Primrue Mellark | Kapitel 19

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Das erste was ich mitbekam war Schmerz. Unerträglicher Schmerz, der von meinen Kopf bis zum Nacken zog.
Ich versuchte meine Augen zu öffnen. Nur das Rechte führte meine Anweisung aus, das andere war von Blut verklebt.
In meiner eigenen Blutlache zu erwachen, war nicht gerade mein Traum gewesen, aber zumindest schien ich noch zu leben.
Es hatte wieder angefangen zu regnen, aber viel war es noch nicht, was durch das dichte Blätterdach drang.
Mich schien niemand gefunden zu haben, sonst wäre ich jetzt wahrscheinlich tot. Viel besser fühlte ich mich jedoch nicht.
Kurzzeitig fiel mir nicht einmal mein Name ein.
Wer ich war, wo ich war. Was passiert war.
Alles okay, beruhigte ich mich selber und versuchte mich zu konzentrieren.
Dein Name ist Primrue Mellark. Du bist die Tochter von Katniss und Peeta. Du lebst in Distrikt 12. Dein kleiner Bruder heißt Haymitch, wie dein "Ersatzgroßvater", der dir beigebracht hatte zu kämpfen. Haymitch ist 14, du bist 16 und oh ja, du hast dich freiwillig für die Hungerspiele gemeldet, nachdem dein Bruder ausgewählt wurden. Sonst noch was wichtiges? Du hast gegen einen "Klon" deines Vaters gekämpft und gewonnen. War ein ziemlicher Idiot. Dein Gesicht besteht wahrscheinlich nur noch aus einer einzigen Wunde, aber ich wollte eh nie einen Schönheitswettbewerb gewinnen... Ja, ich glaube, das war das Wichtigste, sagte ich leise zu mir. Es hatte mich beruhigt. Also konnten wir uns dem nächsten Problem widmen.
Meine Arme, schwer wie Blei, wollten sich erst nicht bewegen lassen, aber mit purer Willenskraft zwang ich sie dazu. Langsam, Millimeter für Millimeter zog ich sie nach vorne, bis sie im richtigen Winkel zu meinen Körper waren. Ich holte tief Luft und stemmte mich nach oben. Ich wusste nicht, wogegen was ich zuerst ankämpfen sollte. Gegen die Übelkeit oder die wieder drohende Ohnmacht, ausgelöst durch den Schmerz, der durch meinen Kopf schoss.
Spontan entschied ich mich gegen die Ohnmacht und erbrach das wenige Essen welches ich heute zu mir genommen hatte. Nicht angenehm, aber besser als weiter hilflos herumzuliegen. Besonders, da ich nicht wusste, wie hoch das Wasser hier steigen würde.
Auf Händen und Knien atmete ich erst einmal tief durch. Die Welt drehte sich immer noch, aber nicht mehr so schlimm wie vorher. Langsam drehte ich meinen Kopf in die Richtung in der Peeta liegen musste.
Er war nicht mehr da. Nur ein riesiger, roter Fleck erinnerte an ihn. Als wäre er nur ein Alptraum gewesen.
Denk nicht darüber nach. Konzentrier dich uns auf Wichtigeres. Erst einmal aufstehen.
Ich versuchte die Hürde des Aufstehens zu schaffen, aber als ich mich auf meine Fersen hocken wollte, drehte die Welt sich wieder schlimmer. Mein Magen fing wieder an zu rebellieren und da ich mir es nicht komplett mit meinen Körper verscherzen wollte, ließ ich mich wieder auf Hände und Knie zurück sinken.
Okay, dann eben so. Sicher nicht die eleganteste Art sich fortzubewegen aber dann hatten die Menschen im Kapitol wenigstens etwas zu lachen.
Ich kroch zuerst zu meinem zweiten Dolch. Bei ihm angekommen musste ich wieder durchatmen. Mein ganzer Körper zitterte und es war eine Herausforderung die Waffe wieder in ihre Halterung zu bringen.
Ich gratulierte mir selbst. Ich schaffte also ganze drei Meter ohne umzukippen. Na da würde ich aber weit kommen. Ich sah mich um und versuchte, mich zu orientieren. Normalerweise war ich gar nicht so schlecht darin, aber das einzige was mein Kopf im Moment zustande brachte war Blut zu verlieren und Schmerzen bis in jedes Nervenende zu strahlen.
Ich beschloss, auf gut Glück los zu kriechen. An einen höher gelegenen Ort. Dann konnte ich weiter nachdenken oder einfach sterben. Aber, ein Schritt nach den anderen. Hatte ich das nicht auch zu Cato gesagt?
Keine Ahnung, wie weit ich gekrochen war. Wahrscheinlich waren es nur wenige Meter, auch wenn es sich anfühlte, als wäre ich Meilen gekrochen. Aber die Bewegung half. Auch wenn die Schmerzen zunahmen und das Blut wieder stärker floss, verging der Schwindel etwas. Als es nur noch ein leichtes Schwanken war, traute ich mich einen neuen Versuch zu starten.
Ich kroch zum nächsten Baum und zog mich langsam an ihm hoch. Mein rechter Knöchel wollte sich ebenfalls beschweren, aber ich ignorierte sein Pochen. Es war bei weitem nicht so schlimm, wie mein Kopf und ich konnte im Moment nicht auf jede Wunde Rücksicht nehmen.
Irgendwann stand ich schwer atmend da. Noch immer an den Baum gelehnt, aber ich stand. Kalter Schweiß lief zusammen mit Regenwasser meinen Rücken hinunter. Ich fror und es tat weh wenn mein Gesicht etwas berührte. Mit zusammengebissenen Zähnen hielt ich meinen Kopf jedoch ins Wasser, um zumindest mein zweites Auge wieder öffnen zu können.
Als ich mich daran gewöhnt hatte, wieder auf zwei Beinen zu gehen, schwankte ich weiter. Langsam erkannte ich auch die Gegend wieder. Ich war unentschlossen. Waren Haymitch und Dillian zu unseren Baum gegangen? Waren sie ganz woanders? Wo sollte ich anfangen?
Es würde bald dunkel werden und meinen Augen konnte ich nicht trauen, da sie immer wieder zwischen scharf und verschwommen wechselten. Also beschloss ich, in Richtung Baum zu gehen. Keine Ahnung wie ich hochkommen sollte, aber vielleicht waren die Beiden dort. Und wenn nicht... musste ich mich darauf verlassen, dass Dillian meinen Bruder beschützen würde.
Nach einer weiteren kurzen Pause ging ich weiter. Und so schlug ich mich weiter durch den Wald. Einige Meter gehen, Pause, einige Meter gehen, Pause. So kam ich langsam voran. Nur der Regen begleitete mich. Ich hoffte, dass die Spielmacher für heute genug gesehen hatten.
Doch diese Hoffnung wurde genau in diesem Augenblick zerstört. Ich hörte einen Schrei. Leise, aber nicht weit entfernt. Er ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich kannte die Stimme, würde sie überall erkennen.
Haymitch.
Nein!
Ich wusste nicht, wo die Kraft herkam, aber ich stieß mich vom Baum ab und rannte.
Meine Füße setzten sich wie von selbst immer wieder vor einander, getrieben von der Angst. Lass mich nicht zu spät kommen. Bitte lass mich nicht zu spät kommen, schoss es mir immer wieder durch den Kopf. Ich hielt abrupt an, als ich an einen kleinen Abhang kam und ich fast hinunterstürzte. Die Höhle in der der Junge aus Distrikt 7 gestorben war.
Nur dieses mal war das Bild anders. Ich sah vier stehende Gestalten, zwei lagen am Boden. Im ersten Moment wollten meine Augen sich nicht scharf stellen, doch dann erkannte ich genaueres. Es waren die Tribute aus Distrikt 10 und 8, von denen ich schon geahnt hatte, dass sie eine Allianz eingegangen waren. Das Mädchen aus 10 lag am Boden. Ich konnte nicht sehen ob sie noch lebte aber nach der Größe der Blutlache, die sich rasend schnell unter ihr bildete, würde sie selbst wenn, nicht mehr lange überleben.
Die andere Gestalt die stand war Dillian. Mein Bruder lag am Boden. Reglos und von mir abgewandt.
Nein, bitte nicht... Bitte...
Purer Zorn übernahm die Kontrolle über meinen Körper. Ich zog meinen Dolch, nahm Anlauf, rannte und sprang den Abhang hinunter, genau auf den Rücken von dem Jungen aus 10.
Als ich auf ihn landete bohrte sich mein Dolch erbarmungslos zwischen Schulter und Hals. Er war tot, bevor er überhaupt wusste, wer da von oben gekommen war.
Alle die noch standen, drehten sich zu mir und schauten entsetzt. Mit dem verschmierten Blut und Dreck in meinem Gesicht, musste ich schon erschreckend genug aussehen, aber wenn sich auch nur ein Hauch meiner Wut und Verzweiflung in meinem Gesicht widerspiegelte, hätte ich auch Angst vor mir gehabt. Selbst Dillian schien wie erstarrt.
Ich ließ keinem von ihnen Zeit sich wieder zu erholen. Ich wollte sie tot sehen. Alle. Mir war egal, wer meinen Bruder zu nahe gekommen war, sie sollten alle sterben. Ich lief los, genau auf den Jungen aus Distrikt Acht zu.
Doch bevor ich ihn erreichte dröhnte ein Brüllen aus den Wald und vier Wesen strömten aus ihm hervor.
Die Spielmacher wollten mitspielen.
Ich hatte noch nie so etwas gesehen. Die Wesen waren klein, nicht höher als bis zu meiner Hüfte, aber sie hatten riesige Klauen an Händen und Füßen. Ihr Maul bestand nur aus Zähnen. Ihr Fell war schön. Keine Ahnung warum es mir auffiel, aber es war halblang, gescheckt in mehreren Farben und hellblaue Augen schauten uns an. Augen voller Mordlust.
Ich ließ von dem Jungen ab und konzentrierte mich auf das erste dieser Monster, das auf mich zu stürmte. Sie waren flink, aber nicht flink genug. Ich schnappte mir das erste und warf es über mich. Der Schrei, den es dabei von sich gab hätte mich beinahe zum Lachen gebracht, wenn nicht ein anderer Schrei sich mit ihn vermischt hätte. Es war ein hoher, unglaublich qualvoller Schmerzensschrei. Das Mädchen aus Distrikt 8.
Mein Kopf fuhr ruckartig herum, und er quittierte diese ruckartige Bewegung sofort mit Schmerz. Wieder legte sich ein leichter Schleier über meine Augen. Später würde ich für ihn dankbar sein, denn so sah ich nur schemenhaft, was passiert war.
Das kleine Wesen hatte sich mit seinen Füßen in ihren Oberkörper gekrallt und seine Krallen in ihre Augen gebohrt. Dort wo diese einmal waren, sah man nun nur noch blutige Höhlen. Nur langsam ebbte ihr Schreien in ein Stöhnen ab, als sie umfiel. Das Wesen sprang von ihr hinunter und trat noch einmal mit seinen Krallen besetzten Füßen nach ihr. Da zuckte sie zusammen und ihr Stöhnen wurde wieder lauter.
Sie lebte noch. Das arme Mädchen lebte noch. Die Schmerzen mussten...
Ich lief zu ihr. Das kleine Wesen war immer noch damit beschäftigt sie zu quälen und beachtete mich nicht. Ein tödlicher Fehler. Ich stach ihm in den Rücken. Nun kreischte es seinerseits auf und ich trat es mit all meiner Kraft von ihr weg. Es blieb liegen und verendete langsam. Als ich mich zu den Mädchen kniete, versuchte ich mich nicht schon wieder zu übergeben. Ihr Anblick war schrecklich und ich wusste, dass ich nie wieder in meinem Leben die Augen schließen würde, ohne dieses Bild vor mir zu sehen. Ihr Körper zuckte. Wehrte sich gegen den Schock der ihn übernahm. Sie schien zu merken, dass jemand da war. Ihre Hand suchte panisch nach mir und schnell ergriff ich ihre Hand. Mit Kraft, die mich verwunderte umgriffen mich ihre Finger und ihre Lippen begannen sich zu bewegen.
"Bitte..."
Ihre Stimme war leise, aber ich hörte sie. Ihr Anblick erinnerte mich so sehr an Catos Vater und an das was meine Mutter getan hatte und nun wusste ich, dass es nicht herzlos von ihr war, wie viele in Distrikt 2 manchmal behaupteten, sondern dass sie ihn erlöst hatte. Dass er sie darum gebeten hatte, wie das Mädchen nun mich. Ohne zu überlegen, erfüllte ich ihren letzten Wunsch und stach ihr ins Herz. Noch einmal stöhnte sie auf, aber es klang eher wie ein Seufzen der Erleichterung. Ihre Hand erschlaffte in meiner.
Mir blieb keine Zeit darüber nachzudenken.
Es war ein Wunder, dass ich nicht von weiteren dieser Biester angegriffen worden war. Ich drehte mich um und erkannte den Grund. Dillian hatte sich in meine Richtung durchgeschlagen und dabei zwei von den Viechern getötet. Klauenspuren zogen sich über seine rechte Gesichtshälfte, aber sie waren nicht sehr tief. Ansonsten schien er unverletzt. Der Junge aus Distrikt Acht hatte die Ablenkung ausgenutzt und war in dem herrschenden Chaos los gerannt. Im Vorbeilaufen erstach er den noch immer leicht verwirrten Mutanten und verschwand in den Wald. So viel zu ihrer Allianz. Dillian kümmerte sich um den fünften und letzten. Ohne den Überraschungseffekt und allein war es nicht schwer für meinen Kameraden, ihn zu vernichten.
Das Adrenalin in meinem Körper sorgte dafür, dass ich zitterte. Ich hatte meine Glieder nicht mehr unter Kontrolle und sackte zusammen. Der Dolch rutschte mir aus der schlaffen Hand.
Mein Zorn ebbte ab und die Realität traf mich wie ein Hammerschlag.
Haymitch... Als ich in seine Richtung sah, lag er immer noch wie vorher da. Bewegte sich nicht.
Das durfte nicht sein, bitte... Nicht ihn...
Tränen traten mir in die Augen, als ich langsam auf ihn zu kroch. Ich wollte die Realität nicht wahr haben, aber ich konnte ihn auch nicht so liegen lassen. Als ich bei ihm ankam strömten die Tränen über mein Gesicht und meine Hand die ich nach ihm ausstreckte bewegte sich unkontrolliert. Fast in Zeitlupe nährten sich meine Finger seiner Schulter, als der erste Kanonenknall durch den Wald hallte.
Der zweite. Ich berührte seine Schulter, noch immer so warm.
Der dritte. Vorsichtig drehte ich ihn zu mir. Seine Augen waren geschlossen. Ich nahm ihn langsam in den Arm.
Kein vierter kam. Ich verstand nicht, bis Haymitch langsam begann, sich in meinen Armen zu bewegen. Er stöhnte.
Ich bekam keine Luft. Halluzinierte ich? Da bemerkte ich, dass sich seine Brust auf und ab bewegte. Nur leicht, aber regelmäßig. Als er seine Augen aufschlug und ich in diese grauen Abgründe blickte verspürte ich reines Glück. Mein Schmerz war vergessen, der Schwindel, das über mein Gesicht laufende Blut. Noch immer weinend, musste ich gleichzeitig lachen, als er verwirrt fragte: "Was ist passiert?"
Ich zog ihn hoch und drückte ihn an mich. Ich hatte ihn nicht verloren. Die schlimmsten Sekunden meines Lebens waren nicht echt gewesen. Er war noch da. Als Dillian sah, dass es Haymitch gut ging, wandte er sich von uns ab, ließ uns etwas Privatsphäre. Auch wenn das Unsinn war. Überall hingen Kameras. Wir sahen sie nur nicht.
Ich umfasste das Gesicht meines Bruders, so froh ihn wach und lebendig zu sehen.
"Ich dachte, ich hätte dich verloren!", flüsterte ich und lächelte ihn mit feuchten Augen an. 
"Ich bin okay", versicherte er mir. "Aber du siehst nicht so gut aus."
"Mir gehts es gut", sagte ich immer noch lächelnd und sein Gesicht umgreifend, "Solange du da bist geht es mir gut, Krümel."
Er lächelte und nahm mich wieder in den Arm.
Wenn ich jetzt daran dachte, wünschte ich mir für immer in diesem Moment, im Regen leben zu können. Einfach die Zeit anhalten und nichts anderes mehr erleben. Aber ich konnte es nicht, so sehr ich es mir auch wünschte.
Alles geschah in Zeitlupe für mich. Gerade hielt mich mein kleiner Bruder noch im Arm, drückte mich an sich. Ich merkte nur wie er sich auf einmal versteifte und dann passierte alles ganz schnell. Haymitch sprang auf, rief nach Dillian und war auf einmal hinter mir.
Ich war nicht schnell genug. Als ich noch in der Drehung sah ich, wie eine weitere Mutation auf mich zusprang, ihre furchtbaren Klauen voraus. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Dillian seinen Bogen anlegte, doch ich wusste, dass auch er zu spät kommen würde.
Egal wie sehr ich es mir wünschte, ich konnte nur zusehen, wie Haymitch in den Sprung des Wesens trat und dessen Krallen sich in seinen Oberkörper bohrten.
Wütend kreischend sprang es zurück, um noch einmal anzugreifen, doch da wurde es von einen Pfeil im Kopf getroffen.
...
...
...
Ich starrte auf Haymitch Rücken. Er bewegte sich nicht.
Dreh dich um, beschwor ich ihn gedanklich. Dreh dich um und zeig mir, dass es dir gut geht. Bitte zeig mir dein Lächeln und sag, dass es knapp war. Das ich falsch gesehen hatte.
Er drehte sich tatsächlich um. Lächelte mich an.
Sein Hemd Blut durchtränkt.
Mehr als ein Dutzend Stichwunden in seinen Oberkörper, jede einzelne tödlich.
Aus seinen Mund trat Blut, dann brach er zusammen.
Ich schrie. Mir war egal, wer mich hörte.
Nach vorne springend, fing ich ihn auf und sank mit ihm zu Boden.
"Warum?", stammelte ich, "Warum hast du das gemacht? Wir hatten doch eine Abmachung. Du gehst heim. Zu Mom, Dad, zu allen anderen."
"Entschuldigung", flüsterte er. "Aber wir hatten nur ausgemacht, dass du mich vor den anderen Tributen beschützt, schon vergessen.?"
Er lächelte wieder.
"Es tut weh Primrue", setzte er leise an, nun ganz wie der kleine Junge klingend, der er war.
Tränen traten aus seinen Augen und ich nahm ihn fester in meinen Arm. Meine Hand umschloss seine, wie noch vor wenigen Minuten die des Mädchens aus Distrikt 8.
"Sssch, ist okay. Ich bin da, ich geh nicht weg. Ich halte dich", flüsterte ich ihn zu.
Dicke Tränen kullerten aus meinen Augen, aber ich versuchte, keine Schwäche zu zeigen. Ich musste für ihn da sein. Ihn beschützen. Das war meine Aufgabe.
"Ich hab Angst", klagte er leise.
Immer mehr Blut lief aus seinem Mund und seine Atmung wurde rasselnder.
"Denk nicht dran, Krümel. Schau mich an.", wies ich ihn an.
Er tat es und ich zwang mich zu lächeln.
"Du gehst jetzt einfach zu unserer Familie. Lernst sie kennen. Dort tut nichts mehr weh. Es ist einfach nur ein neuer Lebensabschnitt. Ich komm nach. Irgendwann. Okay?"
Er nickte und noch mehr Tränen flossen aus seinen Augen, auch wenn ich merkte, dass er versuchte sie zurückzuhalten. Das Atmen fiel im schwerer und Panik mischte sich in seine Augen.
"Es...es tut mir leid...bitte... Primrue."
"Es ist okay. Alles wird gut. Ich schaffe das.", beschwor ich ihn.
Er kämpfte für mich. Quälte sich, weil er mich nicht allein lassen wollte. Der Schmerz in meinem Inneren zerriss mich, trotzdem sagte ich leise: "Lass los Haymitch. Ist in Ordnung. Wir kommen klar. Mom, Dad und ich, wir schaffen das. Du hast genug getan Krümel." Unsere Hände blieben in einander verschränkt. Ich sah den Augenblick, in dem die Worte zu ihm durchdrangen. Als er losließ.
Noch einmal sah ich sein Lächeln, bevor seine Augen sich schlossen und er in meinen Armen ein letztes mal einatmete.
Dann aus...
Ich konnte nicht glauben, dass sich seine Augen nie mehr öffnen würden und als ich die Kanone hörte, brach ich. Mein Inneres zersplitterte und ich schrie den ganzen Schmerz heraus.

Primrue Mellark | Ungewolltes ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt