Primrue Mellark | Kapitel 11

2.3K 160 18
                                    

Unter den Tributen war die Unruhe regelrecht zu spüren.
Ob es wegen dem Interview oder wegen dem Tanz war wusste ich nicht.
Nur Lessa war in ihren Element und strahlte über das ganze Gesicht, zumindest bis sie mich sah. Die anderen Distrikte waren alle zumindest farblich aufeinander abgestimmt und wir stachen wieder hervor.
Ich fühlte mich gut und mir gefiel, dass die meisten männlichen Tribute mich anstarrten, was wohl so was wie den Beschützerinstinkt meines kleinen Bruders weckte, der auf einmal nicht mehr von meiner Seite wich.
Wir stellten uns in einer Reihe auf und warteten bis Caesar seine Ansprache auf der Bühne beendet hatte. Dann traten wir nacheinander nach oben und setzten uns auf unsere Plätze. Das Licht blendete, doch ich konnte sehen, dass der Saal voll war. Menschen. Viele Menschen. Alle waren sie da, um uns zu bestaunen.
Ich würde das so richtig vermasseln.
Panik wollte in mir aufsteigen und ich musste mir ein Lachen verkneifen. Mit den Gedanken morgen in die Arena zu gehen und vielleicht zu sterben, kam ich klar, zumindest jetzt. Aber daran zu denken, jetzt gleich da vorne zu sitzen und irgendetwas zu sagen, brachte mich fast um den Verstand. Was war ich doch für ein toller Tribut.
Ich hörte kaum zu, was die anderen in ihren Interviews sagten. Lessa ließ das hübsche Mädchen raus hängen, welches zur Soldatenausbildung nur wegen ihres Vater gegangen war. Dillian war charmant und gleichzeitig gab er sich auf die meisten Fragen geheimnisvoll. Das Mädchen von Distrikt 4 gab sich siegessicher und Distrikt 8 plauderte über seine Allianz. Da beide Tribute aus Distrikt 11 nicht viel sagten, waren wir viel zu schnell bei mir angekommen.
Hatten wir nicht gerade erst angefangen?
Ich ging vor zu Caesar und versuchte nicht wie ein verscheuchtes Rehkitz auszusehen. Keine Ahnung ob es mir gelang.
Caesar lächelte mir entgegen und so wie ich bei ihm war, gab er mir nicht nur die Hand, wie den anderen Tributen, sondern nahm mich in den Arm.
Ich versuchte nicht zu verkrampft zu sein und die Umarmung zu erwidern.
"Setz dich Primrue", bot er mir an, als er mich losließ.
Ich tat es und versuchte ein schüchternes Lächeln. Caesar erwiderte es wieder und er wurde mir sympathisch.
Er war immer nett zu meinen Eltern gewesen und jetzt versuchte er mich zu beruhigen. Ich beschloss, mich einfach vollkommen auf ihn zu konzentrieren und alles um uns herum auszuschalten.
"Das hätte ich nicht gedacht.", begann er, "Einmal hier zu sitzen, mit der Tochter von Katniss und Peeta Mellark. Ich meine, ganz Panem hat ihre Liebesgeschichte verfolgt. Jeder dachte, dass sie nie zusammen sein könnten, egal wie sehr sie sich lieben würden. Und nun sitzt du hier. Ihre wunderschöne Tochter. Ich mein, schaut sie euch doch an, ist sie nicht perfekt?" Applaus und Pfiffe gingen durch den Saal, wodurch ich leicht rot wurde.
"Natürlich hätte ich mich gefreut, wenn wir uns unter anderen Umständen getroffen hätten.", fuhr er fort und ich sagte nur schüchtern: "Ich auch."
"Primrue...das sind die Namen von deiner Tante, für die deine Mutter in die ersten Spiele gegangen ist und das Distrikt Elf Mädchen von den 74 Hungerspielen, mit dem deine Mutter befreundet war, richtig? Du konntest sie leider nie kennenlernen, aber wie ist das für dich, solch wichtige Namen, für deine Mutter, zu tragen?"
"Ich kannte sie nicht, das ist wahr. Aber mein Vater hatte Bilder von ihnen gemalt und mir auch von ihnen erzählt. Ich bin sehr stolz diesen Namen zu tragen, denn beide, Primrose wie Rue, waren unglaublich starke Mädchen. Sie wollten ihre Familien und Freunde beschützen und sind am Ende sogar für sie gestorben."
"Du hast dich freiwillig für dieses arme, kleine Mädchen gemeldet. War sie eine Freundin von dir?", fragte Caesar.
"Nein", antwortete ich wahrheitsgemäß, "ich kannte sie nicht mal wirklich."
Das ließ Caesar aufmerksam werden.
"Heißt das, du hast dich für ein dir wildfremdes Mädchen darauf eingelassen? Warum?"
Ich überlegte, was ich sagen sollte. Lügen wäre eine Option. Zu sagen, dass sie mir leid tat, das ich höchstens sie retten wollte. Oder ich sagte einfach die Wahrheit...
"Ich wollte nicht, dass mein Bruder hier alleine hin muss. Ich konnte mich nicht für ihn melden, also beschloss ich, mit ihm zu gehen."
"Soll das heißen, du willst für ihn sterben?"
"Ich will ihn beschützen.", erklärte ich, "Ich will dafür sorgen, dass keiner der anderen ihm zu nahe kommt, dass sie alle sterben müssen, damit er gewinnt und ja, am Ende, werde ich für ihn sterben." 
Stille war im ganzen Saal. Man hätte wahrscheinlich ein Reiskorn fallen hören können.
Ich getraute mich nicht zu atmen.
Ja, ich hatte die Wahrheit gesagt.
Ja, Cato würde sauer sein.
Aber das war mir egal.
Wenn ich schon sterben müsste, wollte ich wenigstens, dass mein Distrikt die Wahrheit wusste, warum ich dies all hier tat. Nicht weil ich es wollte, weil es mir Spaß machte an einen Spiel auf Leben und Tod teilzunehmen, sondern weil ich ihnen Haymitch wieder geben würde. Sponsoren konnte ich für mich wahrscheinlich nun abschreiben, aber vielleicht brachte es meinen Bruder ein paar mehr ein. 
Dann begann der erste zu klatschen. Schnell stiegen mehrere mit ein. Als ich meinen Kopf hob, standen ein paar auf. Andere folgten bis der ganze Saal stand und mir applaudierte.
"Durch deinen Mut scheinen deine Eltern. Du bist wirklich ihre Tochter. Ich bin mir sicher, auch wenn sie traurig sind, sind sie auch stolz auf dich."
Ich wusste nicht ob Caesars Worte für alle oder nur für mich bestimmt waren. Gehört hatte eh nur ich sie, bei den Lärm der klatschenden Hände.
Er stand auf und ich folgte seinen Beispiel. Als er mir die Hand hin hielt nahm er sie und riss sie in die Höhe.
"Primrue Mellark, meine lieben Gäste. Primrue Mellark. Distrikt Zwölf Tribut."
Wir schauten uns noch einmal gegenseitig an. In seinen alten Augen glänzten Tränen.
"Möge das Glück immer mit dir sein, kleiner Spottölpel."
Dieses mal sagte er es so leise, dass es wirklich nur für mich bestimmt war. Caesar drückte noch einmal meine Hand, bevor er sie losließ und ich wieder zurück auf meinen Platz ging. Auf meinen Weg zurück, sah ich, wie mir die Zwillinge kurz zu nickten. Sie wurden beide ausgewählt, aber wäre es nicht so gewesen, hätten sie das gleiche gemacht wie ich. In den Augen des Distrikt Vier Jungen sah ich Tränen schimmern und das Distrikt Fünf Mädchen weinte, ohne es zurück zu halten. Ihre kleine, zierliche Hand, verschwand regelrecht in der Pranke von Lupo, der mich nur ansah.
Ich hatte keinen von ihnen näher kennengelernt und jetzt war es zu spät.
Vielleicht war es besser, nicht ihre Geschichten zu wissen. Wie sie lebten, wie ihre Familie war, ob zuhause eine bestimmte Person auf sie wartete... Ich sah wieder Lupos Hand, verschränkt mit der des Mädchens. ...ob sie mit hier waren und wussten, dass sie zusammen nicht wieder gehen würden.
All diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, als ich mich wieder hinsetzte und mein Bruder aufstand.
Wie mein Vater, hatte er alle sofort mit seiner liebevollen und charmanten Art auf seine Seite gezogen.
Er half Caesar die Stimmung wieder etwas aufzulockern. Als sie wieder neutral war, stellte der Moderator, die ein Frage, auf die ich gehofft hatte, dass er sie nicht stellen würde.
"Wie ist es für dich, zu wissen, dass deine Schwester sich für dich Opfern will."
Haymitch überlegte kurz und sprach dann mit leiser Stimme.
"Wie soll es schon sein? Jeder der Geschwister hat, kann sich diese Frage doch selber stellen. Ich will es nicht, aber ich habe es ihr versprochen. Wir haben uns geschworen, uns zu vertrauen. Am liebsten würde ich schreien, nein ich beschütze dich, du wirst heim gehen aber was bringt es uns, wenn wir uns gegenseitig im Weg stehen und am Ende beide sterben? Das können wir unseren Eltern nicht antun. Wie ich damit leben soll, sollte ich wirklich gewinnen, darüber denke ich jedoch die ganze Zeit nach. Aber ist ein gebrochenes Kind, nicht besser als gar keines mehr zu haben?"
Schlagartig hatte mein Bruder die Stimmung wieder auf ein Tränenniveau gebracht und dieses mal wurde auch im Publikum geweint. Ohne zu warten ob Caesar noch weitere Fragen stellen wollte, stand er auf und kam zu mir zurück.
Er blieb gleich stehen und nahm meine Hand. Ich erhob mich und drückte ihn an mich.
Als die Nationalhymne gespielt wurde, schielte ich zur Seite. Auch die Zwillinge verschränkten ihre Hände mit einander und Lupo legte seinen großen Arm um das immer noch schluchzende Mädchen aus seinem Distrikt.
Lessa rückte auch näher an Dillian heran, doch er sah nur zu mir. In seinen Augen stand das Versprechen mir zu helfen und ich versuchte ihm zu zeigen, dass ich dankbar war.
Nach der Hymne gingen wir wieder von der Bühne und wurden erst einmal in unterschiedliche Räume gebracht.
Für jeden Distrikt einen.
Hier konnten die Stylisten noch mal Hand anlegen, falls Haare verrutscht oder Make up verschmiert wurde.
Ich war noch nicht mal im Zimmer, als mein Vorbereitungsteam schluchzend an mir hing.
Vor Schreck wusste ich erst nicht was ich tun sollte, doch dann versuchte ich sie irgendwie alle drei zu berühren und gleichzeitig zu beruhigen.
Ein Blick zu meinem Bruder zeigte mir, dass er das selbe Problem mit seinen Team hatte, wenn es auch bei weitem nicht so skurril aussah wie meines.
Wer konnte schon behaupten von einen Baum, einen Vogel und einen blauen Menschen gleichzeitig umarmt zu werden? Besonders, wenn diese drei Personen es perfektioniert hatten in drei Tonarten zu weinen, die allein schon kaum zu ertragen waren, zusammen aber einfach nur Kopfweh bereiten.
Wir wurden von Caleo und Quintus gerettet, die wenig später eintraten.
"Na aber.", rügte meine Stylistin liebevoll ihr Team, "Was seit ihr den für ein Team? Ihr sollt sie aufmuntern, nicht runter ziehen! Jetzt lasst sie endlich los, ihr zerstört noch das Kleid mit eurem Geheule."
Endlich bekam ich wieder Luft als die drei Armpaare sich von meinen Körper lösten. Quintus schien etwas weniger Erfolg zu haben. Was immer er gesagt hatte, es sorgte nur dafür, dass sein Team noch mehr schluchzte. Er schaute hilfesuchend nach Caleo, die aber nur mit den Schultern zuckte und sich dann wieder mir zu wandte.
"Komm mal her und lass dich anschauen."
Ich ging zu ihr und sowie ich vor meiner Stylisten stand, schaute sie mir tief in die Augen. Es war faszinierend. Auch wenn ihre Augen glutrot waren, wirkten sie so echt.
"Das war fantastisch. Ich wusste du würdest sie alle für dich gewinnen.", sagte sie freudestrahlend.
"Hab ich das?", fragte ich verwirrt.
"Oh ja, das hast du", erwiderte sie. In den Raum sagte sie lauter. "Das habt ihr beide."
Haymitch, der immer noch mit seinen Team kämpfte, lächelte ihr dankbar zu.
Als mein Team mich kurz durchgecheckt hatte, ob alles noch da war wo es hingehörte, halfen sie Quintus bei seinen Leuten. Es wurden tröstende Worte und Taschentücher getauscht, einander in den Arm genommen.
Man konnte fast meinen, einer von ihnen müsse morgen früh in die Arena, und nicht wir zwei.
Gerade als Cato hereinkam, hatten sich alle beruhigt. Noch mit Taschentüchern, roten Nasen und verweinten Augen starrten sie ihn an.
Er starrte zurück. Seine Augen waren leicht glasig, als hätte er getrunken, doch als er sprach, hörte man nicht davon.
"Seit ihr fertig?"
Quintus überprüfte nochmals Haymitch Outfit.
Dann legte er ihm noch schnell eine Kette an, genau wie Caleo mir. Sie war nah am Hals bei mir und ich konnte nicht sehen was es war.
Ich drehte mich zum Spiegel und sah ein schwarzes Band um meinen Hals, mit einer schwarzen Spottölpel Brosche daran.
Das Auge, welches man sah, bestand aus einen blauen Auqamarin. Als ich mich zu meinen Bruder zurück drehte, sah ich das auch er einen Spottölpel trug, nur golden und mit grauen Stein als Auge. Dazu hing seine Brosche an einer goldene Kette, die nicht so eng um den Hals lag. Ich musste schmunzeln. Dann gaben unsere Stylisten Cato das okay.
"Dann kommt. Wir werden auf einer Party erwartet."
Mein Bruder und ich folgten Cato wieder aus dem Zimmer heraus, zu einem anderen Saaleingang.
Jeder Distrikt würde mit seinen Mentor einzeln die Stufen runtergehen. Ich hoffte nur, dass ich mir in den Schuhe nicht die Beine brechen würde. Das wären dann ja tolle Hungerspiele.
Nach und nach gingen die Distrikte die Treppe runter, während ihre Namen und ihr Alter vorgelesen wurde.
Dann waren wir dran.
Auf einmal erschien Catos angewinkelter Arm vor mir.
Ich schaute ihn verwirrt an und er grunzte nur: "Denkst du ich hab Lust, das du Tollpatsch dir auch noch auf den Weg darunter weh tust. Bei unseren Glück ziehst du mich und deinen Bruder mit dir und wir liegen alle Tod unten am Treppenrand."
Auch wenn er versuchte grantig zu sein, schenkte ich ihn ein kleines Lächeln und hakte mich bei ihm ein.
Dann traten wir auf den Treppenabsatz und gingen langsam runter.
"Distrikt Zwölf, meine Herren und Damen. Der weibliche Tribut, Primrue Mellark, 16 Jahre alt, Tochter von Katniss und Peeta Mellark, beides Gewinner der 74. Hungerspiele. Und der männliche Tribut Haymitch Mellark, 14 Jahre alt, ebenfalls Kind von Katniss und Peeta Mellark. Begleitet werden sich von ihren Mentor Cato Teenan, 32 Jahre alt, Sohn des ehemaligen Tributs Cato Marok, Zweiter Platz aus den 74 Hungerspielen."
Als der Sprecher fertig war, wurde höflich applaudiert. Oh wie waren wir nur alle gesittet hier, dachte ich spöttisch, lächelte aber weiter.
Wir gesellten uns zu den anderen Tributen und Cato zu den Mentoren.
"Nun, dann lassen wir den Tanz von den Tributen eröffnen. Herrenwahl. Sucht euch bitte ein anderes Mädchen, als eure Distriktpartner."
Na das ging ja gut los, dachte ich mir und war gespannt wer wohl zu mir kommen würde. Zusteuern taten sie fast alle auf mich, was Unbehagen in mir weckte.
Haymitch war keine große Hilfe, da er verschwunden war.
Ich sah ihn kurz grinsend Richtung Tanzfläche gehen, das Distrikt Fünf Mädchen am Arm.
Kleiner Verräter.
Ich spürte wie eine Hand mich berührte und schreckte zurück.
Dann hörte ich Dillian lachen.
"Immer noch so schreckhaft?", fragte er mich und ich schaute zu ihm hoch. "Tanzt du mit mir oder willst du lieber einen aus der Horde, die dich da anstarrt."
Das taten sie wirklich. Als Dillian bei mir angekommen war, waren sie alle stehen geblieben und starrten mich an.
Hofften darauf, dass ich ihn wegschickte.
Mir gefiel diese verkehrte Welt langsam überhaupt nicht mehr.
Im Distrikt hatte mich noch nie jemand beachtet. Früher dachte ich immer, es wäre schön so begehrt zu werden. Das jeder mit mir reden oder tanzen wollte. Fehleinschätzung. Totale Fehleinschätzung meiner selbst.
Ich krallte mich in Dillians Arm und sagte vielleicht etwas zu inbrünstig: "Bloß nicht."
Er lachte wieder sein tiefes aber klares Lachen und nahm meine Hand. Ich war erleichtert, bis mir klar wurde was jetzt kam.
Tanzen.
Oh Gott.
Mit Cato hatte es nach einer Weile gut geklappt, aber was wenn ich Dillian jetzt auf den Füßen herum trampeln würde. Ich meine, er brauchte diese Füße schließlich morgen! Nicht das ich mir Sorgen machte, was er über mich dachte! Oder?
"Alles okay mit dir? Du wirkst auf einmal so blass.", holte mich Dillian aus meinen sich überschlagenden Gedanken.
"Ich ...ich kann nicht wirklich tanzen.", platzte es aus mir heraus.
Er schenkte mir nur ein Lächeln und hob mich auf einmal ganz leicht hoch, bis ich auf seinen Füßen stand. Da ich dadurch immer noch kleiner als er war und mein Kleid lang genug, viel es überhaupt nicht auf.
Ich konnte nicht anders, als ihn angrinsen.
Als die Musik begann, fing er einfach an für uns beide zu tanzen. Mein Gewicht schien ihn dabei gar nichts auszumachen. Wir wirbelten herum und ich konnte ein Lächeln nicht verkneifen. Um uns war nur Blitzgewitter und Kameras aber selbst die störten mich in diesen Moment nicht.
Ich fühlte mich frei und glücklich, wie seit langen nicht mehr. Keine Wut oder Trauer über irgendwas. Keine Angst. Nur Spaß.
Viel zu schnell war das Lied zu ende und Dillian stellte mich wieder ab. Bevor er ging, flüsterte er: "Treffen wir uns später nochmal auf den Dach?"
Ich nickte unscheinbar, da in diesem Moment schon ein Fremder man mich zum tanzen aufforderte.
Nun wo der Eröffnungstanz beendet war, durften alle Gäste tanzen und da dies alles Sponsoren waren, durfte ich nicht nein sagen.
Am Anfang hatte ich Angst, etwas falsch zu machen. Ich wurde bald warm und fing an mich natürlicher zu bewegen. Die meisten hielten akkurat Abstand und wollten einen eher Ausfragen als wirklich tanzen. Ich beantwortete alles eher wage. Sie mussten nicht alles über mein Leben wissen.
Nach gefühlten fünf Stunden, fing es an langweilig zu werden.
Die immer selben Fragen wurden gestellt, meistens tanzte man nur auf der Stelle hin und her, und die langsame Musik half auch nicht wirklich dagegen an, wach zu bleiben. Besonders zusammenreißen musste ich mich als Geier auf mich zu kam.
Ich zwang mein leichtes Lächeln, welches schon wehtat, auf meinen Gesicht zu bleiben und einzufrieren.
"Nun meine kleine Wildkatze", begann er nach etwa 30 Sekunden des schweigsamen Tanzens, "das war eine gute Vorstellung bei den Interviews. Ich bin gespannt wie gut du dein Versprechen einhalten wirst. Und ganz Panem ist sicher auch gespannt. Wirst du schon am ersten Tag scheitern oder schafft ihr es sogar eine Weile zu zweit."
Mich ekelte regelrecht vor ihm und ich hoffte irgendjemand würde mich erlösen. Es war nicht irgendjemand, sondern Finn.
Er klopfte auf die Schulter von Geier und fragte freundlich: "Dürfte ich abklatschen."
Dieser nickte nur und übergab meine Hand an Finn. Als der Hauptspielmacher weg war, konnte ich ein seufzen nicht unterdrücken.
"So schlimm", fragte Finn und als ich nur die Augen verdrehte erklärte er: "Dann sei mal froh das ich dich gerettet hab. Finn Odair. Immer zu Diensten. Aber eigentlich wollte ich mich nur selber retten. Ich sags dir. Wenn mich noch eine Frau fragt, ob in Distrikt Vier jemand auf mich wartet, dann lauf ich glaub ich Amok."
Er seufzte theatralisch und ich musste kichern.
Auch wenn er viel älter als ich war, hatte er es schon immer geschafft mich wieder aufzumuntern.
Ob ich als kleines Kind einfach nur hingefallen war, oder wenn andere Kinder mich geärgert hatten. Wenn Finn da war ging es mir immer gleich besser.
Früher hatten Annie und er fast jeden Sommer und auch ein paar Wochen im Winter bei uns verbracht.
Damals kümmerten meine Eltern sich um Annie und gaben Finn somit die Chance höchstens für ein paar Stunden Kind sein zu dürfen.
Einmal sind wir sogar mit meinen Vater nach Distrikt Vier gefahren, wo Finn mir und Haymitch das schwimmen beigebracht hatte.
Wir blieben aber nicht lange, da meine Mutter nicht mitkommen konnte.
Schließlich war sie nach ihrer Attacke auf Präsidentin Coin nach Distrikt Zwölf verbannt wurden. Dad konnte nicht lange ohne sie sein, auch wenn Haymitch bei ihr geblieben war.
Ich hätte gern nochmal das Meer gesehen...
Früher dachte ich immer, ich hätte noch genug Zeit dazu wenn ich älter wäre. Einfach einmal durch die Distrikte reisen um zu sehen wie jeder ist, auch wenn ich schon vorher gewusst hätte, dass ich Distrikt Zwölf und meine Familie nie verlassen hätte. Aber einfach diese Wahl zu haben, wäre schön gewesen.
"He, du tanzt mit dem wohl meist begehrtesten Junggesellen in diesem Raum und ziehst ein Gesicht, wie drei Tage Regenwetter!", beschwerte sich Finn und ich lächelte ihn entschuldigend an. Auf einmal wurde schnellere Musik gespielt und mein Tanzpartner seufzte erleichtert auf. "Na endlich."
"Du hast doch nicht die Band bestochen oder?"
Sein freches Grinsen war Antwort genug.
"Komm, lass uns mal ein bisschen Stimmung hier rein bringen und wie früher tanzen, als du noch klein warst."
Ich hätte nicht einmal widersprechen können, wenn ich gewollt hätte, da er mich in dem Moment auch schon anfing herumzuwirbeln und ich einfach nur noch Lachen musste.
Andere Paare mischten sich mit unter uns und es kam so etwas wie Leben in den Raum. Ich merkte nicht einmal wie wir uns immer näher zu einen Ausgang zu bewegten, bis wir genau davor standen.
"Jetzt kannst du gehen, ohne das es jemand mitbekommt. Ich sorge dafür, dass ihr nicht vermisst werdet."
Völlig außer Atem schaute ich Finn verwirrt an.
Er lachte kurz wieder, bevor er erklärte: "Denkst du ich hab nichts von dem kleinen Deal zwischen dir und Dillian mitbekommen? Ich muss schon sagen, ein bisschen enttäuscht war ich schon, dass du mir nichts erzählt hast."
Er zog kurz einen Schmollmund, bevor er weiter sagte: "Euer Deal macht es für mich ziemlich schwer zu gewinnen. Dillian war meine ganze Hoffnung,"
Er spaßte, dass sah ich aber dann wurde er ernst.
"Jetzt heißt es wohl Abschied nehmen. Wir sehen uns wohl nicht wieder, mmh?"
Ein Kloß war plötzlich in meinem Hals und Tränen schossen in meine Augen, als mir bewusst wurde, was er sagte.
Das war das Ende.
Ich würde ihn nicht mehr sehen.
Morgen früh würden wir abgeholt werden, vor der Arena war nur noch Caleo bei mir und dann war ich allein.
Weil ich nicht weinen wollte, nickte ich nur.
Er hatte Recht, doch es tat weh.
Ich hasste das alles so sehr. Ich hasste unseren neuen Presidenten. Warum tat er uns das an?
Finn zog mich in seine Arme und ich klammerte mich ein letztes mal an ihn.
Er war immer für mich da gewesen, trotz seines eigenen, nicht leichten Lebens. Finn war mein großer Bruder und ihn nie wiederzusehen machte mir Angst.
"Okay, genug jetzt. Geh.", schniefte er und drückte mich von sich weg.
"Ich hab dich lieb, Finn.", sagte ich noch als ich aus der Tür ging. Ich vernahm jedoch noch seine Stimme: "Ich dich auch, Kleines. Ich dich auch."

Primrue Mellark | Ungewolltes ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt