Kapitel 30

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Oliver POV

SCHEIßE!!
Wie von der Tarantel gestochen verwandelte ich mich und rannte Mia hinterher. So aufgebracht wie Sie mich gerade angesehen hatte, durfte sie jetzt nicht einfach alleine in den Wald rennen. Ihr könnte sonst was passieren! Wenn die Vampire immernoch hier durch die Gegend streiften und sie finden würden...
Oh Gott das will ich mir gar nicht vorstellen.

Mit meiner feinen Nase spürte ich nur nach wenigen Minuten das leichte Kribbeln, welches mich immer überkam, sobald sie in meine Nähe kam. Ich reckte die Schnauze in die Luft und atmete tief ein. In der Luft lag ihre Verzweiflung und ihre Angst, aber zumindest konnte ich bestimmen woher der Geruch kam. Mit eiligen Schritten lief ich zu dem nicht weit entfernten Fluss, reduzierte aber sofort mein Tempo und blieb stehen, als ich sie am Ufer stehen sah.
Sie stand in ihrer Wolfsgestalt am Wasser und schaute sich in der Reflexion im Fluss an.
Wie sie da so stand und mich scheinbar nicht bemerkte, fiel mir auf, dass sie in ihrer Wolfsgestalt fast einen Kopf kleiner zu sein schien als ich. Sie legte ihren Kopf von links nach rechts und begutachtete sich aus allen möglichen Blinkwinkeln.
Langsam trat ich einen Schritt vor um sie nicht zu verjagen, aber natürlich musste ich ausgerechnet auf einen trockenen Ast treten und sofort schoss ihr Blick zu mir. Wieder sah ich Unbehagen in ihren Augen aufflackern, aber bevor sie diesmal wieder wegrennen konnte, nahm ich wieder meine Menschengestalt an.
,,Du musst keine Angst vor mir haben." Langsam und immer darauf bedacht ihr keine Angst zu machen, schritt ich weiter auf sie zu.
Ich wusste, dass die erste Verwandlung immer die schwerste war und ich könnte mir vorstellen, was gerade in ihrem Kopf und in ihrem Körper vor sich ging. Auch mir stellte sich die Frage, warum ihr Fell so eine außergewöhnlich Farbe hatte, denn wir anderen Wölfe hatten meistens nur einfarbiges und wenn überhaupt geflecktes Fell. Aber so etwas einzigartiges wie ihres habe ich noch nie gesehen.
Misstrauisch sah sie mich aus ihren giftgrünen Augen an, blieb aber an Ort und Stelle stehen. Mit forschendem Blick beobachtete sie jede meiner Bewegungen und als ich meine Hand hob um sie ihr auf den Rücken zu legen, zuckte sie kurz zusammen, lies es aber geschehen.
Vorsichtig strich ich durch ihr Fell, welches sich seidig anfühlte. Meine Hand wanderte über ihren Rücken immer weiter nach oben, bis ich zwischen ihren Ohren ankam. Dann lies ich meine Hand zu ihrer Wange gleiten und sie schmiegte sich in meine Handfläche. Sie schloss ihre Augen, schien sich sichtlich zu entspannen.
Aber plötzlich riss sie ihre Augen wieder auf und ich sah Schmerz in ihnen. Da ich wusste, dass sie sich gleich zurückverwandelte, schloss ich sie in meine Arme. Ich merkte wie sich ihre Rücken und ihre Arme verspannten und verformten und das seidige Fell wieder ihrer glatten warmen Haut wich. Mit einem erstickten Laut sackte sind in meine Armen zusammen und legte ihren Kopf an meine Schulter. Angestrengt atmete sie ein und aus und als sich ihr Atem beruhigt hatte, legte sie mir die Hände auf die Schultern und schob sich ein Stück von sich weg, um mir in die Augen sehen zu können. Ihre nun wieder grauen Augen huschten immer und immer wieder über mein Gesicht, so als könnte sie nicht glauben, dass ich vor ihr sitze.
,,Es ist alles gut Mia, ich bin hier. Bei dir."
Erleichtert lies sie sich wieder in meine Arme fallen.
,,Wirst du mir jetzt sagen, was da eben los war?"
————————
Nachdem sie mit ihrer Erzählung geendet hatte, war sie so müde gewesen, dass sie eingeschlafen ist. Ich nahm sie vorsichtig hoch und trug sie wieder zurück zu Ayleen. Es ist zwar relativ kalt draußen, ohne Klamotten umso mehr, aber da ich sowieso und auch Mia sich endlich verwandelt hatte, machte uns die Kälte nichts mehr aus. Trotzdem beeilte ich mich, den Weg zu Ayleens Haus zurückzugehen.
Dort angekommen, stand Ayleen im Türrahmen und lies mich wortlos an sich vorbei ins Behandlungszimmer laufen. Dort legte ich Mia vorsichtig ins Bett und deckte sie zu. Dann machte ich mich auf den Weg ins Badezimmer um mir etwas von den Wechselklamotten zu nehmen, die Ayleen hier immer für den Notfall aufbewahrte.
,,Hat sie es dir erzählt?", fragte sie als ich mir etwas angezogen hatte und in die Küche trat. ,,Ja, sie hat über ihren Traum und dieses Ding gesprochen. Und außerdem meinte sie, dass sie, als sie sich verwandelt hatte, nicht das Gefühl hatte, das May die Kontrolle übernahm. Sie fühlte sich ihr ebenbürtig. Wie kann das sein? Ich dachte bei der ersten Verwandlung ist es immer so, dass der innere Wolf die Kontrolle an sich reißt und den Menschen dadurch in den Hintergrund rückt."
,,Sie ist, wie dir vielleicht schon aufgefallen ist, nicht ganz normal."
Als sie meinen bösen Blick auf sich spürte ergänzte sie: ,,Das meine ich natürlich nicht im negativen Sinne. Hör zu, ich bin zwar noch nicht so lange auf der Welt, wie manch andere Hexe, aber meine Vorfahren und deren Vorfahren und auch deren Vorfahren vor ihnen, waren schon mit Werwolfsrudeln verbündet. Es gibt nicht viele Hexenfamilien, bei denen das so ist, die meisten verbünden sich über Generationen hinweg immer mit anderen. Ob nun Werwölfe, Vampire oder andere Hexen. Wie dem auch sei, was ich sagen will ist, dass ich viele alte Aufzeichnungen meiner Vorfahren besitze und in einer alten Schriftrolle habe ich mal etwas über diesen Schatten gelesen. Soweit ich mich richtig erinnern kann, ist der Schatten die böse Seite eines durch und durch guten Wolfes. Überall muss es einen Ausgleich geben und ein Werwolf, der reinen Herzens ist, trägt eine tiefschwarze Seite in sich. Ich weiß nicht warum das so ist oder was man dagegen tun kann, dafür habe ich die Aufzeichnung nicht genau genug studiert. In diesem Moment erschien es mir nicht wichtig, aber jetzt sollte ich mich wohl an die Arbeit machen und das nachholen."
,,Warte kurz. Was hat es mit ihrem Fell auf sich, ist das auch ein Zeichen für diesen Schatten?"
,,Ich kannte mal einen Wolf mit ähnlichem Fell, nur schimmerte es nicht wie ihres blau wie die Nacht, sondern rot wie Feuer. Er hatte eine besondere Gabe, denn er konnte große Hitze ertragen, bei der andere längst zu Grunde gegangen wären. Außerdem hatte er im Kampf erstaunliche Ausdauer und Biss. Ich weiß nicht, ob sie ähnliche Fähigkeiten aufweist oder aufweisen wird, aber ich bin mir damit eigentlich hundertprozentig sicher. Du musst auf sie achten. Und wenn sie Anzeichen für eine besondere Gabe zeigt, dann bringst du sie zu mir, klar?"
,,Ja natürlich."
,,Gut, dann wirst du jetzt zu ihr gehen und über sie wachen. Ich werde solange die alte Schriftrolle suchen. Wenn sie aufwacht, dann gibst du ihr noch etwas von dem Arzeneimittel, das neben ihrem Bett steht. Anschließend könnt ihr nach Hause gehen."
Mit diesen Worten stand Ayleen auf und wollte gerade die Küche verlassen, als siebsich noch einmal umdrehte und mir in die Augen sah.
,,Du solltest gut auf sie aufpassen. Sorg dafür, dass sie sich nicht zu sehr aufregt oder wütend wird."
,,Warum?"
,,Das könnte sonst den Schatten entfesseln."

My wolf and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt