Wir schleppten uns schweigend durch den Regen.
Dillian versuchte so gut es ging alleine zu laufen, aber die Wunden forderten ihren Tribut. Da wir ihn nicht einfach auf einen Baum verfrachten konnten, musste ich eine passende Höhle finden, die nicht mit Wasser volllaufen würde.
Als wir endlich eine entdeckten, fielen wir eher herein, als das wir gingen.
Schwer atmend blieben wir liegen. Ich kämpfte mich als erstes wieder hoch und schaute nach Dillian.
Seine Augen waren geschlossen, doch als er bemerkte, dass ich mich bewegte, öffnete er sie.
Ich versank in seinen tiefblauen Augen.
Es war meine Schuld, dass er verletzt war. Ich wusste nicht, was er über mich dachte, also lächelte ich ihn nur zögerlich an.
Haymitch unterbrach den Moment, indem er sich stöhnend aufrichtete und an unseren Soldaten wand.
"Na komm Großer. Wir müssen mal schauen, dass du noch ein bisschen Blut behältst." Dillian brach unseren Blickkontakt ab, um zu meinen Bruder zu schauen.
"Gute Idee", stimmte er leise zu, dann richteten die beiden ihn wieder auf.
Innerlich dankte ich Haymitch dafür, dass er sich Dillian annahm.
Zusammen befreiten sie ihn von der Jacke und den T-Shirt. Darunter kam viel... viel...
Herr Gott nochmal beherrsche dich, rügte ich mich kurz selbst.
Blut, da war viel Blut. Konzentriere dich darauf.
Als ich mich endlich wieder zusammengerissen hatte, sah ich, dass da wirklich viel Blut war.
"Die Einstichstelle da sieht nicht gut aus.", brachte Haymitch es auf den Punkt.
Die Wunde wo er das Messer abgefangen hatte, welches für mich bestimmt gewesen war.
"Das müssen wir nähen", hörte ich meinen Bruder eher aus der Ferne sagen.
Ich starrte nur auf die Wunde, die er wegen mir hatte.
"Primrue", rief mich mein Bruder und ich schaute ihn verwirrt an.
"Hm?"
Welch glorreiche Antwort, aber zu mehr war ich nicht im Moment nicht in der Lage.
"Nähen. Ich glaub das ist eher dein Gebiet.", erklärte mir Haymitch langsam und ich starrte ihn nur weiter an.
Nähen? Ich? Was? Eine Wunde?
Als ich realisierte, was er meinte, schaute ich ihn nur noch entgeistert an.
"Ich würde es ja selbst machen",schaltete sich Dillian mit einem entschuldigenden Blick ein, "aber da komm ich nicht ran."
"Ja, ja klar.", stammelte ich und suchte in meiner Tasche nach dem Erste Hilfe- Koffer.
Als ich endlich Nadel und Faden, in den Händen hatte zitterten diese fürchterlich.
Also komm schon, redete ich mir gut zu, ist wie ein Loch in der Hose nähen. Komm, das hat dir Mom mal gezeigt.
Ging damals zwar komplett schief, aber was egal. Wird schon klappen. Das ist nur Haut und Blut und... Hilfe...
Ich schloss die Augen und seufzte.
Ich wusste nicht, wie lange ich so da saß, aber irgendwann spürte ich Hände die meine umschlossen.
Als ich die Augen öffnete war nur noch Dillian da. Haymitch war irgendwo weiter hinten in der Höhle.
"Du schaffst das.", redete er mir gut zu und ich nickte.
Ich wusste nicht warum, aber meine Hände beruhigten sich.
Dillian lächelte mich noch einmal aufmunternd an, bevor er sich an die Wand lehnte um ruhig zu halten. Ich versuchte nicht seine Schulter zu sehen, sondern so zu tun, als wäre es ein Tuch. Genau.
Bevor ich den ersten Stich tat säuberte ich die Wunde so gut ich konnte.
Der Erste war der schlimmste. Auch wenn Dillian versuchte nichts zu zeigen, merkte ich wie er sich verkrampfte.
Kein Mitgefühl jetzt.
Ich versuchte schnell zu arbeiten. Keine Ahnung ob ich es richtig machte. Ich versuchte eng zu nähen, damit die Wunde verschlossen war und am Ende sickerte nur noch wenig Blut hinaus.
Dillian und ich atmeten gleichzeitig aus. Unsere Blicke trafen sich wieder und wir mussten beide lachen.
Haymitch schien sich Sorgen zu machen, denn er kam zurück.
"Alles okay bei euch?", fragte er.
Da ich immer noch kicherte, beantwortete Dillian ihn die Frage.
"Ja, das Schlimmste ist überstanden."
Ich verband seine Schulter und versorgte auch noch die anderen Schnitte. Keiner war so schlimm, dass er hätte genäht werden müssen, worüber ich mehr als froh war.
Als wir fertig waren, half ich ihm auf die Beine und brachte ihn tiefer in die Höhle, wo Haymitch schon den Schlafsack ausgebreitet hatte.
Dillian setzte sich darauf und ich gab ihn noch etwas zu essen. Viel aß er nicht aber es war besser als nichts.
"Schlaf jetzt ein bisschen.", schlug ich Dillian vor, doch er schüttelte nur den Kopf.
"Ich bin okay."
"Nein bist du nicht", widersprach ich, "Du bist verletzt und erschöpft. Wegen mir! Weil ich auf einmal die dumme Idee hatte, ein anderes Mädchen zu retten! Also schläfst du jetzt gefälligst!"
Meine Stimme war immer lauter geworden und die Stille, die danach eintrat um so schlimmer.
Dillian brach sie.
"Es war nicht deine -"
"Lass es", unterbrach ich ihn müde. "Ruh dich einfach aus, okay? Ich... ich kann dich ja später wecken und du übernimmst die zweite Hälfte."
"Okay", stimmte Dillian ruhig zu und legte sich hin.
Ich ging zurück zum Eingang der Höhle. Haymitch kam mir nach.
Ich ignorierte ihn und setzte mich hin.
Dillian so schwach zu sehen gefiel mir nicht. Zu wissen, das es meine Schuld war, brachte mich fast um.
Mein Bruder legte die Decke um meine Schultern, setzte sich neben mich und kletterte mit unter den Stoff.
Wir saßen erst nur nebeneinander. Schweigend hörten wir auf den Atem des anderen.
Nach einer Weile hielt ich es nicht mehr aus und nahm Haymitch in den Arm.
Es tat gut, meinen kleinen Bruder wieder halten zu können. Ich wusste nicht, wie oft ich es noch machen konnte, also genoss ich es.
Irgendwann unterbrach er die Stille.
"Du magst ihn.", stellte er flüsternd fest.
"Was?"
"Dillian. Du magst ihn."
"Er hat uns das Leben gerettet.", erklärte ich, "Ich gebe es nicht gerne zu, aber ohne ihn wären wir wahrscheinlich schon tot."
Haymitch grinste mich an und schaute viel zu erwachsen drein. Ich boxte ihn sanft in die Seite. Als er anfing zu kichern, musste auch ich lächeln.
Damit war die Frage erst einmal vom Tisch, aber sie spukte noch in meinem Kopf herum.
Ich mochte ihn, ja, aber wir würden sterben, also war es egal. Warum hoffte ich aber nur, dass ich vor ihm sterben würde, dass ich nicht sehen müsste, wie er stirbt?
Ich drückte Haymitch wieder stärker an mich.
"Bist du okay, Primrue?", fragte er leicht ängstlich.
"Ja, mir gehts gut", erklärte ich ihm und lächelte ihn nochmal schwach an.
Eine Weile blieben wir noch sitzen. Die Hymne setzte ein und zeigte die Toten.
Beide Tribute aus Distrikt Eins und das Mädchen aus Distrikt Fünf.
Einfach so. Das wars.
Wieder drei Menschen Tot..."Versuch auch zu schlafen", flüsterte ich leise und küsste seinen Kopf. Er nickte nur und kuschelte sich weiter an mich.
Bevor er weg döste, nahm er meine Hand und hielt sie fest. Erst als ich sicher war, dass auch er eingeschlafen war, ließ ich zu das Tränen aus meinen Augen überliefen und leise an meinen Wangen herunterliefen.
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Primrue Mellark | Ungewolltes Erbe
FanfictionMein Name ist Primrue Mellark und ich bin die Tochter von Katniss und Peeta Mellark, Gewinner der 74. Hungerspiele und Überlebende der Rebellion. Dies ist meine Geschichte... Teil 2: http://www.wattpad.com/story/19788964-primrue-mellark-2-ungewollte...