Kapitel 38

1.1K 60 16
                                    

Luna:

Einen Moment herrschte Stille. Ich war den Tränen nahe, doch ich versuchte tapfer zu sein. „Was?" brachte Matteo schließlich leise heraus. Er schien verwirrt und gleichzeitig...ungläubig? Eine Träne rann mir die Wange herunter, als ich, etwas leiser als zuvor, fortfuhr: „Ich habe dich nie belogen. Merkst du es immernoch nicht?! Sol ist deine Tochter! Ich musste damals gehen um sie zu beschützen!"

Er sah mich nicht an, sondern zur Seite. „Wieso?" Schwer schluckte ich. „Kurz nach unserem Streit habe ich von der Schwangerschaft erfahren. Daraufhin habe ich euer Gespräch mitbekommen. Das mit deinem Vater." Ich machte eine kurze Pause. „Für einen kuruen Moment dachte ich an eine Abtreibung. Aber dann... habe ich den Ultraschall gesehen." Ein tiefer, schmerzvoller Seifzer entfuhr mir.

„Ich konnte sie nicht abtreiben. Ich wollte es nicht. Also gab es nur eine Möglichkeit..." „Du hättest zu mir kommen sollen." meinte Matteo plötzlich. Dann wandte er sein Gesicht mir zu. „Du hättest mir erzählen sollen, was los ist. Wir hätten das wieder hinbekommen." Nun war ich diejenige, die ihn vorwurfsvoll ansah.

„Ach ja? Wie denn?! Wie hättest du der Presse erklärt, dass deine chaotische, tollpatschige, absolut unfähige Freundin ein Kind bekommt? Wie hättest du diesen Skandal vermieden? Wie hättest du es deinem Vater erklärt?" Kurz machte ich eine Pause. Dann sah ich ihm direkt in die Augen. Mit leiser, fast flüsternder Stimme fuhr ich fort:
„Wie hättest du überhaupt reagiert, wenn ich es dir erzählt hätte?"

Er schwieg. Das war mir Antwort genug. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren rannte ich aus dem Raum, aus dem Haus raus in das nächtliche Buenos Aires. Hier draußen sog ich die herrlich frische Luft ein. Sie schien von Ruhe erfüllt, ganz im Gegenteil zu meiner inneren Verfassung.

Als ich mich weit genug von der Villa Benson entfernt hatte, verlangsamte ich mein Tempo und lief langsam durch ein paar beleuchtete Straßen. Die heißen Tränen, die mir über das Gesicht liefen, bemerkte ich fast gar nicht. Auch war mir egal, was die Passanten über mich dachten, die mir entgegenkamen.

Ich brauchte einfach nur kurz Ruhe. Und Zeit für mich, um meine Gedanken zu ordnen. Ich wusste nicht,  was ich nun denken oder fühlen sollte. In mir herrschte ein Strudel aus Gefühlen, die sich einfach nicht sortieren lassen wollten.

Irgendwo, in einer ruhigeren Straße, führte der Weg mich zu einer Kirche. Diese wurde erhöht gebaut, sodass man erst einen Hügel mit Treppen hinaufsteigen musste. Oben angekommen sah ich, dass vor der Kirche eine kleine Fläche frei war, auf der eine Bank stand.

Ohne lange zu überlegen setzte ich mich darauf und starrte gedankenverloren auf den Blick, der sich mir bot: Ich saß mit dem Rücken zur Kirche, was bedeutete, dass ich durch die Erhöhung einen Blick auf ganz Buenos Aires werfen konnte...Naja, zumindest auf einen großen Teil davon.

Die beleuchteten Schilder und Straßenlaternen, die ich nur als Lichtpunkte zwischen den Gebäuden ausmachen konnte, beruhigten mich. Auch die Dunkelheit, die kühle Nachtluft und das leise Geräusch von Grillen ließ mich zur Ruhe kommen.

Allmählich entspannte ich mich etwas. Das alles kam mir vor wie ein Bild das ich betrachtete, und währenddessen die Zeit stehen blieb. Meine Gedanken waren wie weggeblasen und mein Kopf angenehm leer. Ich dachte an nichts, das einzige was ich tat, war auf das Bild vor mir zu starren.

Ich nahm alles wahr, als wäre ich eine Unbeteiligte. Als würde die Welt sich ohne mich weiterdrehen, und ich bekäme eine Pause von meinem anstrengendem Leben. Eine Chance, der Welt zuzuschauen.

Zwar war es nachts kälter als tagsüber, jedoch war die Kälte nicht derart schlimm als dass sie mich dazu bringen hätte können aufzustehen und wieder nach Hause zu gehen.
Durch die Leere in mir und die trügerische Ruhe hatte ich völlig die Zeit vergessen.
So sah ich schon, wie sich am Horizint die ersten Wolken rosa färbten, als ich realisierte wie viel Zeit ich schon hier verbracht hatte.

Und dann war die Ruhe plötzlich zuende. Nicht äußerlich, nein, da war es immernoch so ruhig und still wie zuvor. Aber innerlich zerfiel die Leere in mir. Sie wurde durch ein höher schlagendes Herz und unglaublichen Schmerz ersetzt. Und dies hatte einen Grund:
Jemand hatte sich neben mich gesetzt.

Wie er mich gefunden hatte, war mir ein Rätsel. Ich hatte nicht zur Seite gesehen, nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als ich ihn kommen hörte, und trotzdem wusste ich, dass er es war. Ich konnte es spüren. Er hatte sich neben mich gesetzt.

Don't lose the PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt