Stellen laufen und verband dann alles mit einem sauberen Stoffstreifen. Jesse zuckte zusammen, gab aber keinen Ton von sich. Dann machte sich Francis daran, auch den Rest seines Maates zu reinigen und Jesse ließ sich das nur zu gerne gefallen. Das Wasser wurde zwar kalt, aber dafür von Francis Händen auf seinem Körper, die sich sehr sorgfältig um jeden Blutspritzer und jeden Kratzer kümmerten, verwöhnt zu werden, das konnte er stundenlang. Er schloss die Augen und dämmerte ein wenig weg, bis er eine dampfende Tasse vor seiner Nase hatte und Francis in gebieterischem Ton forderte, das er das jetzt trinken sollte. Er schmeckte kaum, was darin war, aber offensichtlich war auch ein ordentlicher Schuß Rum mit dabei, denn danach war ihm wunderbar warm und er war noch schläfriger. Er wurde ins Bett gesteckt und nahm noch aus den Augenwinkeln war, wie Francis sich ebenfalls wusch. Der warme Körper, der sich kurz danach an ihn schmiegte, war sauber und weich und Jesse ließ sich beruhigt in den Schlaf fallen.

Woher wir kamen (Piratenblut 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt